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Dresdner Nachrichten : 27.04.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192404276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19240427
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19240427
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1924
- Monat1924-04
- Tag1924-04-27
- Monat1924-04
- Jahr1924
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- Dresdner Nachrichten : 27.04.1924
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ronntag.27.«pril 1924 — Dresdner MchrW« — Nr. 1Z4 Seite Z Der Kaiser über -en s. November. „Wanderungen «U Kaiser WUHel« N." M» bewußter «nletznun« an Ernst Moritz Arndt« «vandc ruoae» «tt dem Retchosrellierrn von Etetn" dat der durch Irin Buch «Kaiser und Revolution" bekannt« Oberstleutnant Ri«. K urnnn seine mit Kaiser Wilbel« II. aetllbrten tuttmen Ge- WrtA« in der lebendigen Horm dlrekter Rede dem Verlage K. N. Koehler unter dem Tttel «vanberungen mit «aller Wil bel« N " zur Uerüisentlichung Ubergeben. Wir sind heute dank de« Entgegenkommen de» Berlage« tn der Lage, einen Au«, schnitt an« de« Buch« zu verüssentltchen. Die Tragik -es V. November. Der Kaiser hatte de» Brief et»«- Geistlichen vorgelese», «tue» Briet von «rschlttteriider Seeleunvt: »Daß Euer Majestät nicht« mehr von mir wollen, mich aller Verpflichtungen entlassen, das begreift sich sehr schwer, aber baß ich von dem, was tch geschworen habe, durch einen Mensche», und sei'- auch metn »atser und König, sollte ent. -oben werben können, das bleibt wir unverständlich. Mein Elb bleibt mein Eid, den tch zu halten habe und l,alten werde, solang« tch lebe! Hier ist also ein Berg, den ich nicht über steige« kann! . . . Warum musttcst Du von und gehen?!" So schrieb ein Mann, den, 3» Amt-jahr« das Haar ge. bleicht, schrieb, nachdem sich der 0. November dcü Jahres ll»8 «um fünften Male geiährt hatte. Und dieselbe Frage, die er stellt, stellen noch heute viele deutsche Männer und Frauen, die an baS böswillig erfuirdene Märchen von der »Flucht des kaiserlichen Deserteurs" nicht glauben können und nicht glauben wollen. Wir standen am Parkgittcr, an einer Lichtung der hohe» Buche», wo der Blick sich so gern tu die Ferne verliert. Da wenden sich die Gedanken unwillkürlich nach innen. — WcS- halb muhte der Kaiser von uns gehen? — Lehen wir heute klarer al- damals tn der Billa Fratneuse, wo Irrung und Verrat Hochzeit hielten? — Der Kaiser stand eine Weile. Dann setzten wir unsere Wanderung schweigend fort. Der Nvtschrri de- Pfarrer», die innere Not de» deutschen Volkes bewegte unS dte Seele. »Auch metn Leben war reich an Scelennot," so sprach der Kaiser aus tiefem Sinnen. „Deshalb verstehe ich die Nut diese» Manne», verstehe auch dte Zerrissenheit aller derer, die mir innerlich treu sind und treu sein wollen. Wie soll tch ihnen helfen? Dte anfängliche Vertuschung und Entstellung der Vorgänge sind ia niemals wieder gut zumachen! Sic bleiben wie ein schleichendes Gift in der Vor. stellungSwelt haften. Ich habe mich immer und immer wieder geprüft, habe mich gefragt, ob ich airderS hätte handeln künnen oder handeln müflcn. In einem fünfjährigen Exil wird man kritisch gegen sich selbst. Aber mehr denn sc bin tch davon überzeugt, dass dte Geschichte meine Gründe würdigen wird. Die gewaltige Tragik de» v. November liegt darin, dast tch daS Opfer meiner Person in einem Zeitpunkt und unter Verhältnissen bringen muhte, wo dieses Opfer dem deutschen Bolle nicht den Gewinn schuf, den ich erstrebte, und der er- retchbar gewesen wäre. In der Heimat sieht man meinen Abgang lediglich unter und den dem tnnerpolttischen Gesichtswinkel und will nicht begreifen, bah wir am ü. November am Borabcitd der grösste» außcn- volitischcn Entscheidung in der Geschichte des Deutsche» gleiches gestanden haben. Nach Eintreffen der zweiten Wilson-Note war mir klar geworden, das, die Entente daraus auSssing, die in mir vcr. körperte Einheit des Deutschen Reiche» und die Machtstellung Preußen» zu zertrümmern, durch die Beseitigung meiner Person den grossen militärischen Steg zu dokumentiere», der in Schlachtenerfolgcn nicht erreichbar war. Nicht umsonst hatte die feindliche Propaganda den durch unsere bundesstaatlichen HecreSverhältnisse bedingten Begriff de» »Obersten Kriegs herrn" dazu benutzt, der ganzen Welt etnzuhämmern. dah dieser »Oberste Kriegsherr" der zweite Etzel der Weltgeschichte sei, der Träger brutalster Ervberungsgtcr, der Erzeuger aller KrlcgSgreuel, der autolratische Unterdrücker jeder freien Regung im deutschen Bolle. Ich war in der vox papuli unserer Feinde also gewissermaßen das Prinzip der Unkultur, gegen da» man vorgab, einen Kreuzzug zu unternehmen. Noch vor kurzem hat mir ein Bürger der Vereinigten Staaten be stätigt, wie fest dieser künstliche Haß gegen meine Person tu die amerikanische Volksseele etngehämmcrt morden ist. Die Beseitigung des dcutsäien Kaisers bedeutete« dem feindlichen Kämpfer an der Westfront zugleich Vülkererlösung und Mensch- Heils besreiung. In meiner Person hielt die deutsche Politik also einen Trumpf in der Hand, detz um so gewichtiger wurde, je fester Heer und Heimat ihn umklammerten. Der Wert oder Un wert meiner Person scheidet dabei völlig äus. Ich mär daü Sinnbild einer jahrhundertealten Tradition, dte Inkarnation einer Geschichtöperiodc gewaltiger deutscher Entwicklung. Der Feiitdbutrd, an seiner Spitze Herr Wilson, suchte auf alle Weise dem deutschen Volle diesen Trumpf zu entwinden und nutzte dazu in geschicktester Weise dte seelische Zcrmürbung Kretse tn der Heimat, tn vorderster Linie Parlament «rteg»kabtnett, griffen nach dem Köder, der ihnen tn .... Wtlsvnnvten htngehalten wurde. Man ließ sich etnreden, baß der Kaiser und dte Monarchie das einzige Hindernis eine» so- genannten BerständtgüngSfriedens seien'. Was mein Abgang für da» Heer bedeutete, darüber dachte man überhaupt nicht nach. Gott allein weiß, wie schwer e- für mich gewesen ist, die- sem Drucke nicht nachzugeben. Oder glaubt wirklich irgendein Mensch mit gesundem Menschenverstand, daß tch nicht ähnliche» inneren Anfechtungen audgcsetzt gewesen bin wie mein Groß vater, als Bismarck ihn am Portepee faßte? — De» Männer» in Äerltu war meine Standhaftigkeit un bequem. Dte an der Front kämpfenden Truppen dagegen wollten ebensowenig von einer Katsersragc etwas wissen wie die Führer des Heere». Nur General Grüner wurde schwan kend. besonder» nachdem er sich tn Berlin seine politische Orien tierung geholt hatte. Er will am l. November — wie tch später erfuhr — meiner militärischen Umgebung angedcutet haben, daß es für mich wohl gegeben sei, den Tod auf dem Gefechts, feldc zu suchen. Ganz abgesehen davon, daß tch ein Gott versuchen oder gar den Selbstmord moralisch verwerfe, kann ich nicht einsehen. welchen Nutzen eine solche inszenierte Helden- rolle bringen sollte. Wir leben nicht mehr in einer Zelt, wo der königliche Feldherr mit dem Degen in der Rechten seine Triarier in den letzten EntschetbungSkampf führt. Eine Ver zweiflungstat von meiner Seite märe einem untilgbaren Schuldbekenntnis gletchgekommen. Am v. November spitzten sich die Unruhen in der Heimat' zum Umsturz zu. Ich war bereit, dem Aufruhr mit bcwaffF ncter Macht entgegenzutreten. Da erfuhr ich klipp und klar auü dem Munde der verantwortlichen Männer der Heeres- lettung Ablehnung. DaS Heer versagte mir tn seinen obersten Führern die Gefolgschaft zum Kampf gegen den inneren Feind. Unterdessen schürzte sich der Knoten. Das Reichskanzler- amt übermittelte telephonisch Nachrichten, die dahin lauteten, daß tn der Heimat mit dem AuSbruch des offenen Bürger- krteges zu rechnen sei, falls ich nicht sofort den Entschluß zur Abdankung faßte. Gewiß diese Meldungen waren unrichtig, jedenfalls stark übertrieben. Aber ich hatte damals keine Ver anlassung, die Richtigkeit dessen tn Zweifel zn ziehen, was der Chef der Reichskanzlei, ein bewährter, verantwortungs bewußter hoher Beamter berichtete. Auch wird heute vielfach vergessen, daß sich im küntgStrcucn Bagern die revolutionäre Bewegung bereits durchgesetzt hatte, eine Tatsache, durch die meine Beurteilung der Gesamtlage nicht unwesentlich beeinflußt wurde. Einen Bürgerkrieg wollte ich unter allen Umständen ver hüten. Meine Gründe dafür habe ich in den ..Ereignissen und Gestalten" ausführlich dargelcgt. — Nun galt cS, wenigstens de» letzten Trumps zu retten, dem Heere bis zum Abschluß üeS Waffenstillstandes die mora lische Widerstandskraft gegen den äußeren FcMd zu erhalten. Der Staatsstreich in Berlin, seine Bekanntgabe an alle Well über meinen Kopf hinweg, trug den TobcSkeim seelischer Haltlosigkeit in die Truppen »nd ihre Führung. Ich beschloß, trotz den geradezu entwürdigenden Zumutungen an der Front auüzuhallen. Die Truppen sollten wissen, daß derjenige unter ihnen stand, der ihnen dte Verkörperung dessen war. wofür sic stritten und litten, dem sie Treue bis zum Tode gelobt hatten. Für den deutschen Kaiser und König von Preußen wären Hundcrttauscndc bereit gewesen, ihr Leben zu lassen, die sozialistische Republik hat keinem dieser braven Männer etwas WcsrnhastcS bedeutet. Die rote Fahne wurde zum Wahrzeichen der Zuchtlosigkeit: sic hat weder den Veruich- tungöwtlttn unserer Feinde desäuftigt noch irgendeinen WillenSakt nationaler Verteidigung auSgelüst. Aber selbst diese entsagungsvolle Rolle glaubte man mir nicht zubilligen zu können. Dte im Hauptquartier vereinigten zivilen und militärischen Sachwalter der neuen Rcgierungs- gemalt stellten mir vor, daß meine Anwesenheit an der Front einen blutigen Vrudcrkamps innerhalb des Heeres und de» Bürgerkrieg i» der Heimat entfesseln würde. Das wollte ich nicht, und das durfte ich nicht wollen. Nicht tn Kopflosigkeit und Bestürzung bin tch ins Exil gegangen, sondern nach ruhiger, reiflicher Neberlegung in den, Bewußtsein treuer Pflichterfüllung gegenüber meinem ge liebten Heere und meinem unglückliche» verblendeten Vater lande. Auf Grund der Darlegungen der politischen und mtli tärtsche» Stellen konnte ich nicht mehr daran zweifeln, daß meine Anwesenheit beim Heere ein Hindernis sei sür Er Haltung eines einheitlichen Abwehrwilleno. Heer und Heimat mußten bis zum Friedcnsschlnß i» der Lage bleiben, unseren Feinden die Stirn zu bieten, durfie» nicht durch einen inneren Zwist ohnmächtig gemacht werden. Diese Erwägnng allein ha> den Ausschlag gegeben und mich bewogen, mich dem Drängen der verantwortlichen Berater zu fügen. Wenn diese mir ei» unzutreffendes Bild von der Lage in der Heimat und der Sinn mulig im Heere gegeben habe», dann soll man daraus keine» Vorwurf gegen mich hcrlciteu, soll nicht aus dem bewußte» Opfer, das tch brachte, eine schmachvolle Flucht mache». Mein Herz ist frei von Anklagen gegen das dentschc Roll. Diejenigen, die es irregeleitet und verführt habe», mögen sich einst vor dem höchsten Richter verantworten . . ." Der Kaiser war blaß vor tiefer Erregnng »nd ein Zyg von Bitterkeit zuckte Über sein Antlitz. „Was verlangt man denn noch für weitere Erklärungen? Soll ich etwa der Schnldlllge von Versailles noch eine Schuld- lüge vom S. November lnuzusügen? — Wen» ich eine Schuld bekennen soll, dann will ich wenigstens eine wahre Schuld bekennen: Ich bekenne mich schuldig, das Vaterland stets über meine Person gestellt zu haben, bekenne mich schuldig, dem Vaterland und dem Heere meine Person zuin Opfer gebracht, sie der Schmach überhoben zu haben, ihren entthronten Kaiser dem Landeascinde ausliefern zn müssen, bclenue mich schuldig, die Verbannung dem freiwilligen Tode vorgczogen, ja mekn Leben erhalte» zn haben, um Zeugnis abzuscgen wider die- Icnigen, die Deutschland dcS größten Verbrechens zeihen, das die Weltgeschichte sc gesehen hat. Das freiwillige Opfer meiner Person füllte dein Batet- lande einen ehrenvollen Frieden bringen. Es ist nicht allein eine tiefe Tragik für mich, sondern auch sür das deutsche Volk, daß die politischen Machthaber die rechte Opserstnndc nicht gb warten konnten. ' .. , Wie oft gehen mir die lütteren Worte Gregors VII. durch den Sinn: „vilexi juriüicm, et ocli miquiisiem. proptereci mcnücu in axiliv'i" > „Ich tßibc die Gciechtiqtcit geliebt und die Unqercchtiqkcit ,p- hatzi, deshalb sterbe ich in der Verbannung!" Die Proteste der deutschen Kolonialhünde an den Völkerbund. Der Völkerbund nickt zuständig! Gens, -'6. April. Im Vittkcrbuiidsselretariat trafen Telegramme der Deutschen K v l v u i a l g e s c l l s ch a ft, Ab teilung Magdeburg, und des Präsidiums der Koloniale» R c i ch s a r b c i t S g c m c i n s ch a f t ein. in denen gegen den Raub der deutschen Kolonien als 'Bruch der vor den Waffen sttllstaiidSucrhandlunge» erteilte» Zusicherungen protestier« wird. In den Kreisen des Sekretariats ist man der Ansichi. daß es sich hier um einen Protest gegen den Vcr saillcr Vertrag handle, der an die Signatar Mächte z» richten wäre, für den der Völkerbund aber nicht zuständig sei. (W. T. B.i > Der ganze Irrwahn wird klar durch folgende Tatsache»: Die deutsche Note vom tä. Mai lvltt liebt hervor: ..Die Vertreter der alliierten und assoziierten Ltaatcu haben wiedeibolt betont, das deutsche Voll solle sür die Fehler seiner Regierung nicht verantivvit- Itch gemacht werücu". ' Der Bescheid lautete: ..Berpslichtunge». die sür eine Nation einmal entstanden sind, werden durch eine Veränderung in der Rcgieriingdsorm nlchl znm Erlösche» gebracht". Meller erklärten unsere Feinde in der Note vom IS. Juni tvU>: „DaS dentschc Volk hat die Richtigkeit unserer Anklage durch die Revolution anerlamit. ES trat leine Regierung gestürzt, well es Amerikanische Feindseligkeit gegen die deutsche Industrie. Die amerikanische Wohltätigkcitspropaganda ist ein Irrtum! iE i g n c r D r a h t b c r > ch t der „Dresdner Nachrichten"! London, 26. April. Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten Ferguson erklärte zu der Tatsache, daß mau in Amerika Geldmittel sammle, um den bedürftigen Kin der» Deutschlands zu Hilfe zu komme», es sei zwar nicht angebracht, derartige Unterstützungen zu kritisieren, wenn man sich jedoch darllbcr Rechenschaft ablege, daß jede: Dollar, der zur Verfügung der bednrsligcn Kinder gesammel' würde, Goldwert darstelle, der aus irgendeinem Wege In die Kasse» der Industriellen flösse, so ergebe sich, daß die in den Vereinigten Staate» organisierte Wohltätigkcitspropaganda ein Irrtum sei. VosisSs . ...... .^.entdeckte, -atz diese «tn Feind des Friedens, der Gerechtigkeit und und politische Untcrwühlung des deutschen Volkes auö. Weite I Gleichheit war." rs,i!c:N: s v,ocl>. Linceitt lesit » 71-»»» »>»»» LoUsv -»ussvlsssvisi ürr-L-sv»««-»»,»,»»- ««lt »ceie, - iüWMiWWMU Sinfoniekonzerl im Opernhaus. Reihe 6. 8: am LS. April. Ein großes neues Werk dcS jungen Psttznerschülers Hermann Ambrosius bekam die Ehre zucrkcmnt. den. Abend des letzten SiniontekonzerteS der Spielzeit füllen zu dürfen. Es benennt sich: „Faust, Sinfonische Dich tung nach Worten auS dem Faust von Goethe, für Chor. Soli und großes Orchestc r." Die Aus nahme, die es beim Publikum fand, war für den anwesenden Komponisten ungemein ehrenvoll. In der Tat verdient ein Künstler, der im Vorwurf derart nach den Sternen greift, schon um seines idealistischen Mutes willen Anerkennung. Liest man dann freilich tn dem zur Programmusik gehörenden Programm eine Selüstcinschätzunq wie „Dem scheinbar un. formalen Goctheschen Faust steht meine streng formale musi kalische Darstell"na gegenüber", so muß man sich auch sagen, daß Dtstonzgefiihl nicht gerade die starke Seite der Künstler- jugend ist. In der Tat ist dem künstlerische» Wollen dieses jüngsten Faustlomponisten die Grüße ÜeS Stoffes gefährlicher ge worben. ata er selbst zu fühlen scheint. Gctnc Musik weckt an sich vtel Snmpathie: sic ist technisch vortrefflich gearbeitet, zeigt sichere Beherrschung der Mittel, nützt tn Harmonik und Orchestersarben klug und kühn den Fortschritt ohne in Aus schreitungen zu verfallen, geht überhaupt stets den Weg ge wählten Tons und guten Geschmacks, hat auch znm mindesten in ihren instrumentalen Teilen manches einprägsame Thema. Aber der ganze Gedankcnflug ist zn „klein": zu klein nickt nur au Goethe gemessen, sondern vor allem auch a„ den un abweisbaren Erinnerungen an die Faustkvmvositioncn von Liszt und Wagner, von Bcrltoz und Schumann. Ia, ganz offen gesagt: wirken nicht sogar im Talmi-Faust des Fran zosen Gounvd zum Beispiel die paar lapidaren Dreiklänge de» vio« iras und die Opcrnmelodtc des „Bösen Geistes" zwingender auf die Fantasle. als der überladene durck- etnanberaeauirltc Höllenchor und der farblose Allcrwclts- sprachacsang des Solisten bei Ambrosius? Und wenn dann nach dieser Breughrltadr ein süße» Nachspiel mit Eclcsta- klängen folgt - das soll Gretchcns Erlösung sein? Oder wenn im letzten Satz nicht minder sllß Flöte und Harfe duettiercn — das muß als tönendes Abbild des „Verweile doch, du bist so schön!" gelle»? Gg„,-, hübsch, aber zu Nein, zu klein! Im allgemeinen haben wir übrigens das Empfinden, daß verschiedentlich tn den dem zweiten Teil der Tragödie gelten den Sätzen da- Ebenmaß zwischen Vorwurf und Musik besser gewahrt erscheint, als in den ersten. Und da- ist an sich durch aus verständlich, denn der Goethe des Faust H. hat ia leibst teilweise etwas von jenem artistischen C-etst verspürt, der ein Grundzug unseres modernen Musizierend ist. Eine Szene wie „Fausts Genesung" mit den Gesängen des Ariel und seiner Geister verlangt eigentlich keine innere Größe, sondern läßt sich mit einem liebenswürdigen, freilich doch gewählten Impressionismus immerhin ganz eindrucksvoll nachtönen. Nicht minder der Bilderreichtum der klassischen Walpurgis nacht Und so möchte« mir an »»mittelbarer Lebendigkeit deö Eindrucks diesen Sätzen den Vorzug zuerkennen. zumal sic beide in einer schön heraufgeftthrtcn Steigerung wir kungsvoll gipfeln, dte besonders in der Fassung des Wahr spruchs „Alles kann der Edle leiste«, der versteht und rasch ergreift" sogar etwas jenen lapidaren Tun anschlägt, der. häufiger gefunden, dem Ganzen hätte zugute kommen sollen. Im Schlußsatz „FaustS Tod und Erlösung" ragt der Lemurenchor durch eindringliche Eharakteristit und Stim mung hervor, während der instrumental geschilderte Teufels- un>ü Engelökamps zu den zu „kleinen", der Schlukchvr zu den durch Komplizierung der Monumentalität beraubten Partien gehört. Von den drei Sätzen des ersten Teils macht der mittelste, die „Romantische Walpurgisnacht", als halb instru mentales. halb vokales Scherzo von verhältnismäßiger An spruchslosigkeit s— wiewohl technisch kompliziert genug —j die unmittelbarste Wirkung. Ob man den ersten Satz, das eigentliche Faustvorträt. das Abbild des mit dem Erdgeist ringenden gewaltigen Zweiflers und Berzwciflero ernster nehmen könnte, wenn man von Liszt und Wagner nichts wüßte, bliebe dahingestellt. Daß es ähnlich um den dritten Satz. dte „Grctchen-Tragödtc" bestellt ist. wurde schon an- gcdcntet. Eine gewisse Schwierigkeit, von dem Ganzen eine» G<- samteivdruck mttzunehmen. liegt schon in seiner etwas proble matischen Form, die das seit Gustav Mahler beliebt ge wordene Mittelding vo„ Kantate und Sinfonie darstellt. Tie Verschmelzung sonatenhastcr Lrchettersützc mit großen an Chor und Soli verteilten GcsangSevisoden ist zwar von Ambrosius technisch geschickt durchgeführt, kommt aber über einen stark barocken Charakter nicht hinaus. Möglich, daß sür Ambrosius als Psitznerschüler da das Vorbild der Kantate „Von deutscher Seele" maßgebend war. Sonst löst seine Musik verhältnismäßig wenig Erinnerungen au die Werke seines Meisters ans: am ehesten läßt »och das Glocken läuten vor den, Ostcrchor an „Palcstrina" denke». Den idealistische» Geist freilich Hai als bestes Erbe der Jünger vom Lehrer mitbekommen, und um dieses idealistischen Geistes willen hat wohl auch Fritz Busch das Wagnis der Urallsstthrung des schwierige» problematischen Werkes über- nommen. >- .... Diese Aufführung hat dem Werke gewiß gegeben, was ihm zukam. Schon äußerlich haben wir Busch kaum je so hingebungsvoll dirigieren sehen wie an diesem Abend- Der gewaltige Apparat funktionierte »stier seinen Hände» :>or trefflich, vor allem natürlich das Orchester, aber auch der von Pcmbanr gut vorst"dieric Elivr. der den Fraucnchor der StaatSthcater. den Linivniechvr und Pc« Lehrcrgcsangverci» zu einem mächtigen .Klangkörper vezschmolz. Neben zwei Chorsolistcn (Lucia Dölitzich n»ü Richard Oswald! trugen Grete N i k i s ch und Rudvis Schmalnaner die nicht gerade dankbaren größeren Einzclgcsängc mit bc wahrtem musikalischen Vermöge». Außer dem Komponisten galt anck ihnen allen der Dank des Publikums. Dr. Eugen Schmitz. Kunst und Wissenschaft. Tagung -er Shakespeare'Nesellschafl. ii. Ans Weimar wird uns geschrieben: Im Mittelpunkt der diesjährigen Shatespearc - Täguug stand der Festvvrtrag des Hamburger Anglisten Pros. Dr. Emil Wolfs, derzeitigem Rektor der Universität. Professor Wolfs behandelte „Dte sogenannte Shakespeare Bacon-Frag e". Die Vacvntheorie hat ia zahlreiche An Hänger, und es gibt auch Schulen, in denen sic der lernenden Jugend gegenüber vertreten wird. Die Stellungnahme der Shakespearc-Gescllschast. in der die führenden Gelehrten eng lischcr Literatur vereinigt sind, ist daher rw» Bedenlung. Sie Hai sich zu dieser Frage immer ablehnend verhalten. Aus der Hauptversammlung des Jahres Iß».', hat sich Kuuv «rischer eingehend zn der Frage geäußert: dann hüllte die Gescuschasl sich fast drei Jahrzehnte i» Schweigen. Sic löst cs nur, um von neuem ihren ablehnende» Standpnntt knndzuacben. Professor Wolfs führte folgendes aus: Als Kern der ganzen Frage bleibt doch bestehen, daß von 1WH bis 16Lll lt» Dramen erschiene» sind, die den Namen Shakespeares tragen. Die historische Existenz eines Shakespeare ist durch Dokumente beglaubigt. In der gesamten Ueberlieseruiig des 1». »nd i7. Iahrhnndcrls ist auch nicht der leiseste Zweifel an die Identität Shakespeares anfgelaiickt. Erst im kb. Jahrhun dert tritt dann die Behauptung auf, daß zwischen den Werken und der Persönlichkeit ein nnlösharer Widerspruch bestehe. Die Amorschail wurde dem Schauspieler Shakespeare genommen und auf de» Lordkanzler und Philosophen Francis Bacon übertragen. Die Bewegung gtug von Amerika aus und ver breitete sich über England »nd Deutschland. Mau stützte fich
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