Die Kabinets - Justiz, oder: Der alte Fritz und die Predigertochter. (Mitgetheilt von Wilhelm Me in hold.) (Fortsetzung.) Am nächsten Morgen jedoch sollte es noch ärger kommen mit ihrem Schicksal. Der Land rath hatte nicht sobald von der bedenklichen Krankheit unseres Greises erfahren, als er in sei nem boshaften Sinne demselben sagen ließ: er möge zu morgen ausziehen, denn das Pfarrhaus solle niedergerissen werden, um an dessen Stelle ein ganz neues wieder aufzubauen. «Natürlich antwortete ihm dieser: das sei ihm zu morgen unmöglich, überdieß läge er krank und würde schwerlich wieder aufkommen. Hätte er so lange in dem alten Hause gewohnt, wolle cr's auch bis zu seinem -Tode; der Herr Landrath möge ihn nur ruhig darin sterben lassen. Aber dem ersten folgte bald ein zweiter Bote: die Sache wäre nun einmal nicht mehr rückgängig zu machen; der Herr Pastor hätte sich ja so dringend bei der königlichen Kammer beschwert, daß der gnädige Herr nichts Eiligeres zu thun gehabt, als Maurer und Zimmerleute zu be stellen; das Haus müsse zu morgen geräumt werden. Sophie ließ diesen zweiten Boten aber nicht mehr vor den geängstigten Vater, sondern ließ dem Landrath sagen: wenn er es vor Gott und Menschen verantworten könne, einen sterbenden Greis aus dem Hause zu treiben, so möge er's thun. Sie werde aber, wenn ihr Vater darauf ginge, den letzten Heller daran setzen, seinen Tod zu rächen, und sollte sie sich nach Potsdam hin aufbetteln. Natürlich änderte der Landrath jetzt noch um so weniger seinen Vorsatz; denn was hätte ihm lächerlicher erscheinen können, als diese Drohung? Am nächsten Morgen kam ein Haufe Zimmer leute aus der Stadt U., erkletterte trotz allem Jammern der armen Sophie das Dach des Pfarrhauses, und bald schossen Rohr, Latten und Sparren mit lautem Poltern vor dem Fenster des Krankenzimmers nieder. Sophie suchte den sterbenden Vater so gut sie konnte zu beruhigen und ihm einzureden: daß , Landrath wohl nur das Haus neu decken lassen wurde; als aber bald die Zimmerleute kamen und wehniuthig erklärten, daß sie jetzt den Winbel- boden aufreißen müßten, sank sie mit einem lau- ten Schrei über die Unmenschlichkeit des Land- raths in Ohnmacht, während die mitleidigen Zimmerleute den Sterbenden aus dem Bette hoben, ihm seinen Schlafrock und Strümpfe an- zogen, ihn auf seinen Großvatcrstuhl setzten und nun vier Maurer, unter welchen, wie wir wissen, auch der alte Vater Frank war, den jammernden Greis auf Befehl des Landraths hinaustrugen, und ihn mit seinen blöden Augen in der grellen Sonne auf die Dorfstraße hinsetztcn. Der Land rath stand mit dem Perspektiv hinter dem Wall nußbaume; Sophie lag in Ohnmacht, und nur ein altes Mütterchen hat es gewagt, an den entsetzlichen Stuhl zu treten und dem Sterbenden, der laut gewehklagt: „meine Augen, meine Augen!" ihre Schürze über den Kopf zu hängen. Aber auch fast in demselben Augenblicke hat er nach einer leichten Zuckung den Geist aufgegeben, und als Sophie, endlich wieder in'S Leben ge bracht, mit lautem Jammern herheistürzt, schließt sie nur noch eine Leiche in ihre verlassenen Arme. Wohl bittet sie bei dem Begräbniß ihres Vaters die anwesenden Prediger um Rath gegen die unmenschliche Tyrannei des Landraths, allein die Herren zucken mit der Achsel, und wenn auch Jemand einen Rath ertheilt, so will er ihr nicht gut scheinen. Ihr von den Herren gemißbilligter Vorsatz, selbst nach Potsdam zu reisen und dem großen Könige ihr Leid zu klagen, steht jedoch fester als je, und kam zur Ausführung, che sie sich's selbst versah. Sie hatte nämlich in Ermangelung einer Wohnung einstweilen in die Pfarrscheune ziehen müssen, wohin sie auch ihre geringen Mobilien gebracht, und ihre dürftige Kost kochte sie sich draußen im Garten. Denn da ihr das Gnaden jahr gebührte und nirgends im Dorfe ein anderes Unterkommen zu finden war. durfte sie noch nicht