Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880704
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-04
- Monat1888-07
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ue-arlio« und Lrpklitiou Iohanae-gasse 8. Sprrchünndrn der Nedarlion: Bormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 8—k Uhr. g1tr tt« »iiiS««be em-»I»ndter M-nnieew«« „cht stH tu vicdacüoo nicht tieidletUch, Annah«e »er für vte nächftfalge«»« Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen d»s 3 Uhr Nachmittags, an Tonn- und Festtagen früh bi«'/,9 Uhr. In dro /ilialrn snr Ins.-Annahme: Otts Klemm, ttniversität-straß« 1. Louis Lojchc, Katharinenstr. 23 pari. u. KöaigSplatz 7, nur bis '/,3 Uhr. 'chMtr.TlUMaü Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Abonnement-Preis vierteljährlich 4»/» Mk. iacl. Bnngerlohn b Mi., durch die Post hrzogeu 6 Mk. Jede einzelne Nummer Al) Pf Belegexemplar 10 Pf. Gebühren tür Extrabeilage» (ia Tageblatt-Fornrat gesalzt) ahne Postbesördenmg 60 Ml. Mit Poftbejörderung 70 Mk. Inserate stgespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schristeu laut uns. PreiSverzeichniß. Tabellarischer u. Zifferusatz nach Höhen» Tarif. Lrrlauten Meter dem RedactiouSstrich die -gesvalt. Zelle bOM.vor denAo milie» Nachrichten die Ögespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind ftrlS an die Erpedlttmi zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr«aum<-r»oüo oder dnrch Post- Nachnahme. ^ 18«. Mittwoch den 4. Juli 1888- 82. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Mit Zustimmung der Stadtverordneten ist von unS ein OrlSstatut. die Errichtung einer Freibank betreffend, errichtet worden, welches vom Königlichen Ministerium deS Innern bestätigt worden ist. Wir bringen dieses Statut nachstehend zur öffentlichen Kennt» iß. Leipzig, den 2. Juli 1888. Der Rath der Ltadt Leipzig. vr. Gcorgi. , Hcutschel. Ortsstatut, die Errichtung einer Freibank betreffend. 8 1- Zu dem Zwecke. minderwerthigeS aber genießbares Fleisch zu ermäßigten Preisen sür Rechnung der Eigenthümer unter obrigkeit licher Aussicht zu verlausen, wird von der Stadt Leipzig eine Freibank errichtet und verwaltet. 8 2. Der Freibank wird alles dasjenige irische Fleisch von Rindern, Schweinen. Kälber», Schasvieb, Ziegen überwiese», welches von den im Schlaünhosc der Stadl Leipzig geschlachteten Tbieren herrübrt, und welcher aus Grund dec tliierärzilichen Untersuchung nach den Bestimmungen der Vieh- und Schlachthossordnung zwar sür genießbar, aber nicht jur bankwürdig erklärt worden ist. Z 8. Der Verkauf solchen Fleisches darf ausschließlich auf der Frei bank und lediglich durch die vom Rathe der Stadt Leipzig an- gestellten Personen erfolgen; diese Personen hoben sich des Verlaus» anderen Fleisches und außerhalb der Freibank zu enthalten. Der Ralh bestimm» die Oertlichkcit, wo. und die Zeit, zu welcher der Verkauf staitfiudet, und macht solche öffentlich bekannt. 8 4 Herrenlose Thiere, Fleisch- und Eingeweidetheile von genießbarer Beschaffenheit werden von der Vieh- und SchlachihosSdirection zur Lcrwcrthung ln dec Freibank bestimmt. 8 5. Außer den in 88 2—4 bezeichneteu Lhieren und Thiertbeilen, welche in der Freibank verwerihet werden müssen, können derselben auch gesunde Th:ere von bereu Eigenlhümcrn überwiesen werden. 8 6. Fleisch von schwach finnigen Schweinen kann in vollständig gor gekochtem Zustande unter Angabe deS Fehler» auf der Freibank verkauft werden. 8 ?. Für daS der Freibank als rninderwerthig überwiesene Fleisch hat der Sanitäisthierarzt je nach dem Näbrwerthe den beim Verlause »lässigen Preis sestrnstellen; dieser dars aber V» des Marktpreises ür bankwürdiges Fleisch nicht übersteigen; bei denjenigen Tdieren, ivelche noch 8 5 der Freibank freiwillig überwiesen werden, bleibt dem Eigenthümer die Festsetzung der Preise» überlasten, doch dars derselbe die durch Anordnung des NathcS jeweilig sestzusetzende Grenze nicht überschreiten. 8 8. Der mit dein Verkaufe Beaustcagte erhält dar Fleisch zugewogen und sind demselben ö Proc. sür Gcwichlsverlusl beim Auspsundcn zurückzurechne». Aus Eingeweidetheile wird nicht» zurückgerechnet. 8 9. Ja der Freibank dürfe» von minderwerthigem Fleische (§ 2) Stücke nur bis zu 3 üx und uur zum eigenen Gebrauche des Käufers abgegebeu werden. 8 10. Der aus dem Verkaufe der der Freibank überwiesenen Thiere und Bestavdtheile von solche» erzielte Erlös wird nach Abzug der erwachsenen Auslagen und städtischen Gebühren dem Eigenthümer an der Vieh- und Schlachtbosscasse ausgezahlt. Leipzig, den 9. Juni 1888. I. 8. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi, Oberbürgermeister. V. S. Die Stadtverordnete». vr. Schill. Hentichek. Das Ministerium deS Innern bat daS vorcrsichiliche Onsstalut. die Errichtung einer Freibank betreffend, bestätigt und ist zu dessen Bcurkuudung gegenwärtiges Leeret uuter gewöhnlicher Vollziehung auSgesertigt worden. Dresden, am 30. Juni 1888. Ministerium de» Innern. V. 3. v. Nostitz-Wallwitz. Löhr. m Bekanntmachung. Für die Abstempelung des untersuchle» und sür genießbar erklärten Fleische» aus dem städtischen Schlachthose und im Flcischbefchauamte daselbst haben wir folgende Bestimmungen getroffen. 8 i. Alle im städtischen Schlachthofe geschlachteten Thiere, sowie alle daselbst im Beschauamle untersuchten Thiertheile werden nach der thierärztlichen. waS die Schweine anlangt, auch nach der mikroskopischen Untersuchung, sobald deren Fleisch für genießbar erklärt wird, an den in 8- 4 näher bezeichneteu Stellen mit Steinpelabdrücken versehen. 8 2. Die Abstempelung geschieht im Schlachthose bei Rindern. Kälbern, Schasvieh und Ziegen durch die Hallenaufsehrr, be Schweinen durch die Probenehmer; im Beschauamt durch einen damit Beauftragten, nachdem zuvor der die Beschau aulübende Thicrarzt seinen Stempel „Untersucht" bei Rindern am Brustbein, bei Kälbern. Schasvieh, Ziegen und Schweinen am Bcckenschluß jeder Hälfte, ausgedrückt hat. 8 3. Die zu dieser Abstempelung zu verwendenden Stempel smd folgende: 1) Für auf dem Schlachthofe geschlachtete Thiere. deren Fleisch bankwürdig ist, ein runder Stempel mit dem Stavtwappcn und der Inschrift: Städtischer Schlacht , b°s. Leipzig. 2) Für minderwerthigeS und deshalb der Freibank über wieseneS Fleisch ei» ovaler Stempel mit dem Stadt Wappen und der Inschrift: Freibank. Leipzig. 3) Für von außerhalb eingesührten frischen Fleische» ein eckiger Stempel mit dem Stadtwappen und der Inschrist: Bcschauamt, Leipzig. 8 4. Die Stewpelabdrlicke sind an jeder Körprrhälst« an nach derzeichnele» Körperstcllen anzubringen: 1) bei Rindern: L. hinter- Borarmfläche, d. oberhalb und hinter der Schulter, o. aus dem Rücken in der Niercngegend, ck. innere Fläche am Hinterschrnkrl. 2) bei Kälbern: n. in der Nähe de» SchauselknorpelS, d. auf dem Nicrensette. c. in der Gegend deS inner« Darmbcinwinkrl». S) bei Schasvieb und Ziegen; a. auf de» Nackenmusketn, d. aus dem Rücke», o auf der inner» Fläche deS Hinterschenkels. . 4) bei Schweinen: n. innere Vorarmfläche, d. innere Hinterscheiikclflächr, o. auf dem Rücken. Außer diesen 3 mit den allgemeinen Scklacht- hofsstenipelabdriicken zu versehende» Stellen wird in der Brusthöhle ä zwischen den ersten beiden und o. zwischen den letzten beide» Nippen je ein schmaler Stempel „Schlacbtbos" abgrdrückt. 8) Bei Pferden erfolgt die Abstempelung durch den Sanitälslhierarzt vermittelst eines qnerovalen, ebenfalls mit dem Stavtwappcn und der Inschrift: Städtisches PscrbeschlachthauS, Leipzig, versehenen Stempel in der bei Rindern vorgeschricbcnen Weise. 8 5. Diejenigen Schlachtenden oder Fleischeinbringer, welche mehr als die vorgeschriebene Anzahl von Steinpelabdrücken auf ihre Thiere oder Tbeite derselben haben wollen, haben dies bei der Abstempelung den Hallenausschern bcz. Probe nehmern anzuzeigen und' denselben die Stellen näher zu bezeichnen. Leipzig, den 2. Juli 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Gcorgi. Hengst. Bekanntmachung. Nach 8- 10 der Ordnung für den städtischen Bieh- und Schlachthof hat jeder Verkäufer von Vieh, wie jeder Schtacht- bereckligte ein Aeicheu sür immer aiizunchmen und bei der Direktion anzumelden, durch welches die ihm gehörigen Schlachltbiere kenntlich gemacht werden rc. Die schriftliche Anmeldung dieser Zeichen kann von jetzt ab bei der Direction deS Vieh- und Schlachthofe» erfolgen. Leipzig, am 3. Juli 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hengst. Maimlimchiiiig. Nack 8 38 der Ordnung sür ocn städtischen Vieh- »nd Echlackthos. »ach welchem ArbcitSHUfe jeglicher Art aus dem Schlachthofe uur durch solche Personen ge leistet werden darf, welche von ihrem Geschäft-Herrn (vgl. 8 93 der Ordnung) schriftlich und mit eigeuhäu- diger Unterschrift gemeldet worden sin» rc., kann von jetzt ab diese Anmeldung erfolgen und sind die diesbezüg liche» Lcgitimativuskartcn m der Tircelioii de» Vieh- iinv Schlachlhofcs biS zum 1v. Juli Abends tt Uhr in Empfang zu nehme». Leipzig, den 3. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hengst. Grivölke-vermiktlMg. Da» im Erdgeschoß der Georgenhalle (Brühlseite) be findliche Gewölbe Rr. ä, das drille von der Gocthcslraße aus gerechnet, soll vom I August dS. IS. an gegen einhalbjährliche Kündigung Freitag, den Ir». Juli dS. IS., Vormittags II Uhr aus dem Rathbause, 1. Etage, Zimmer Nr. 16, an den Meistbietenden anderweit vermiethet werden. Ebendaselbst aus dem großen Saale liegen die Ver- mietbungs- und VersteigerungSbedingungen, sowie daS In- ventariüm deS zu vermiethenden Gewölbe- schon vor dem Termine zur Einsichtnahme au». Leipzig, den 30. Juni 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 4l72. Vr. Georgi. Kruinbiegel. Nichtamtlicher Theil. Deutschland und Elsaß-Lothringen. Es sind jetzt beinahe achtzehn Jahre her, daß Elsaß- Lothringen von deutschen Truppe» besetzt wurde, und heute ist die betrübende Thalsachc außer Zweifel, daß die Be wohner der Reichslande mit ihren Lnmpalhicn nach wie vor auf Seilen Frankreich» siche». Sogenannte moralische Eroberungen hat Deutschland in Elsaß-Lothringen nickt aus- zuweisen, und deshalb ist e» nölhig, dcn strategischen Nutzen, welchen der Besitz von Elsaß-Lothringen sür Deutschland hat. gegen jede Beeinträchtigung sicher zu stellen. Daß die Hoff nung ernst bestand, Elsaß-Lolhringe» auch moralisch zu er obern, ist bekannt; eS ist nicht» unversucht gelassen worden, um diesen Zweck zu erreiche», aber die Müde war vergeblich, die zweihunvertjährige Verwelschung ehemaliger deutscher Landeskinder hat Früchte getragen, welche durch die Be mühungen von noch nicht zw« Jahrzehnten nicht in ihr Gegentheil verkehrt werden konnten. Ein Artikel der „Nord deutschen Allgemeinen Zeitung", welchen wir unseren Lesern gestern mitgetheilt babeii, sagt ausdrücklich, baß un» daS Liebe-werben der früheren Statthalterschaft darin nicht ge» fördert habe, e» sei dabei die Ausgabe außer Acht gelassen worden, zunächst die au» der frühere,, Zugehörigkeit zu Frankreich überkommenen Beziehungen zu lösen und dem Lande daS Bewußtsein zu geben, daß die Grenze nicht mehr am Rhein, sondern wieder aus den Vogesen geht. Noch dem Tove de» Feldmarschall- v. Mantenfsel wurde die Politik, die Elsaß-Lothringer durch sre»»dli,beS Entgegenkommen und allerlei Gefälligkeiten sür Deutschland zu gewinnen, insofern verändert, als der gesitz iche Stankpunct für maßgebend er klärt wurde; aber daß darum die Hoffnung, die Bewohner der Reichslande auch moralisch zu gewinnen, nicht ansg-gebe» wurde, dafür liefert die Enttäuschung, welche die letzten RrichStag-wahleii in Elsaß-Lothringen brachten, den beste» Beweis. Aber man machte noch schlimmer« Erjahrungen, man mußte sich davon überzeugen, daß scheinbare BereinS- beslrebungen harmloser Art, wie Gesang- und Turnvereine, einen national-französische» Hintergrund hatten, daß die Palriolenliga mit Erfolg Elsaß-Lothringen als Operationsfeld sür ihre deutschseindlichru Bestrebungen gewählt hatte, und daß viele Bewohner der R-ickülande insgeheim dieser Liga alS Mitglieder a,.gehörten. Diese Thalsachc in Verbindung mit der' Ansdeckuna landeSverrätherischer Beziehungen zu», Nachüchteiibnrrai, " S französischen KriegS-Ministeriums führte endlich zu der Gewißheit, daß auch der unter der neuen Statthalterschaft betretene Weg noch nicht der richtige war. sondern, daß als nächste» Ziel die systematische Loslösnng des El'aß mS Au e zu fasten ,'e. Zu den, Ende ist der Paß- zmaug eingejülut werden, und weitere Maßregeln sind i» Aussicht g st lli. ES herrscht volle» Einverständniß zwischen dem Re chc-kanzlcr »nd dem Statthalter von Elsaß-Lothringen darüber, baß der Schutz der deutschen Grenze gegen fran zösische Uebe,fälle die alleinige Richtschnur für die deutsche Politik in Elsaß-Lothringen bilden kann ohne Rücksicht auf die fick sonst daraus ergebende» Folgen. Diese Politik ist das Ergebnis; der Erfahrungen, welche in. Lause der letzten achtzehn Jahre i» Elsaß-Lothringen gemacht worden sind, sie ist also der Neichsrcgicriing auf- genölhigt, und d.ent lediglich zur Verlheibigung der ohne solche Entschiedenheit gefährdeten deutschen Interesten. Die Verantwortung für diese Wendung fällt aus Frankreich, welche« sich bisher „eck nicht zur aufrichtigen Anerkennung des Fraiik'urtcr Friede,'« hat entschließe,, können; die Franzose» halten ihre Blicke unausgesetzt aus da« Loch in den Bogefen gerichtet» und cö in von hohem Inter esse. waS Fürst Bismarck noch am vergangenen Donnerstag nach Schluß der Sitzung deS preußischen Herrenhauses über unsere Beziehungen zu Frankreich gesagt hat. Nachdem er die erfreuliche MiUhcilung gemacht hatte, taß die Differenzen, welche früher zwischen Berlin und Sl. Petersburg schwebten, vollkommen bcigclrgt seien, sprach er den Wunsch auS, daß er die Zuversicht, welche er in Bezug auf die Erhaltung de« Weltfriedens durch Rußland geäußert habe, auch aus Frankreich auSdehne» könne. Allein bei der leichten Erregbarkeit der Bevölkerung Frankreich» sei eS sehr schwer, eine Garantie zu iibernehmu, daß dieser Zustand ein dauernder sein werde. Ter Tropfen, welcher ein volle» Ge fäß überlaufen mache, schwebe i» Frankreich beständig in der Luft und könne zu einem Zeitpunkt und von einer Stelle au» h-rabsallln, wo man dies am Allerwenigsten erwarte und was dann geschehen werde, laste sich schwerlich jetzt vorauS- sagen. Welche Freude hatte eö in Deutschland verursacht, daß Kaiser Wilhelm I. bei seiner letzten Anwesenheit in Elsaß- Lolhringen von der Landbevölkerung in der herzlichsten Weise bewillkommnet wurde und daß nicht der leiseste Miß ten dieses pietätvolle Vcrhältniß der Bewohner der Neicks- landc zum Kaiser störte. Aber leider scheinen daS Loch nur vorübergehende Gefühlsäußerungen gewesen zu sein, die alsbald wieder dcn altgcwobiiten Beziehungen der Elsässer zu Frankreich gewichen sind, sonst wäre nicht eine so durchgre.sende Bcrändrrnng in der NegicrnngSweise in Elsaß-Lothringen nölhig geworden. Nach dem Fall von Straßbnrg und Metz waren die Hoffnungen aus eine baldige nicht bloS äußerliche, sondern auch nationale Wiedervereinigung von Elsaß-Lolbriiigen mit dem deuischcn Mutterland«: scbr hoch gespannt, die nationale Begeisterung übcrbrückte alle die tbatsächlich vorhandene» Schwierigkeiten durch die Kraft ihre» Schwunges. Man konnte in Deutschland kaum dem Gedanken Raum geben, daß deutsche Stämme, welche Sprache und Eigenart zwei Iahihnnderle lang standhasl bewahrt hatten, die von de» Franzosen selbst immer alS Halbsranzvse» und querköpfige Deutsche bespöttelt worden waren, mit solcher Innigkeit au ihren erst spät erworbenen Landsleuten sest- ballen würden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß da» Gefühl der Znsaminengehörigkeit der Elsässer und Deutsch-Lothringer mit Frankreich fest genug ist, um Jahrzehnte zu überdauern, und daß sich die deutsche Treue auch dem Avoptivvaterlande gegenüber bewährt. Es zeigt sich darin die Vergeltung für die Uneinig keit Deutschlands in früheren Zeiten, das Nationalbewußt- sciu war nickt stark genug, u>» den Raub zu verhindern, den Ludwig XIV. an deutschem Bode» begangen hat, und die Ruinen deS Heidelberger Schlöffe- sind noch heute traurige Zeugen der Schmach, welche Deutschland vor zwei Jahrhunderten von Frankreich erdulden mußte. Seitdem habe» sich die Verhältnisse glücklicher Weise sehr wesentlich zu Gunsten Deutschlands verändert, aber der Umschwung ist neck zu neu, als daß er von den deutschen Bewohnern des Elsaß und Lothringens schon heule als ein endgiltiger be trachtet würde. Wir lebe» in einer Zeit de» UcbergangeS, in welcher das Neue sich noch nicht hinreichend eingelebt hat und da» Alte noch nicht vollständig überwunden ist. Gegen solche nationalen Anwandlungen und Hoffnungen, wie sie in Elsaß-Lothringen bestehe», ist die Belhriligung der Kraft und Festigkeit unserer seil 1871 bestehenden Einrichtungc» die beste und wirksamste Waffe. Nachgiebigkeit wird alS Schwäche, Entgegenkommen als Ausdruck von Furcht und Besorgniß wegen Gestaltung der Zukunft gedeutet. Wenn die Deutschen in Elsaß und Lothringen aus ihre Wiedervereinigung mit dem deutschen Reiche keine» Werth legen, so wissen wir die stra tegische Positiv,vie wir durch den Besitz von Straßburg und Metz gewonnen l-alcii, um so bester zu würdigen. Zur Liebe kann Deutschland Elsaß-Lolhringen nicht zwinge», doch schenkt eS ihm die Freiheit, zu Frankreich zurückzukehren, nicht. * Leipzig 4. Juli 1888. * Ter „StaatSanzcigcr" veröffentlicht die Ernennung des bisherigen provisorischen Leiters deü preußischen Ministe riums deS Innern, Unterstaatssecretair Herrfurth, zum Minister de» Innern. Man hatte allgemein erwartet, daS Provisorium werde noch eine längere Dauer annebmen. Minister Hcrrsurth ist kein eigentlicher Parteimann, er ist im politischen Leben überhaupt bisher wenig hervorgetreten. — Die officiöken „Berliner Politischen Nachrichten" bemerken zur Sache: „Zum Slaatsminister und Minister de» Innern ist der bisherige Uiiterstaatssecretair in diesem Restort Herrsurth ernannt worden. Anknüpscnd an diese Ernennung werden jedenfalls in Bälde sehr wichtige und bedeutungsvolle Per- sonalvcränderungen in der Verwaltung erfolgen, namentlich werden Neubesetzungen von O o erP räs i d ent«n- stellen erwartet." * Der Reichskanzler Fürst Bi-marck dürfte, wie schon erwähnt, in den nächsten Tagen Berlin verlassen und sich zum längeren Aufenthalt nach FriedrichSruh begeben. Der Ches der Reichskanzlei, I)r. v. Rottenburg, wird dcn Fürsten Bismarck begleiten und wohl einige Zeit i» Friedrichs- ruh verbleiben. * Die „Natlonalliberale Corresvondenz" schreibt zu den preußischen Landtagswahlen: Die preußischen LandtagSwablen werden nicht vor Ende Oktober oder Anfang November stattfinden. ES ist also noch vier Monate Zeit biS dahin, und man wird erwarten dürfen, daß nach dcn großen Aufregungen der verflossenen Monate ia uaserer iuueren Politik eine gewisse Ruhevause eiutritt und lu-brloadere von einer tiefgehenden Wahlbeweguug vorerst noch nicht» zu merken sein wird. Nach den Anstrengungen de- Winter- und Frühling- werden die meisten da- politische Leben teilenden Männer in dm nächsten Monaten in Bädern und Sommerfrischen Erholung suchen; vor A»> sang September werden die Parteileitungen schwerlich in der Loge s-in, anregend und führend in die Wahlbcwegnng einzugreifen, end- giliiac Beschlüsse über die Parteüaklik zu sasscu, Wahlaufrufe zu erlassen u. dergl. Inzwischen aber ist es dringend wünschens- werth und nothwcndig, daß die Parteiorganisation im kleineren Umsang, in den Provinzen und einzelnen Wahlkreisen, aus ihre Tüchtigkeit geprüft, Mängel und Lücken adgestellt werden. Solche Organisationen müssen von langer Hand vorbereitet werden, wen» sie im entscheidenden Augenblick tüchtig sungiren sollen. Die uationalliberale Parteileitung hat es stei» sür angemessen gehalten, deo Schwerpancl der Partei- und Wahllhätigkeit nicht in die Lentralorgane, säubern in die provinziellen und örtlichen Vereinigungen zu legen und sich jedes Versuchs uiiiiölhigen Eillgrciscns in die Selbstständigkeit dieser landschasktichrn Gliederungen z» enthalten. Auch jetzt wird diesen letzteren die Hauptthätigkeit bei den Wahle» zufallen. Im Allgemeinen befindet sich diese landschaftliche und örtliche Parteiorganisation in gutenr Stand; cS ist in dcn letzten Jahren ia dieser Hinsicht viel geschehen und cs herrscht ein reges politische» Interesse. Größere provinzielle Parieibejprcchungcn sind sür die nächsten Wochen bereits an ver schiedenen Orten in Aussicht geuonimen. Wo aber noch Mängel vor- Händen sei» sollten, seien die Parteigenossen dringend ousgefordert, bald und energisch Hand anzulegen und alle vorbereitenden ver- anstalrungeu zu treffen. Dies nnrd uamenllich auch sür die östliche» Provinzen gelten. Die bevorstehenden Wahlen mit ihrer fünfjährigen Gütigkeit sind sür unser ganze« inncrpolitischeS Leben von ungewöhnlich eulscheidcnder Bedeutung. * Unter der Ueberschrist: „Die Socialdemokratie und der Thronwechsel" bnngt der .Hamburgische Eorrespon- dent" folgende Correspondenz aus London: „Der Ligarrenmacher Heinrich Rackow beabsichtigt sein hler in der Lharlolte Street 3ö gelegenes Ciqarrengejchüft z» verkaufen, und zwar in Folge der mit dem kürzlich hier gewesenen Abgeord neten Paul Singer gepflogenen Unterhandlungen. Rackow soll uack Zürich übersiedcln und die Redaktion de- „Socialdemokror", sowie die Führung der Partei daselbst übernehmen. Er hat zu- gesagt sür den Fall, daß er sein hiesige? Geschält verkaufen kann. Aus Aeiißcrunge» de» socialdemokralüchen Correspondenten einer Ber liner Zeitung, GillcS, ist zu entnehmen, daß man trotz de» ein- getretenen RegieruugSwcchiels aus eine baldige Rückkehr der aus- gewieskneu Soctalisten nach Deutschland rechnet. Für diesen Fall sollen Rackow und GilleS sür den Deutschen Reichstag candidiren. Die Londoner „Freie Presse" bringt in ihrer Nummer 2b einen Artikel: „Der jüngste Sccnenwcchscl". Man wollte An fangs auf Anrathen Smger's dcn Thronwechsel mit Still schweigen übergeben, um die deutsche Regierung über die wahren Gesinnungen der Sociaidemvkratle nicht auszuklären; als aber Singer London verlasse» hatte, konnte mau e« sich nicht versagen, dem neue» Kaiser sowie dem Fürsten BiSmarck doch noch eins zu verletzen. Singer, der wieder erhebliche Mittel brachte, wird zwar über die Nichtbeachtung seines diplomaiischen NathS entrüstet sein, so daß cS vielleicht zwilchen den „Londoner»" und ihm zum Bruch kommt. Dock daraus macht man sich hier nicht», man wirft ihm hier ohne- hin schon Speichelleckerei vor. Wenn Herr Singer „Speichellecker" genannt wird, jo kann mau daraus einen Schluß aus da» Kaliber des Herrn GilleS mache», welcher zur Zeit in der Londoner „Frei- beit" die Hauptstelle einnimmt. Der obenerwähnte, aus seiner Feder herrührende Artikel über den Thronwechsel ist nicht bloS verbrecherisch, er »st unfläthig und müßte auch bei Leuten, welche zu den Gegnern deS deutsche» RegieruugSsystem- gehören, Abscheu und Ekel erregen." * Au» Gravelott« wird über eine französische Grenzverletzung Folgendes berichtet: „Am 15. Iuni d. I., Nachmittag» zwischen 4 und K Ubr, kamen zwei französische Ossicierc der Pariser Garnison bei VillerS-aux-boi- über die deutsche Grenze und haben in der Nähe auf dem Felde da selbst befindliche Bewohner von Rczonville: 1. Joseph Rollet. 2. Karl Neweu, 3. Augustine Drvllet und 4. die Ehefrau Perrin Herbeigerusen und dieselben nach den Namen der um liegenden Ortschaften, sowie nach den hiesigen Verhältnissen befragt. Diese wollen anbeblick keine Auskunft hierüber gegeben haben; dann sagten die Officiere zu dcn Vorgenannten: „Ihr werdet feit 187l sehr von der deutschen Regierung ge drückt, waS aber nicht lange mehr dauern wirb, denn wir kommen bald, um Elsaß-Lothringen zurückzuerobern." . * . * Dcn „Hamburger Nachrichten" wird auS Kopenhagen gemeldet: Der Reise des Prinzen Heinrich an die nor dischen Höse wird ein osficicller Charakter beigclegt. * Um die Mitte dieses Monats findet in Kopenhagen ein Congreß der dänischen Socialdemokraten statt. Bei dem ersten Zusammenhang der dänischen und deutschen Socialdemokratcn ist wohl anzunehmen, daß auch deutsche Socialisten alö Gäste bei den Verhandlungen erscheinen werden. Nach dem HochverrathSprcceste, der im Beginn der siebziger Jahre gegen die Führer der socialistischen Bewegung m Dänemark angestrengt wurde und der mit der Ver- urthcilinig derselben zu mehrjähriger Zuchthausstrafe und der Schließung deö Vereins endete, schien dem SocialiSmuS in Dänemark der Boden entzogen zu sein. Aber am Ende der siebziger Jahre begann die Agitation sich ausS Neue zu regen. Bon den beiden Strömungen, die sich alsbald bemcrkbc» machten, hat die gemäßigtere, im Sinne der deutschen Social- demokratic sich bewegende, bisher die Oberhand behalten; ibi Anwachsen ist allerdings sehr bemerkenSwerth. Das Haupl- organ der Partei zählt mehr al» 20 000 Abonnenten. * Zur Lage in Rumänien meidet die „Allgemeine Zeitung" aus Bukarest, 28. ^duni: Durste man auch der Existenz jener Allianz der verschiedensten Elemente, welche den Sturz der Regierung Ivan Bratiano's oder, richtiger gesagt, die Beseitigung der vielfach corrumvirten netional - liberalen Partecherrschast herbcigesührt batte, und welche Dank dem wohlwollenden Verhallen der gegenwärtigen Regierung bei den in letzter Zeit stattqehabtcn Gemeindewahlen so viele und glänzende Siege »riocht, keinen langen Bestand beimeffen, so hat doch die anläßlich der gestrige» Bukarrster Bürgcrmeisterwahl zn Tage getretene Spaltung innerhalb dieser Allianz rinigermaßen überrascht. Denn war e- auch bekannt, daß di« Candidotur de- Präsidenten der interimistischen Lommunalverwaltnng, de» Advokaten
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