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Das Schiff
- Bandzählung
- 1927
- Erscheinungsdatum
- 1927
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-24.1927
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-192700006
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19270000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19270000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 1, Januar
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
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WALTER SCHEFFLER / EIN GEHÖRLOSER ARBEITERDICHTER Ertaubte oder gar taub geborene Menfchen mit »poetifcher Ader« hat es mehrere gegeben. Aber keiner war eine künftlerifche Individualität. Sofern ihr Gefchaffenes nicht rein inhaltlich nachempfunden war, fo war zum mindeften die Form, der fprachliche Ausdruck, etwas mühfam An gelerntes. Die Gedichte jener Unglücklichen wirken ähnlich auf uns wie das »Bündel fchlechter Verfe« des Alten Fritzen, der zwar Franzölifch als felbftgewählte Mutter- fprache fprach, aber nie in Frankreich felbll gewefen ift, und deffen franzöfifche Reimereien in ihrer Hölzernheit für uns meift ungenießbar find. Der erfle Dichter, dem man feine Gehörlofigkeit — formal — durchaus nicht anmerkt (obwohl man fie — aus dem Inhalt — leife herausfühlen kann), ift Walter Scheffler. Man merkt fie ihm nicht an: denn feiten, daß er fich, unferem Sprachempfinden nach, einmal im Klang eines Verfes vergreift, weil er es eben anders hört. Und man merkt fie ihm doch an: denn wer heute noch Gedichte lieft, und wer fie aufmerkfam lieft, wird bald inne, daß alle akuftifchen Aus- und Eindrücke bei ihm fehlen, und daß die Impreffionen der anderen Sinnesorgane dafür eine um fo größere Rolle fpielen: Ein Sonnenuntergang, das Streicheln einer lieben Hand, der »Salzgeruch vom Meere«, alles das packt einen gehörlofen Menfchen viel tiefer als einen, bei dem jeder ftille, fchöne Eindruck durch Lärm oder nichtsfagende Worte verfchluckt wird. Gerade weil Scheffler nur vier Sinne beifammen hat, muß er fich darauf konzentrieren, mit ihnen foviel wie möglich von der Umwelt wahrzunehmen, muß er fich möglich!! paffiv verhalten, um jeden Eindruck ganz auf fich wirken zu lallen, muß er Impreffionift fein. Sein Leid ekstatifch in die Welt hinauszufchreien, dazu fehlt ihm der Anftoß von außen. Das Millionengefchrei der anderen nach Brot, nach Frieden, nach Schönheit kann er feit drei Jahrzehnten nicht mehr vernehmen. Für ihn find alle Menfchen füll und zurückhaltend, darum ift er es auch. Im perfönlichen Leben und in der Dichtung. Sein Gehör verlor er im fechzehnten Lebensjahr, infolge einer fchweren Erkältung mit wochenlangem hohen Fieber. In der erften Zeit feiner Taubheit fchien es fo, als ob auch das andere wichtige Verftändigungsmittel: die Sprache, ihm verlorengehen würde; fie drohte völlig zu verwildern. Durch Taubftummenunterricht wurde diefe Gefahr be- feitigt. Erft nach feiner Ertaubung begann es in ihm zu dichten. Er wurde Arbeiterdichter. Ein dichtender Buch- bindergefelle und ein Poet, der feine Gedichtbände nicht nur felbft verlegte, fondern auch felbft einband und die originellen Bücher — fie waren lithographifch vervielfältigt durch einen begabten jungen Verwandten — dann für den minimalen Inflationspreis von 25 Goldpfennig an feine Leferfchaft abgab. So ift er, diefer weltfremde, liebe Menfch. Nachdem er es ein paar Jahre fo getrieben und auf diefe Weife fich eine ftändig wachfende Kennergemeinde ge- fchaffen und feine Gefundheit durch Berufsarbeit, Dichten, geiftige Weiterbildung, Einbinden und Verlegen feiner Werke ruiniert hat, find feine Gedichte in einer Auswahl bei Karl Palm, Dresden, unter dem Titel >Helle Wege? erfchienen. Unter den heute lebenden Arbeiterdichtern ift Scheffler mit feinen 45 Jahren einer der älteften. Daß er nicht auch einer der populärften ift, daran find nicht feine Verfe,daran ift im Grunde nur feine Gehörlofigkeit fchuld. Wir geben nachftehend einige Proben feines Schaffens. Ernft Ewald (Königsberg i. Pr.) MAIABEND Willkommne Gnade weicher Dämmerflunden, wenn über Dächern flill das Blau verblüht, ein fernes Turmkreuz noch im Spül licht glüht, verklungne Straßen träumen leer und müd — als hätte alles felig heimgefunden . . . Als wollt auf immer Tag in Traum zerfließen. - Geheimnisvolle Hände weben facht aus Schmerz und Luft ein ruhig Nachtgenießen, und dich durchklingt's wie einer Seele Grüßen, die einft in Liebe treu um dich gewacht. DER PFAD Ob ich den Pfad noch finde, den ich fo lang nicht trat — am Raine rankt die Winde, und flimmernd wogt die Saat. Die Augen träumend fenken, und mit gekehrtem Sinn flillfchreitend dein gedenken — mir ift, fo käm ich hin. STILL AM STRANDE Weither wallend kommt’s gezogen, filbern fchäumt es auf den Strand, weiche rätfelhafte Bogen [chreibt es lallend in den Sand. Immer wieder aufgezogen dann vom nimmerfatten Sand — immer wieder neue Wogen webt die un/ichtbare Hand. BEGEGNET Mir klingt ein Lied fo bang im Ohr und drückt mein Herz wie harter Ring : wir trafen beide uns am Tor, der eine kam, der andre ging. Wir durften kaum beifammen ftehn, ein Winken nur, ein Wort im Scherz — dann ließ ich dich vorübergehn, wie dich auch halten moclit mein Herz. Ich taufchte doch fo gern mit dir der tiefen Blicke fiißes Wort. Doch unerbittlich fiel die Tür - der eine hier, der andre dort.
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