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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930308029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893030802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893030802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-08
- Monat1893-03
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Bezugs-PreiS kl der Hauptexpkdition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- en.'chellen abgeholt: vierteljährlich.^!4,üd. de: zweimaliger täglicher Zustellung in- Haut ü.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oenerreich: vierteliädrlich > 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandjendung tut Ausland: monatlich S.—. Die Morgen-AuSgube erscheint täglich Uhr, di« Abend-Aurgabe Wochentag- 5 Uhr. Lrdarlioi, und Erpeditiou: Jahanne-Daffr 8. Die lkrvedition ist Wochentag? uniinterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt« »le«m'« Eortim. (Atfrrd Hahn), UniversitütSslrabe 1, LoniS Lösche, patharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. 122. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesWte, Handels- und Geschäftsverkehr. Mittwoch den 8. März 1893. Nnzeigen-Preis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Nednetion-strich l4ge- sraltcnj 50^j. vor den Aainiliennachrichtea (6 gespalten) 40 iZ. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichntß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Extra veilagcn (gesalzt), »ar mit de« Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderuag 60—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmkschluk für Anzeigen: Bdend-Au-gab«: Vormittag- 10 Uhr. Marge n-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtags sriih '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahinestellea >« «iu« halbe Stunde srüher. Anzrigen sind stets an die Expeditt«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 87. ZahMNg. Amtliche Bekanntmachungen. Angesichts deö trägen Gange- der Eommissio»Srerbanb- lungen über die Militairvvrlagc hört man, wie heule die „Nat.-Lib. Corr." milllieilt, in parlauientarischen Kreisen jetzt vielfach die Ansicht aussprechen, Laß die Entscheidung über den Sommer und Herbst, über die bayerischen und die preußischen Landtag-Wahlen hinaus werde vertagt und sonach erst die nächste Wintersaison mit dieser heikle» Aufgabe werde befaßt werden. Unser Berliner 8K-Eorre- spondent ist jedoch anderer Meinung. Nach seiner Mitlheilung beginnt man nicht nur im Lande, sondern auch innerhalb der > Fraclione» desReichstags selbst ungeduldig zuwerden unk drängt auf eine baldige Entscheidung. „Man ist der Meinung", heißt eS in dem gestern Abend geschriebenen Briese diese- Gewährsmannes, „nachgerade seien in der Commission der Fragen genug gestellt und beantwortet worden und cS sei an der Zeit, daß die vom Plenum Beauftragten endlich selbst Antwort geben auf die an sie gerichteten Fragen. Centruin, Freisinnige und Socialdcmokraten haben die Mehrheit, aber die Ultramontancn und Freisinnigen lehnen täglich in der Presse und in der Commission die Verantwortung für die so lange verzögerte Entscheidung ab. Länger aber lassen sich die VcrschleppungS- vcrsuchc nicht durchführen. Herr Lieber hat vor wenigen Tagen mit Emphase erklärt, da- Cenlrum beabsichtige die Mililairvorlage rein sachlich, ohne jeden Seitenblick auf den Culturkampf zu behandeln, jede- „Handelsgeschäft" liege ihm fern. Aber Graf Ballestrem verlangte beule, daß der Jesuitenanlraa „jedenfalls noch vor Ostern" zur Er ledigung komme. Warum wohl? Sollte doch ein „Handels geschäft" beabsichtigt sein? Wir glauben indeß, daß Graf Ballcstrem sich diesmal irren wird, den» cö bereitet sich nicht nur eine Entscheidung über die Mililairvorlage, sondern auch — über die freisinnige Partei vor und auch über die C e n t r u in S p a r t e i. Das sachverständige Urtbeil des früheren Majors und jetzigen freisinnigen Abgeordneten Hinze kommt zu anderen Ergebnissen als der Führer dieser Partei, als Herr Eugen Richter, und nach dem dies bereits am Sonnabend iu der Sitzung der Militaircommission zu Tage getreten, ist in der heute fort gesetzten Erörterung bei der DiScussion der Frage der BataillonSstärke die Meinungsverschiedenheit von beiden Seiten noch stärker betont worden. Herr Richter verlangt, daß Herr Hinze die persönliche Sachkenntniß der „Partci- tactik" unterordne. In parlamentarischen Kreisen verlautet aber auch, daß der Abg. Hinze nicht allein stehe, daß er bereits einige Anhänger unter seinen FractionSgenossen besitze und daß sogar der Abg. Rickert nicht völlig mit dem Abg. Richter übereinstimmc. BergebenS droht der Letztere, dag, wer über die Bewilligung der gegenwärtig geltenden Präsenz ziffer binauSgehe, sich damit „aus der freisinnigen Partei ausscheidr". Auch einzelnesrcisinnigeZeitungcn schwanken bereits. Eine FractionSsitzung ist anbcrauml, um die Einigkeit wieder herzustcllen, doch wenn dies auch zunächst gelingt, so erscheint cS doch fraglich, ob diese Einigkeit sich auch bei der Sckiluß- abstimmung im Plenum bewährt. Nicht ganz so kritisch ist die Lage des CentrumS, immerhin kann es als beinahe sicher bingeftellt werden, daß auch in dieser Partei nichts weniger als Uebcrciustiiiiniuna herrscht. Wenn die ultra- montanen Herren auch nicht öffentlich gegen einander sprechen, so wird sich bei der Abstimmung ergeben, daß rin Tbcil fehlt, ein anderer mit der Regierung geht. Und so läßt sich den» im Ganzen die Lage zur Zeit dahin charakterisiren, daß die Aussichten der Regierung heute wcsenilich besser sind als bei Beginn der CommisjionSbrratbung, daß dir Aus sichten für die Vorlage sich bedeutend günstiger gestaltet haben und daß bei einiger Geschicklichkeit, bei einigem Entgegen kommen Graf Caprivi das Militairgesetz nach Ostern vom Reichstage genehmigt erhält." Nach den heule von den verschiedensten Seiten vorliegenden Meldungen ist nicht mehr daran zu zweifeln, dag das deutsche Kaiserpaar aus Anlaß der am 22. April statt findenden silbernen Hochzeit des italienischen Königs paare- und zur Theilnahme an den betreffenden Festlichkeilen sich nach Rom begeben wird. Die Meldung hiervon brachte zuerst in beglaubiglcr Form die „Agenzia Slesani", welche zugleich der Meinung Ausdruck gab, daß die Ankündigung von dem bevorstehenden Eintreffen des deutschen Kaisers in Italien von der ösfenliichen Meinung mit freudiger Genugthuuna ausgenommen werden würde, eine Meinung, die von den Organen der Rechten, so von der „Opinione", vollkommen getheilt wird. Der „Popolo Romano" schreibt, die Reise des Kaisers Wilhelm er halle durch den Umstand, daß die Initiative zu diesem HöflichkeitSact direct vom Kaiser auSgina, eine noch höhere Bedeutung. DaS Armceblatt „Esercilo ilaliana" erklärt, die Nachricht vom Besuch des deutschen Kaisers erwecke auch in der Armee Gefühle gerechter Freude über ein Ereigniß, welches bestimmt sei, die aufrichtige gegen seitige Zuneigung der beiden Dynastien, wie daS Bündnis; der beiten Völker immer mehr zu festigen. Die „Italic" sagt, die Reise sei ein neues Zeugniß für die Sympathie unk die herzliche Zuneigung deS HanscS Hohcnzollern für das italienische Königspaar. Auf daS Offenkundigste werde dadurch erwiesen, daß in den Beziehungen zwischen Deutschland und Italien sich nichts geändert habe. Inzwischen werden bereirsVor- bcrcitnngcn zum würdigen Empfang des deutschen Kaiserpaares getroffen. So hat der italienische Unterricht-minister an- geordnet, daß in Anwesenheit der hohen Gäste eine große Ausgrabung auf dem Palatin vorgenommcn wird. Alle ikalienschc» Städte sind zur Bcibeiligung an dem historische» Festzugc, welcher ebenfalls zu Ehren de- deutsche» Kaisers veranstaltet wird, ringeladen. — Sehr unangenehme Em pfindungen haben begreiflicherweise alle diese Meldungen in Paris hervorgerufen: aber auch im Vatikan scheint man von dem Besuche nicht sehr erbaut zu sei» Allerdings liegt die Annahme nicht allzufern, daß der Besuch wenigstens nebenbei den Zweck verfolgt, im Ouirinal jede Besorgniß vor einer allzu großen Intimität zwischen Berlin und dein Vatican zu verscheuchen. AuS Prag wird wieder eine neue czechische Gewalt- tbat gegen daS Dcutschtbum gemeldet. Zu Beginn deS vorigen wahres war zuerst die Nachricht anfgetaucht, daß der Prager Stadtrath dem jungczechischen Andrängen nach- ae.'—en kabe und in Prag Straßcntafeln mit aus schließlich czechischer Inschrift anbringen wolle. Im Namen deS deutschen Vereins richtete damals l>r. S chm eyka l eine Eingabe an den Statthalter, in welchem gegen dieses Vorgehen de- bekanntlich fast nur aus Czcchen zusammen gesetzten Prager Stadtratheö protestier wurde. O>. Schmeykal erhielt auf seine Eingabe einen Bescheid, welcher dahin lautete, daß die Statthalters nicht in der Lage sei, über daS gestellte Begehren in eine Amtshandlung einzugebcn, weil ein hierauf bezüglicher Beschluß der Prager Gemeinde- Vertretung in der Eingabe nicht namha t gemacht worden und tbatsachlich auch nicht gefaßt worden sei. Seitdem, und zwar bei der Budgct-Beratbung am 2l. December v. IrS., hat auf die Interpellation eines jungczechischen Stadtverord neten Bürgermeister Vr. Scholz erklärt, daß die alten Straßentafeln, welche zweisprachig sind, gegen neue mit bloS czechijcher Inschrift auSgelauscht werden. Dieser Tage ist nun hiermit der Anfang gemacht worben, indem in der Convictgasse eine neue Tafel angebracht wurde, welche blo« eme czechische Inschrift, und zwar mit weißen Lettern in rothem Felde, enthält. Vr. Schmeykal hat in Folge dessen neuerlich eine Eingabe an die Stattbaltcrci gerichtet, in welcher unter Hinweis auf die seinerzeikige Erledigung der gleichen Angelegenheit in Krain betont wird, daß Prag die Hauptstadt deS Landes und cS deshalb un statthaft ist, hier blvS cinsprachige Tafeln anzuhringen. In der Eingabe beißt eö unter Andern:: „Wo eS sich um öffentliche Rechte, daS Schulwesen, den Partcien- verkehr mit den Organen deS städtische» ExccuIivdienslcS handelt, wird die deutsche Sprache ignorirt. Dort aber, wo In Gemäßheit deS 8- 1 der Vorschriften für die Ausführung von Anlagen zur Benutzung der städt. Wasierwerke vom k. Februar 1888 machen wir hierdurch bekannt, daß der Klempner Herr Ernst Eiiacthardt, Kochstraßc Nr. 3, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 6. März 1893. Politische Tagesschaa. * Leipzig, 8. März. Die Marine hat in diesem Jahre vorzugsweise die KoNen der schlechten Finanzlage zu tragen. Die Budget- commisfion des Reichstags bat die meisten der vorgcschlagenen Neubauten abgelebnl: cm Panzerschiff, zwei Panzerfahrzeuge, eine Kreuzercorvette, einen Kreuzer und einen Aviso ; bewilligt wurden nur ein Kreuzer, ein Avisv, ein Tvrpedo-DivisionS- teet und acht Torpedoboote; das Plenum wird ohne Zweifel diese Vorschläge gutheißcn. Es ist auch nicht zu ver leimen, daß allein in diesem Etat erhebliche Ersparungen gemacht werden konnten. Man wird der RcichStagS- mebrheit darum gewiß nicht dxn Vorwurf feindseliger eder gleichgiltiger Gesinnung gegen die Entwickelung unserer Marine machen dürfen. Aber zu den allgemeinen Gesichtspunkten der unerläßlichen Ersparnis; und Beschränkung in einem Zeilpnnct, wo an unser Heerwesen so große neue Ansprüche gestellt werden, kommt die Erwägung hinzu, daß früher bewilligte Eredite noch gar nicht haben anfgcbrauckt werden können, daß die Technik der Schiffsbaukunst sich gegenwärtig in beständigen Fortschritten und Neuerungen befindet und daß der gegenwärtige Zeitpunct daber sehr ungeeignet zu einer umfangreichen Erneuerung unserer Kriegs flotte ist. Immerhin sind auch jetzt wieder bedeutende reue Aufwendungen für diesen Zweck bewilligt worden und von einer Vernachlässigung unserer Flotte wird nicht die Rede sein können, wenn wir auch genötbigt sind, uns nach unserer Leistlnizssähigkeit ciiizurichten. Der Reichstag bat sogar gesier» eine von der Budgetcommission gestrichene Forderung für Verstärkung der Matroscn-Artillerie wiederbcrgestelli. Einen Wettbewerb mit scemächtigeren Nationen lind namentlich mit vereinigten Flotten etwaiger feindlicher Mächte vermögen wir allerdings nicht aufzunehmen. DaS Interessanteste an der gestrigen Sitzung deS Reichs tags war die Geschäftsordnungs-Debatte am Schluß. ES ist bekanntlich in Aussicht gestellt worden, daß der Antrag des CentrumS auf Aufhebung deS IesuilengesctzeS beute über acht Tage zur Verhandlung temmen würde. Ob dies, auch wenn heute „Schwerinstag" wäre, möglich sein würde, ist zweifelhaft, da verschiedene wichtige Anträge aus dem Hause die Priorität vor dem Iesuiten- antrag haben. Es ist aber völlig ausgeschlossen, nacktem für heute die Fortsetzung der Etatöberathunq auf die Tagesordnung gesetzt worden ist und somit vor den Oster ferien nur noch ein „Schwerinstag", wenn überhaupt einer, zur Verfügung bleibt. Graf Ballestrem nun halte gebeten, und zwar in sehr elegischem Tone, die heutige Sitzung für Initiativ-Anträge zu verwenden, aber von rechts und links wurde ihm widersprochen, und als er. um seinen Eifer nach außen zu beweisen, trotz augenscheinlicher Bcschlußunsähigkeit des HauscS Abstimmung verlangte, ergab sich, daß nur 137 Mitglieder — vv» 309, deren 199 zur Beschlußfähigkeit erforderlich sind! — anwesend waren. Danack wird der Zesuilen-Antrag vor Osteru nicht auf die Tages ordnung kommen. F-uiUets»«. Avis Geld. Ilj Novelle von A. Heyl. Nachdruck »«boten. (Fortsetzung.) „Unter den billigen, gebrannten Kaffee wirfst Du ein Paar Hände voll Schrotkörner, die crsckweren das Gewicht und schaden nur der Kaffeemühle. Wirf aber die Körner nickt alle auf eine Stelle, sondern vermenge sie ordentlich. Der gemahlene Pfeffer verträgt noch eine Dosis gesiebte Asche eder Kebricktstaub. Dem Backmebl setze etwa« Schwerspat ;», ins Petroleum gieße Wasser und unter den grünen Tbee t-innst Du seingeschuittene« Heu mischen, dort in der Ecke siezt ein Bündel, das beute früh ein vorUberfabrender Bauer ron seinem Wagen verloren hat. Schneide cS aber sehr fein, damit die Leute nicklS merken." „Na, jetzt hör' mir auf mit Deiner Schulmeistern", murrte die also Belehrte. „Man meint fast, ick besorgte daS heute zum ersten Mal. Ich verstehe vom Geschäft so ricl wie Du. Geh' hinüber, iß zu Nacht und lasse mich ge währen." Ehe Knicker dieser Aufforderung Folge leistete, visitirte er zuerst, ob die Lademasse gut verschlossen sei und ob er den Lcklüssel dazu in der Tasche habe; als er dies in der Ord nung fand, ging er knurrend ab. Seine bester« Hälfte schlich idnach und lugte so lange durch die Thürspalte, bis sie sich überzeugt batte, daß er wirklich über den Hos gegangen unv in die Wohnung cingetreten sei, dann kehrte sic zurück, schraubte die Gasflamme niedrig, zog unter den Falten ihre- Kleide« einen Nachschlüssel hervor, öffnete die Caste und lbat einen kühnen Griff. Mitternacht war vorüber, die Familie Knicker lag, den iorgsanien HauSvairr ausgenommen, in tiefstem Schlafe Stine saß aus einem dreibeiniaen Stuhl hinter dem Heerde, ließ da« müdr Haupt auf dem Sack rüden, den sie mit einem Arm «mschlunzen hielt, und schnarcht« laut. Knicker weckte st« mit unsanftem Rütteln. „Steh aus, Alte, eS ist Zeit, wir müssen hinunter." „Spitzbube", lallte sie, die Augen reibend, „will mir meine Sachen stehlen!" „Nein, ick will sie Dir abkaufen", beruhigte er. „Besinne Dick nicht lange, Du bist schlaftrunken, wirst schon unterwegs wach Werren." Den Verdacht, daß sie auch von Branntwein trunken sei, sprach er nickt aus, war aber von der Entdeckung innerlich befriedigt, weil er mit der trunkenen Stine leickter Handcis einig wurde, als mit dem in allen Liste» und Lchlichcu erfahrenen Weibe, wenn eS zurechnungSsäbig und ihm dann in jeder Hinsicht gewachsen war. Langsam erbob sie fick, nabm de» Sack ans die Schulter und folgte ihrem Genosse» unsicheren Schrittes über den Hof durch einen zerfallenen Schuppe», in dem alle Bretter und un brauchbare Kisten ausgestapelt waren, um eine Thüre zu verdecken, die nach dem verrufenen Kellergewölbc fübrle. Uneiiigewcibtcn wäre eS schwer gefallen, fick burchzuwinde», aber die Beiden waren hier scbr bekannt, sie fanden den Weg in der Dunkeibcil, rückle» eine Kiste zur Seite, stiegen über Bretter weg, öffneten daS uralte Schloß mit einem riesigen Schlüssel und zündeten erst eine Laterne an, als sich die Pforte wieder hinter ibne» geschloffen batte. Sic stanken i» einem gewölbten Gang, der auf Säule» rnble, dessen Boden mit Steinplatten belegt und an dessen Seilen- wändcn »och Spuren allerlbiimlich.r Sculptur zu srven waren. Tie Schritte der beide» nächtlichen Wanderer ballten unbeimlick wieder in dem unterirdischen Raume, eS schic», als ob jedes leise gesprochene Wort ein lautes Ecko wack- rufc. Sie beeilten sich, da» Ende des Ganges zu erreichen, um a» dir daselbst befindliche Treppe zu gelangen, auf deren aus getretene», morsche» Staffeln sie mit großer Vorsicht binab- stiegen. So gelangten sie mühsam i» einen weiten Ketlcr- raum, vv» dem aus eine Leiter, die immer bereit stand, in ein zweite- unterirdische- Verließ führte. Der Modergeruch, welcher die oberen Räume erfüllte, war liier weniger be merkbar, denn dieser sorgfältig ausgemauerte Raum hatte an der Decke breite Luftlöcher. Da, wo au» der Höhe ein erfrischender Luftzug herabwehte, standen Kisten und Koffer mit starken Eisenbeschlägen längs der Wand, und Stine, die hier wohlbekannt war, sah sich den zunächststchcndcii Kaste» zum Ruhesitz auS. nachdem sie ihren Sack von der Schulter genommen und vor sich hingesteill hatte. Sie begann nun denselben auSzukramen, während Knicker die Laterne an einen in der Wand befestigte» Haken hangle und noch einen WackS- stock anzünbetr, um die zum Kaufe angcbvtenen Gegenstände einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Stine zog nach einander allerhand kunterbunte» Kram auS dem Sacke hervor und breitete ihn auf den Kisten an«. Ta kamen Fraucn- unv Kinderkleider, Stiefel, HauShaltungSgegensländc, Leib-, Bett- und Tischwäsche und Anderes nacheinander zum Vor schein. Knicker rümpfte die Nase und würdigte die Sacken kaum eines Blickes. „Der ganze Plunder, wie er da liegt, ist keine zekn Mark wertb, wenn Du nickt- Besseres hast —" „Nur Geduld", herrschte sie ihn an, „seit wan» hast Du da« Warten verlernt? Du weißt dock, da« wertblose Zeug muß obenauf liegen, eS könnte Einem von der Polizei ein- sallen, seine Nase in den Sack zu stecken — man muß auf Alle« gefaßt sein. DaS Beste kommt zuletzt." Mur vorwärts ohne lange Redensarten", drängte er. Sie zog ein alteS Tuch hervor, rollte e« auseinander und zeigte dem gierigen Beschauer zuerst eine hübsch« Sammlung silberner Lössel von verschiedener Form und Größe, fast jeder mit einem andern Buchstaben gravirt. Dann folgten Bestecke, wcrthvolle Leuchter, Ringe mit blitzenden Steine», eine goldene Uhr mit ebensolcher Kette und ein prachtvolles, mit Juwelen besetzte« Armband. Di« langen GeierSkralle» bei scbr ebrenwertben Herrn Knicker streckten sich beutegierig nach de» Kostbarkeiten au-, deren Werth er im Stille» ans einige tausend Mark schätzte. Gern hätte er eines oder da- andere der blitzende» Ringlein unbemerkt verschwinde» lassen, aber Stine bewachte ivren Schatz mit ArguSaiige», sie ließ ihrem Geschäftsfreund nie zwei Gegenstände zugleich erfassen, er mußte ihr den zuletzt envmnitncn richtig einhändigen, ehr er einen andern de- chtigen durfte. Knicker bemerkte mit Verdruß, daß die Lumxensammlerin viel nüchterner war, als er gehofft Halle. Kundgebungen der Wobilhätigkeit und das Interesse der auf Erwerb gerichtete» städtischen Untcrnedmungen, wie die Sparcasse. die Gasanstalt und die Versicherungsanstalt in Betracht komme», da weiß man die tonale deutsche Bevölke rung zu suchen und findet sie einer ganz anderen, aus die Erzielung einer günstigen Stimmung berechneten Behanblungs- weise wertb." Die Eingabe schließt mit der Bitte, die Statt- balterci möge gegen das gesetzwidrige Vorgehen der Prager Stadtverwaltung in der beschlossenen, bezw. durchgeführien An bringung von ausschließlich czechische» Gassenlasein dem Gesetz gemäß ibreS Amtes walten. — Wir erinnern uns bei dieser Gelegeul,eit daran, daß wir vor einigen Iabrcn, als uns eine Reise nach ver böhmischen Hauptstadt führte, davon Kenntnis; erhielten, daß in der Stadt Prag nur ein Adreß buch ui ausschließlich czechischer Srache cxistirt. Diese« Adreßbuch ist ein stadträtblicheS Unternehmen, und bei dem damaligen letzten Neudruck war auf Veranlassung deS Prager Sladiratbcs der früher vorhanden gewesene deutsche Text entserut worden. Der Umstand, daß iu Prag eine große Menge Deutscher wvbnt und daß cm rein czcchischeS Adreßbuch den vielen Prag besuchenden Fremden aus Deutsch land Schwierigkeiten bereitet, hatte die czechischcn Stadtväter an diesem Uebcrgriff nickt verhindert. Die französische Tepulirtcukamnier bat sich bei Be- rattiuna deS RcgicruiigSanlragS, betreffend den Rechts schutz trcmder Gesandten gegen vffentlichc Beleidigungen und Kränkungen ihrer persönlichen Ehre nicht eben mit Ruhm bedeckt. Allerdings ist die Regierung als Siegerin aus den bezüglichen Debatten bervorgegangc», daß aber ihre Forderung auf directen Widcrjpruch stoßen konnte und nur mit der vcrbältnißmäßig recht wenig iiuposanien Stiimucn- zahl von 257 gegen l88 Summen zur Verabschiedung gelangte, zeigt, wclck eine Verwirrung und Verwilde rung in der französischen Volksseele eingerissen ist. Dem natürliche» Tactgesüyl erscheint eö als etwas ganz und gar Selbstverständliches, daß die Persönlichkeiten der Vertreter auswärtiger iLtaatcu in Wort und Schrift—und vor Allem in der Thal — unantastbar, unverletzlich sind. Sic stehen unter dem Schutze dcö Völkerrechts und der guten Sitte, die ja auch von ihnen selbst verlangt, daß sie sich persönlich stets innerhalb der Grenze» würdiger Zurückhalluug bewegen, die ihnen ibr ebenso hervorragendes, als wichtiges Ehrenamt zur Pflicht macht. Man hat nickt gehört, daß irgendeiner der bei der Negierung der französischen Republik beglaubigten Auslands vertreter jemals sich eines Verstoßes oder einer Tactlosigkcit schuldig gemacht, welche daS legitime Eiiipfindcn deS franzö sischen Volkes irgendwie hätte kränken tonne». Sic tonnten also mit Fug unv Neckt erwarten, daß auch ihnen gegenüber Niemand die schuldigen Rücksichten ans den Auge» setzen werde. Gleichwohl ist dies in neuerer Zeit in mehreren Fällen und in der verletzendsten Weise geschehen, ohne daß die öffentliche Meinung Frankreichs sich darob sonderlich erregt hätte. Man erinnert sich, daß infolge dieser Wahr nehmung von mehreren der betdciligte» Mächte die Frage aufgeworfen und in ernstere Erwägung gezogen wurde, ob e» sich nicht rmpscblen möchte, nach Paris tüuflig- hin keine Diplomaten mit Botschafterrang zu entsenden, und, natürlich, daun auch keine französische» Vertreter gleichen Ranges an den auStänkische» Höfen zuzulassen Kür die Republik wäre die Ausführung dieser Maßregel eine capit.i2 clewiuulio gewesen, die zu scheuen sic alle Ur sache batte unv hat. Eine parlanientarischc Körperschaft nun, die annähernd aus der Höhe ihrer öffcntlichcn Ausgaben siebt, mußte ohne Weiteres mit Stiiiiiiicneinbeit jevein Regicrungsvorschlagc bcitrelen, der auf Vervollstän digung deS mangelhaften Rechtsschutzes der sremkländischei, Vertreter abzielte. Wie aber der Verlaus der Dinge lehrt, entbehren die linksextremen Richtungen der franzö sischen Teputirtkiikanimer, die Radikalen nebst social- lcnivkratischcn und communistischen Anhängseln, so völlig des elemenlarsten politischen Tact- und AnstandS- „Hast Tu die sämmtlichen Herrlichkeiten die vergangene Nackt erobert?" fragte er. „WaS fällt Dir ein, Daniel, daran sammle ich schon drei volle Monate, damit einmal ein ordentliches Stück Gelb mit einander verdient wird. DaS Silberzeug ist in verschiedenen HerrschaftSkäuscni verloren gegangen, die Kleiber sind zum Tdeil Geschenke reicher Damen au ihre Köchinnen und Ziiiimermäkchen. Den hochnäsigen Dingern ist der Staat, den die Herrschaft ablegt, noch lange nicht gut genug, sie verlaufen ihn wieder. Die schöne Reisetasche und was darin ist, die Uhr, die Kette und daS Armband sind Alles, was vergangene Nacht für mich abfiel, da- klebrige bat der Eiscn- banneS al- seinen Antbcil bebakten. Der Kerl wirb immer unverschämter, ich bleibe nicht mcbr lange bei ihm." Während Stine sprach, schien Knicker zu überlegen, er Körte nur halb, WaS sie ihm da ei zählte, den» ib» fesselte der Anblick der Kostbarkeiten, die nech i» dieser Stunde in seinen Besitz übergehen sollten, und zwar um eine möglichst geringe Summe. „Na, Stine", bub er nach ininiileiilangcr Pause freund licher als gewöhnlich an. „wir wolle» unS nickt länger a»f- lialten, als eS uölhig ist, >»» den Handel abzuschließc». Ich gebe Dir hundert Mark für Alles zusammen, das ist eine runde Summe, da kannst Tu zufrieden sein." „Daß ich rin Narr wäre", lackte sie höhnisch, „nickt um dreihundert Mark sind mir die Werthsachen seil, nicht um vierhundert!" „Bist Du toll, Stine?" fragte Knicker. „Wer nimmt Dir den Kram ab, wenn ich ihn nicht lause?" „O, darum ist mir nickt bange", entgegnete sie in dem selben Ton. „ick kann direct a» de» Hamburger verkaufen, brauche Dich den Rat»» nickt abscköpsen z» lasten. Der lange Sckund gibt mir schon Nachricht, wen» er kommt." „So". — »lackle Knicker gedehnt, indem er dem Weibe einen giftigen Blick zuwarf, „baS wirk so stillschweigend hinter meinem Rücken aiiSgcmachl Nebml ruck i» Acht, daß ich euch keinen Strick durch die Rechnung mache, ihr sauberes Gestnbel; und glaubst Du denn, der Lanner wird so dumm scm, Dir die verlangte Summe ohne Weiteres
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