schöner Akkorde angeschlagen? Beim ersten Blick fühlen wir nur diese Wohllaute. Und erst bei weiterem Vertiefen stellen wir beglückt fest, daß auch lyrische Tonfolgen das Bild beschwingen und die großen Akkorde kontrapunktisch umschlingen und durchdringen, bald in bezaubernden Liedern, bald in süßen Elegien. Wir lassen langsam dieses musikalische Ornament ins Unterbewußte unseres Wesens sinken und schenken unserem Blick freien Lauf. Schauen besteht ja nicht darin, daß wir ein Zu-Schauendes systematisch wie eine mathematische Aufgabe durchsehen, daß also das Auge vom Intellekt geleitet wird, sondern umgekehrt darin, daß Verstand und Gefühl, Geist und Seele dem Auge folgen. Dieses wird seinen Blick stets vom Auf fälligsten anziehen lassen, von einem Zentralpunkt, der am meisten aus strahlt. Fängt sich in unserem Falle der Blick nicht auf dem hellen, weiß gelben Fleck inmitten des Bildes, der von einem erdigen Braun eingefaßt ist? Und wir stellen nach dieser Farbwertung die Formwertung fest: Es ist die Brust der tveiblichen Figur, die von dem braunen, weit geöffneten Kleide freigegeben wird. Von dieser anspruchsvollen Stelle gleitet unser Auge — nun erst — zu dem gelbgrauen Gesicht darüber, in dem das be deutungsvolle Dunkel des Kleides sich als dunkle Augenhöhlen und rätselhafte Augen widerspiegelt. Diese weibliche Figur ist das Beherrschende des Werkes. Unsere Wan derungen in die Welt des Bildes werden immer wieder zu ihr zurück führen. Jede Stelle der Bildfläche lebt von ihr und mit ihr, oder um gekehrt. Allein würde sie nicht viel aussagen können, aber in Beziehung zu den anderen Bildelementen wird sie zur zentralen Macht, auch geistig. Die männliche Figur vor ihr in einem hellen rotbraun gehaltenen Ton hat zwar einen bestimmten Farbwert, aber ihre Hauptaufgabe liegt da rin, die Bedeutung dieser Frau zu unterstreichen und ihre imaginäre Mission im Bilde deuten zu helfen. Von diesem beinahe schwarz-weiß wirkenden Zentrum aus klingt es nun nach allen Seiten hin in beinahe herbstlich bunten Intervallen, aber auch herbstlich getragenen Klängen. Der weite blaue, tiefe Himmel ist über zogen von einem hauchartigen weißen Schleier. Die grünen, gelben und roten Töne der Bäume sind wohl akkordiert in ihrem Zusammenklang. Die Grüns der Wiesen, das graue Violett der Wege, die bunten Früchte, die Blätter, die rötlich- bezw. grünlich-grauen Flächen der Häuser im