85 jenes Vertrauensverhältnis heraus wie bei dem Bekenntnisblatt. Je farbloser die Zeitung, desto geringer ihr Wert für die öffent liche Meinung. Auch die Zeitung mutz eine wohlüberlegte Ökonomie dem Leser gegenüber betreiben. Ein riesiges Sammel surium von Nachrichtenstoff verlockt nicht zur Lektüre, besonders dann nicht, wenn es so abgefaßt ist, datz es auch in hundert Blättern anderer Werberichtung stehen kann. Die von den großen Nachrichtenbüros ausgehenden Meldungen mögen einen un geheuren Verbreitungsumfang annehmen. Ihre Wirkung auf den Leser ist aber gering, weil ihnen die individuelle Note fehlt. Der Leser will aus jeder Mitteilung, aus jeder Besprechung nach Möglichkeit die Individualität des Werbenden herausspüren. Er wünscht in dem Verfasser einen Mann von ihm verwandter Ge sinnung zu spüren oder auch eine Persönlichkeit, deren geistiger Einstellung er widersprechen kann. Allerdings darf nicht zu viel breit auseinandergezogene Meinung auf ihn eindringen. Die werbemätzigen Grenzen zwischen Kommentar und Nachrichten sind theoretisch häufig gewiß schwer zu ziehen, aber der Unterschied zwischen der Sachmeldung und der kritischen Betrachtung bleibt praktisch doch bestehen. Der Artikel unterscheidet sich vom Kommentar äußerlich durch die Länge, innerlich durch die größere Vollständigkeit der thematischen Behandlung. Wollte die Zeitung den Leser nur mit Artikeln oder mit stark kommentierten Nachrichten füttern, so würde das den Leser geistig ermüden, und die Werbewirkung wäre gering, denn der Leser will in der Zeitung die geistige Werbespeise nicht dauernd schon gebrauchsfertig angerichtet er halten. Er will hier und dort die Möglichkeit finden, sich als wirklich oder scheinbar selbständig Meinender selbst zu betätigen. Deshalb muß der Journalist dem Leser auch teilweise die Stellungnahme überlassen. Außerdem will der Leser auch bei Dingen, die ihm nach ganz neu sind, zunächst die Tatsache in sich aufnehmen. Er erscheint hier als Lernender und will durch früh zeitige Bewertung nicht gestört sein. Liefert die Zeitung zu viel neuen, urteilsmäßig noch nicht durchgearbeiteten Stoff auf ein mal, so wird es auch bei übersichtlicher Anordnung und Hervor kehrung des Wichtigen durch auffallenden Druck für den Leser immer schwieriger, das Wesentliche zu behalten. Ein geschulter