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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190706010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19070601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19070601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-01
- Monat1907-06
- Jahr1907
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1907
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— 86 — Ihm zum Ritterschläge »ach Erfurt zieh« wollt«, in den Wogen begrabend. Stundenlang ^rtte sie am Strand« gestanden; sie Sonnte das Schreckliche nicht fassen; erst als sie den leblosen Körper Johanns vor sich sah als sie das blonde JünglingÄhanpt ans ihren Schoß bettete, erst da Sani Lebe« in ihre starre Gestalt, kamen Tränen in ihre trockenen Augen. «mH dieses Opfer hatte sie bringen müssen. Luitgard in der Fremde gestorben, in Pole» bestattet- Johann er trunken in der Blüte seiner Jahre, vielleicht, ach vielleicht der Tücke ihn umgebender Feinde zum Opftr gefallen, der Gemahl in der Arenwe gefangen, wahrscheinlich auch tot, und sie und Heinrich allein — kämpfend mit der immer selbstbewußter auftretenden Stadt und den sie immer mehr bedrohenden Raubrittern; wie Zentnerlasten legte sich alles auf die Seele der fürstlichen Frau. Fester uiw faßten ihre Hände de» Rosenkranz, inniger richteten sich die Blicke auf das Bild des gekreuzigten Heilandes, flehen der wurde ihr Gebet «M Geduld und Kraft, Mut und Hoff nung. Sie hatte fast alles um sich herum vergessen, sie sah nicht, wie Gesina uud Katharina, die ihr zur Seite knie ten, sich erhoben, sie sah nicht, daß Heinrich zu ihr trat. Erst als er leise seine Hand auf ihr mit einem langen, weißen Schleier bedecktes Haupt legte und mit milder Stimme: „Mutter'" sagte, blickte sie auf. «Komm, Mutter, sei stark und getrost, komm zum letzten Abschied von Johann." Turch das Seitenschiff, durch die lautlos zurück weichende Menge in der Kirche führte der hvchgewachsene Jüngling seine Mutter zu der kleinen Seitenkapelle, in der der Sarg noch einen Augenblick stand, ehe die Mönche ihn hiuuntertrugen rur Gruft. Ta kniete sie noch einmal »ieder, legte die schmerzende Stirn auf das harte Holz und betete ein stilles Vaterunser für die Seele des Ta- Hingeschiedenen. Dann erhob sie sich und stützte sich schwer auf Heinrichs Arm, während die Mönche den Sarg auf hoben und hinuntertrugen,.um ihn zur Seite des Groß vaters, Johann des Thvokogen, zu betten. Ta fiel ihr Blick Plötzlich auf ein Helligenbild, welches die Kapelle schmückt-, auf jenes Marienbild mit der Strahlenkoone, das Fürst Heinrich gestiftet vor seiner Fahrt in das heilige Land, und mit einem Male hatte die Fürstin sich selbst wiedergesunden. Obgleich ihr Mutterherz blutige Tränen weinte um! Luitgard und Johann, ihr Frauenherz um des Gemahls ungewisses Ge schick — dieses Bild zauberte jene Tage des Abschieds vor ihre Seele, wo sie versprochen hatte, nicht kleinmütig und verzagt zu sein. Sie war eine gebeugte, geprüfte Frau und Mutter, sie war aber auch eine deutsche Fürstin ryld als solche sich ihrer Pflichten bewußt. Tas brennende Antlitz vor den Wicken der Menschen mit dem Schleier verhüllend, legte sie ihre Hand in deS Sohnes Arm und schritt, den ehrwürdigen Pater Guardin zur Seite, hin aus aus der Kirche über den Klosterhof, auf dem in langen Reihen die Laienbrüder standen. Fürst Heinrich übergab mit wenigen Worten dem! Pater Guardian noch einmal die Sorge für die teuren Ver storbenen, die nun ich Schutze des Klosters ruhten, dann öffnete sich die Pforte, uMden Zug der Ritter und andere Teilnehmende hänauHulass«. Ein stattliches Zelllager war vor Toberan errichtet worden, denn nach dex langen Reise von Wismar mußte einige Rast gehalten werden, Anastasias Zelt hatte man auf ihren besonderen Wunsch ttef in dem! Buchenwald auf geschlagen, da, wo man schon das nahe Meer rauschen hört, und sein Brausen sich mischt mit dem Säuseln und Raunen der Buchenkrvnen. Wenige Schritte nur, und sie Konnte am Rande des WaldeS das Meer sehen, die Vogen sehen, wie sie, schäumend, sich überstürzend, den heiligen Damm umfluten, sie konnte aufwärts blicken in die grünen Baumkronen und sehen, wie der Sonne leuchtender Schein die schlanken, grauen Buchenstämme vergoldet. Und während sie so, Umtzeben Von Katharina «nd Gesina, am Strande saß, fand ihre Seele das wieder, darum sie in der Abteikirche zu Toberan gebetet, Mut und Kraft, Geduld und Hoffnung. Johann von Gadebusch war mit seinen Begleitern gleich nach der Totenfeier wieder abgezogen, nun rüstete auch Heinrich zur Abreise, während die Fürstin Anastasia unter dem sicheren Schutze ihrer Ritter erst nach einigen Tagen folgen wollte. Es galt wieder eine lange Trennung von dem' einzigen Sohne, denn Erfurt war weit, und Heinrich wollte durch die Mark Brandenburg seinen Weg nehmen, um mit dem Markgrafen Otto ein Bündnis zu schließen. Seine Ritter und Getreuen zogen auf verschiedenen Wegen vorläufig heim, um sich auf dem Wege über Brandenburg nach Erfurt später dem Fürsten anzuschließen. Sv ritt Heinrich nur von Hartwig Weyer begleitet, auf der Landstraße, welche von Toberan «ach Wismar! führt. Zwei Tagereisen lagen schon hinter ihnen, die Nächte hatten sie auf Burgen mecklenburgischer Ritter ge rastet. Heute uoch uMßwn sie die Burg Wismar er reichen. , Aber noch waren die TürMe der Burg und der Stadt nicht zu sehen, als Heinrich einen Ruf des Staunens aus stieß und sein Pferd anhielt. Auf der Straße, die sich nun längs hoher Hafer- und Roggenfelder hinzog, kam eine gebückte Frauengestalt den Reitern entgegen., Heinrichs scharfes Auge erkannte die alte Tienerin seiner Mutter, Webeke. Ihr Alter war der Grund, weshalb die getreue Frau die Herrin nicht hatte nach Toberan be gleiten können. Ost schmerzten die Glider, und die Füßö versagten den TtensL Schweren Herzens hatte WiebekL- die Bedienung der geliebten Fürstin in GesinaS Händs/ gelegt. Aber sobald Anastasia daheim! weilte, ließ Wicbekch sich ihr altes Vorrecht, der Herrin beim! Aufleiden zus: helfen, ihr den Schleier zu ordnen, nicht nehmen. MeM saß sie dann in ihrem kleinen Gemach das dem dersz Fürstin nicht gar entfernt war, und spann Wolle UM sann über das traurige Geschick der Herrin nach Was trieb die Greisin heut allein hinaus auf diH Landstraße? Heinrich sprang voM Pferde und reichte derj. Allen die Hand: „Was treibt Tich aus den? Schutz der' Burg auf die Landstraße, Wiebeke?" „Junker Heinrich — ich mußte Kommen. W gilt den Herzensfrieden Eurer Mutter, meiner Herrin. Seht, so lange Jahre wartet sie auf Künde voM Gemahl. Soll nun ein Betrüger hier einziehrn, wollen wir einen falschen Herrn empfangen? Schon ist die Kunde bis hierher ge drungen: „Herr Heinrich bomMt Mrück." Aber, Junker Heinrich Herr Heinrich ist's uicht, ein Betrüger ist's/ ein Lügner.'"' Tann, sich überall um)chauend, ob auch jemand sie belauschte, flüsterte sie eindringlich: „Junker Heinrich ich habe, als die Burg jetzt bei Herrn Johanns Leichen feier so Ml war, in der Stadt gelauscht- Man will Euch höhnen und Eure Mutter, der Heinrich der heranzieht, ist gedungen von Euren Feinden." „Hör' Hartwich" rief Heinrich „hör, Welch ein un geheurer Frevel." „Junker Heinrich icy weih noch Mehr.' An der Börzower Mühle wollen sie sich treffen, der fremde Mann, der sich für Heinrich «Midi, und die, die ihm! anhängem Torthin eilt, Junker, es Mt den Frieden her Fürstin Anastasia — und noch eins, Junker Heinrich — haltet gleich Gericht über die Bösewichter." Tie Greisin wandte sich erschöpft zuch Gehen, Heinrich wollte sie aufs Pferd heben und so zurückgeleiten, aber die Alte wehrt« ab. „UM Gott, Junker — dann würde alles verraten iein. Ihr beide habt gute Waffen und seid genug, einen falschen Heinrich zu entlarven, eilt Euch daß Ihr zur Börzower Mühle Kommt,* dchnit Ihr den sauberen Herrn Heinrich 87 «0ch allein findet. Ich gehe langsam gen Wismar heim — sage, wie ich alle diese Tage den Neugierigen sagte, daß ich auf die Rückkehr meiner Fürstin warte. O — ich weiß, sie meinen in Wismar, ich sei schon schwach im Kopfe —" sie lachte leise — „gerade darum! waren sie so wenig vorsichtig, Mich hören zu lassen, was man im Schilde führt." „Wer führt es iM Schilde?" fragte Heinrich heftig. „Um Gott, Herr Heinrich, fast möcht ich's nicht sagen, nur eins sag ich Euch der OheiM Johann von Gadebusch, der Peiß darum/' Heinrich schüttelte den Kopf. Er wußte es wohl, Johann von Gadebusch war nicht beliebt, und er wußte auch daß nur gezwungen der Oheim damals eingewilligt hatte, als Anastasia ihre Söhne mündig erklärte und zur Mitregierung berief im Sinne des fernen Gemahls. Aber einem falschen Heinrich die Wege ebnen? Nein, das konnte er nicht. Wiebele liebte Johann von Gadebusch nicht, sie sah zu schwarz — aber daß ihre Warnung richtig sei, das sah Heinrich ein, und deshalb schlug er Nach kurzer Rast in einem Torfe den Weg zur Stepenitz .ein, während Wiebeke langsam zur Burg zurückschlich und täglich einige Zeit außerhalb der Wälle an der Landstraße saß, bis sie nach kurzer Zeit eines Abends den Zug er schaute, der die geliebte Fürstin auS Toberan zurückführte. VI, ^on allen Seiten waren Fürsten und Ritter zum .Reichstage in Erfurt zusammengeströmt. Tourniere, Lanzenbrechen und Kampfspiel gab es für die ritterliche Jugend. Auch Junker Heinrich von Mecklenburg mit seinen Rittern, seine Vettern aus Rostock und Parchim und Graf Helmvlt von Schwerin waren eingetrvffen und hatten ihre Quartiere in der Stadt bezogen. Es' wurde Heinrich, dem nordischen kräftigen Fürsten, nicht schwer, die meisten seiner Dournier-Gegner aus dem sattel zu heben. Aber trotz seiner Siege, trotz der Erfolge blieb sein Antlitz ernst, sein stolzer Mick kalt. Er konnte die Schmach noch nicht vergessen, die ihm und seinem Hause Vpn der Börzower Mühle gedroht hatte, und ebenso wenig das schnelle Gericht, welches er nach Ueberführung der llebeltäter gehalten hatte., In den Fluten der Stepenitz hatte der Betrüger selbst, gleich dem Müller, der sein Hcms zu solchem Betrüge hergegeben, seinen Tvd gefunden. Und waS den jungen Fürsten Merkwürdig berührt hatte, das war, daß er auf seinem Fortzuge von der Mühle seinem Oheim Johann von Gadebusch begegnet war. Linen Fagdzug galt's, sagte Johann, und Hartwig Meyer Meinte trocken: ,Lyr werdet in der Mühle niemand finden — fragt in der Stepenitz nach" Tv war Johann ganz bleich geworden. Und noch Mehr marterte Heinrichs Sinn. In Erfurt sollte er dem Hochmeister deS deutschen Ordenshauses in Akkon gegenübertreten, Burchard von Schwanden. Ter Hochmeister hatte dem Tournier und der Feierlichkeit bei gewohnt, bei welcher Landgraf Albrecht von Thüringen den jungen nordischen Fürsten und Rittersöhnen den Ritterschlag erteilt hatte. „Sagt mir doch Ritter Hubert, wer dieser junge königliche Mann ist, der dort soeben in die Reihen der Ritter tritt," wandte sich Burchard von Schwanden an einen der thüringischen Edlen, die ihm zum Ehrendienste beigegeben waren. „Ach der dort drüben in deM blau-goldenen, rvtge- ränderten Gewände Mit dem Schild, der Krone und BüsfelSvops zeigt, der mit den stahlblauen, alles schier durchdringenden Blicken und der hohen trotzigen Stirn —7 .Meint Ihr den, edler Herr?" ,Za, den Meine ich" sagte Burchard Von Schwanden. „Tas ist der junge Löw« von Mecklenburg, Herr Heinrich," gab Hubert von Staffelfeld zur Antwort. Burchards edles Gesicht erbleichte jäh. „Es ist Heinrichs des, Pilgers Sohn —. eine Ahnung sagte es Mir. — Ritter Hubert, Habt die Güte, mir jungen Ritter heute abend «och zuzuführe«. Ich »S ihn allein sprechen." Ter frühe DezeMberabend war angebrochen. I» uem von Fackeln und Kerzen erleuchteten Gemach Burchard von Schwanden unk wartete auf de« Ach Heinrich von Mecklenburg. Fast achtzehn Jahre war« gangen, seit Heinrich der Pilger im deutschen Ordenöh, gerastet hatte, achtzehn Jahre waren die Kleinodien seinen Händen. Nun wollte er sie zurückleg« in Hände deS Sohnes des Gesang««, zu dessen Löf er vorläufig keine Aussicht sah. Tie schwere Eich« öffnete sich, Schritte kamen näher, Heinrich von M« bürg stand Burchard gegenüber. „Ihr befahlt, Ritter Burchard von Schwaol sagte der junge Fürst und blickte den älter« Mann und sicher an. „Setzt Euch an Meine Sette, Fürst Heinrich Mecflenburg," — und als dieser der Aufforderung gc war: „Seht, so saß vor siebzehn Jahren Euer Later OrdenShause zu Akkon neben mir. O, damals hq wir Christen noch manche Hoffnung, mancher kühne, h fliegende Plan wurde ausgefonnen, um uns daS heilige Land zu retten — umsonst — umsonst. Schwach ist heute nur unser Widerstand, bis auf einen klein« Dell ' Akkon haben wir alles an die Ungläubigen verlor« sehe im Geiste Euren Later noch vor mir, auch er trug s war gleich die Menge voM Kreuzzug zurüchzetreten, 1 großen Hoffnungen für die Zukunft. Tie Schätze, er mitführte, ließ er in des Ordenshauses Schutz, er rüstete sich ja, als Pilger mit dem Stab, nicht Kreuzritter mit dem Schwert und Schild zu ziehen, seht, alle Verhandlungen, den deutschen Fürst« aus Gewalt des Sultans zu lösen, prallen ab an der dieses ränkevollen Fürsten. Selbst hoher Preis lockt nicht. Tvch — daS wißt Ihr ja. Wenn ich Euch herbat zu mir, Fürst Heinrich so geschah eS, um jene Kleinodien wieder zurückzugeben. Seht, ob Ihr wiedererkennt." Er zog einen schönen mit Eisenzierat« beschlag Kasten heran und schloß ihn auf, nahm die Gegenstände heraus und legte sie in das Bereich der über dem Tisch leuchtenden Wachsfackel vor Heinrich hin. Ter junge Fürst legte die Hand über die Augen, es war fast, als ob Tränen seinen Mick verdunkeln wollten^ aber er bezwang sich und sagte fest, wenn auch mit leiser» umflorter Stimme: „Ich war ein Knabe, als der Later Abschied nahm, aber ich entsinne mich seiner genau. Und wem» er heute mir gegenüber träte, ich würde ihn wieder-- erkennen. Nie vergesse ich den Mick, mit dem er scheidend die Mutter, uns Kinder vom hohen Roß — am Portal des Klosters der Graumönche zu Wismar noch einmal grüßte- Immer, in allen diesen schwer« Jahren, be sonders aber, seit die Mutter uns zur Mitregentschafti berief, steht dieser letzte Scheideblick des Vater» vor Mir. Er schien zu sagen: Steht fest, seid kühn und brav« ' betet für mich" Tann zog Heinrich den Handschuh ab und betrachtete die Schätze, die goldene Heftel, die beiden schwer« Silber gürtel, deren Schließen den gekrönten Büffelskopf del Mecklenburgisch« Wappens zeigt«, zwei silberne Sann« und einen goldenen Becher, der kunstvoll auS vier ein zelnen Tellen zusaMmengefügt wurde. „Ter goldenen Bechers kann ich mich wohl entsinn«," sprach er zu Burchard, denn er erregte ost die Bewunde rung des Knaben, „die Gürtel zeichnet das WiSmarschr Wappen als Meines Vaters Eigentum, die goldene Heftel glaube ich einst aM Gewände der Mutter gesehen z» haben, von den Kann« weiß ich nichts." Er hatte die Sachen sorgfältig in den Kasten znrüchi gelegt.
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