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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.10.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061031015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906103101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906103101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-10
- Tag1906-10-31
- Monat1906-10
- Jahr1906
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Bez«qS»Prct- für Sewzig »»d Bororte: A» der Ltvediiio» »der deren An-anbefteLea «d- gthoU monatlich: LuSgabr (l «nl tSglich) 70 Pf.. »uSgad, v (3 «al Ugltrd) SO Pf„ bei Znllellong in« Han« «oSgade L SO Angabe ö 1 Mark. Durch unsere auA« wSrtige» Ausgabestellen nnd durch di» Post bezogen (I mal täglich) für Deutlchlaud und Oest« reich monatlich 1 Mark, für di, übrige, Lände, laut Zeitumi<vi«iSlift». Lief« «norm« lostet ans Se» eitz? all» Badudöfe» nnd bet I» l den Zeitung», verftloseru Uedatttou uo» trrve-tttoa: JoyauniSgoss« v. Lelevdon Rr. lüL Str. 282, Nr. 1173. Berliner Nedattiou-rBstrea«: Berlin b>Vk. 7, Prinz Laut» Ferdinand- S trage 1. Telephon l. Nr. 927k. Morgen-Ausgabe 8. ^MgerNlUtblaü Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und -es Nolizeianttes der Ltadt Leipzig. Nr. 528. Mittwoch 31. Oktober 1,906. SlsizeigenoPreiS die «gespaltene PetUzeile sür Geschäfts» tnjerat» au« Leipzig and llmgebnna 2ö Pf.. Kamiite»^ Wohnung«' n. Stellem-nlnzei«», sowie L»> and Berkänse 20 Pf, fimlaziell, Nnzeigen SO Pf, für Inserate von aaSwärt« SO Pf Reklamen 7L Pf, aoSwSrtS 1 Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Tausend rxkl. Postgedüdr- Geschäftsanzeigen an bevorzugter Stelle iw Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Anzeigen-Ännadme: AugustusPloM 8, bei lämNichea Filialen n. allen Au non cen- Srveditioaea de« In- and Auslandes. ür das Lrlcheinen an bestimmten Tagen u. >1ätzea wird keine Garantie übernommen. Haupt-Filiale Berlin: TarlDnucker, Herzgl.Baqr.Hofduchhaudlg, Lützowiiroße 10 tTtlephon Vl. Nr. 46031 Kilial-Srpedittou.TreS0en.Martenstr.34. 100. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * Die kirchliche Trauung des Printen Johann Georg von Sachfen wurde gestern in Cannes durch seinen Bruder, den Prinzen Max, vollzogen. (S. Art.) * Kurz vor dem gestern erfolgten Schluß der LaudeS- synobe gab der Präiideut tes LandeSkooiisloriumS eine Eriläiung zur Pensionierung re« Plärrers Sparwaid ia Leipzig ab. . * Tas preußische Staatsministerium trat gestern wiederum »ntr dem Vorsitz des Fürsteu Bülow zu einer Sitzung zusammen. * Das Reichsgericht verwarf gestern die Revision der Schutzleute Peifchact und Wolf, die am SO. Mai vom Landgericht! in Berlin wegen fahrlafngen Entweichen« lassens des Ätaubmörders Hemuig^zu 30'» be,w. 100 Geldstrafe verurteilt wordeu sind. (2. GerichtSsaal.) * Staatssekretär von Tschirschky ist ans Rom ab gereist. (S. Italien.) * Der Gerreral-Adjutant des Kaisers Wilhelm. General« Leutnaul v. Löweuseld, hat gestern dem Herzog v. Coauaught den preußischen Keldmarfchatl« stab überrreicht. kr irrirelt. DaS unbehagliche Gefühl, dns in den Tagen deS journa listischen Duells Bülow-Podbielski die deutschen politischen Kreise ergriffen hat. ist während der letzten Wochen bis zur Nervosität gesteigert worden. Nicht etwa, daß ein großes greifbares Ereignis die Situation verschärft habe. Vielmehr ist eS eine Summe von Einzelerscheinungen, von Symp tomen, die ans gesteigerte Spannung in den «»bereu Regionen «it Sicherheit hindenteu. ohne doch schon eine genau« Pro gnose zu gestatte». Dazu kommt, daß die kritische Minister- zeit, die Eröffnung der Parlamente, vor der Tür steht. Herr v. PodbielSki ist npch immer Minister, gegen den Dillen deS Kanzlers und Ministerpräsidenten. Damit ist der Grund der Spannung gegeben. Konnte sich Fürst Bülow mit einer Gnadenfrist für den nun einmal persönlich vom Hofe überaus wertgeschätzten LaudwirtschaftSminister ein- verstanden erklären, so kann er diese Frist doch nicht über Gebühr verlängert sehen, ohne sich selbst unmöglich zu machen. Auch wenu er persönlich selbst dazu bereit sei» sollte, so würde ihm das nichts nützen. Diese beide« Män ner können nicht mehr nebeneinander amtieren. Auch kennt Ker Herrn v. PodbielSki schlecht, der ihu nur als be triebsamen Mann der Bonhomie taxiert. Er ist bei aller äußere« Jovialität doch eine starke, rücksichtslose Natur. Ohne diese Eigenschaft bätte er seine unbestrittenen Erfolge ans den vielen Gebieten seiner Betätigung nie erreichen kön nen. Und Herr v. PodbielSki wird gar nicht mehr bereit sein, unter dem Fürsten Bülow weiter zu arbeiten. Da er selbst aber den Parlamenten nicht mehr präsentiert werden kann. waS er am besten wissen wird, so will er wenigstens den Veröffentliche«! der AbschiedSnotiz in der „Norddeutschen" mitnebmen. Dieser Kamps um Positionen absorbiert alle Kräfte — nicht nur der direkt beteiligten Personen in den höheren Regionen. Zum Regieren kommt man nicht mehr In aller Eile wird kurz vor Eröffnung deS Reichstags eine Sitzung deS StaatSministeriumS abgehalten, um in «der Fleilchnotsroge nicht als ganz untätig zu erscheinen. Aber sonst lässt alles, wie eS läuft. Menschlich durchaus verständ lich. Nur daß dieser seelisch« Zustand den Staats- und Reichsgeschäften nicht gerade förderlich sein kann und schon zu den schwersten Aergernisien aefübrt bat. Tie Offiziösen wissen längst nicht mehr, woran sie sind. Die „Norddeutsche" bringt zuerst sehr verständige sozialpolitische Artikel über den drohenden Bergarbeiterstreik und muß sich dann selbst in Grund und Bode» dementieren. TaS ReichSmilitärgericht gerät in einen ernsthaften Zwist mit dem Kriegsministerium. daS sich Pom Kaiser recht geben läßt. General v. Massow nimmt einen für ibn überaus ehrenvollen Abschied — Fürst Bülow schweigt. An keiner Stelle der Entwicklung ist auch nur «ine Andeutung zu erkennen, daß der Kanzler sich für diese Dinge interessiert. Wenn man auch schon früher den Fürsten nicht bestrebt gesehen hat, sich um Minima zu küm mern, so bandelt eS sich hier wirklich nicht um Bagatellen. Und etwa- mehr ist früher doch geschehen. Für den politischen Professional sind damit aber die An zeichen kür eine Krise nicht erschöpft. Er siebt noch, manche ander« Auffälligkeiten die trotz ihrer anscheinenden Belang, losigkeit oder Zusammenbanglosigkeit doch sicher« Schlüsse zulasten. Es ist schon die Rede gewesen von der DirektionS- losigkeit der Offiziösen. Aber die Getreuen werde» auch auf sässig. Hid daS ist in der Tat recht bedenklich. Die Gefolg schaft deS Fürsten lichtet sich. Sie wendet sich sogar -um Teil schon gegen ibn. Wir konnten schon neulich eine» merk würdig scharfe» Artikel der „Köln. Ztg." zitieren, worin di« Nationolliberalen gegen die Regierung scharf gemocht wer- den sollten. Am Montag brachte diesekbe Zeitung einen Leit- oriikel zur Fleischnot, der sich ganz allgemein und i» de» schärfsten Wendungen gegen die Regierung richtet. Denn er sich nur Herr» v. PodbielSki auft Kor» genommen hätte, so wäre das weiter nicht verwirnderlich. Bo» Landwirtschafttz. Minister sogt das Watt: .Der Landwirtschaft-Minister. der beruf«»« Vertret« d«r SloatSregieruug, die bestrebt sei» sollt«, big G«g«a- stitz« «wisch« b« «t»H^k»« IiHereffer-ruv-e» auSzu gleichen, ist in der Fleischsrage selbst Interessent und hätte daher, seit diese Frage kritisch geworden ist. sein Amt nie- derlegen müssen, genau wie die Städteordnung von einem einfachen Stadtverordneten verlangt, daß er an den Ge schäften, über die er mit beschließt, in keiner Weise be teiligt ist." Aber dann fahrt es in noch weit schärferem Tone fort: Jmner »weder drängt sich die Frage auf: wo ist die Regierung, werden wir überhaupt noch re gier»? In anderen Ländern, wo es Kabinette gibt und di- rechte Hand weiß, was sie liuke tut, pflegt während der parlamentarische« Ferien der eine o^er andere Minister sich über die Stellung des Kabinetts öfsenilich zu äußern, und die Erörterung der Tagessragcu, die nie ruhe« kann, geht dann ihren Gang in llar erkennbarem Gleis weiter. Wer vermag indes b-ü uns zu sagen, ob und wann den Städte« auf ihre dringeudcn Eingaben ein Be- scheid u«d ob ihnen je ein Bescheid werden wird? Des- halb ist es die höchste Zeit, daß der Reichstag wieder zu- sammentritt, um mit diesen Zuständen einmal gründlich abzurechnen. Wer es ernst meint mit unserem deutschen Vaterland«, der kann und darf nichl länger ruhig zujehen, ' wie eine Regierung, die Führer sein sollte im Kamps gegen die staatsfeindlichen, die bestehende Ordnung zer- setzeaden Mächte, durch ihre Tatenlosigkeit, Schlaffheit und Nichtachtung aller Volks regungen immer größere Bruchteile des Bürgertums i» die Reihen der Sozialdemokratie treibt. Huouäqao trocken»! Glaubt wirklich jemand, ei« Blatt, wie die „Kölnische Zeitung", die so ruf die Jnsorm.itionen in auswärtigen An- gelegenheiten eingestellt ist, die in der ganzen. Welt a»s Sprachrohr der Regierung gilt, könne überhaupt einen solchen Frontalangriff machen, wenn es die maßgebende Persönlich keit noch für altiousfähig halte? Ter Vorgang ist «ur zu erklären, we«n mas mit dem Ausscheide« des Fürsten Buivw rechnet, mit eise« Persoaeuwechiel in ganz kurzer Zeit Noch vor de« 13. November, dem ReachstagSzusammeniritk. muß sich die Lätze kläre»«» DaS ist die Nleinung aller ernst- haste« politischen Beobachter. Womit sie sreilich auch arg irre« löune«. Tenn nur deshalb, well eS naturgemäß, weck eS vernünftig wäre, ei« etwa notwendige- Revirement j:tzt zu erledigen, um im Parlament freie Hand zu haben ui.d de» Blick auf die Zukunft, auf die positive Arbeit lenken zu könne« — deshalb ist noch lange nicht zu schließe«, daß dies Beraünftige auch geschehe. Nichl der Intellekt, sonder« die Stimmung regiert die deutsche politische Welt, und Plötzlich keiten geben noch immer unserer Zeit die Signatur. Wer aus der Geschichte der letzten Jahrzehnte etwa- ge- lernt hat, wird sich i« der «rüsten Beurteilung der heutigen Lage auch nicht leicht beirren lassen. Vor allem «icht da- durch, daß im Berliner höfischen und ministerielle« Gesell. schaftSlebe« alle- seine« gewohnte» Gang geht. Fürst Bütow gibt dem russischen Minister der auswärtige« Angelegen heiten v. JSwolSky ein Diner. Und Ihre Majestät die Kaiser»» und Königin besucht die durchlauchtige Fürst»« v- Bülow und deren Mutter Donna Laura Minghetti. W 'r durch solche Meldungen zu einer optimistischen Auiiassung kommen sollte, der hat den Geist unserer Epoche »icht erlaßt Er denke an die Beradschiümnz Caprivis oder noch besser an den Nervenchoc Miquels, als ihm Herr v. LucannS gemeldet wutcke. , Wir möchten nicht mißverstanden werden. Zum Prophe zeien fühlen wir weder Beruf noch Neigung. Nur die Situation wollten wir zeichnen, wie sie sich uns und anderen karstellt, und wie sie vermutlich auch ist. Daß mehr als ein Fauteuil wackelt, scheint uns deutlich sichtbar. Mehr zu sogen, sind wir nicht imstande, halten auch alle weilergehend:» Kombinationen vorläufig für apokryph. Der Kamps ist wahrscheinlich noch nicht au-gekämpft, aber er muß sich bald entscheiden. Vie ffschrrit i» Lanner. Die kirchliche Treuung. In der alte» romanischen Kirche „üotro-vams äs von vozfzgo" wurve gestern vormittag kl Uhr die kirchliche Trauuug d«S Prinzen Johann Georg und der Prinzessin Mana Immaculata vollzogen. Die stimmungsvoll geschmückte Kirche konnte die große Zahl der Geladenen kaum fassen. Die Anfahrt der Fürstlichkeiten bot ein anziehendes Bild. Die freundliche Begrüßung feiten» deS Publikum» bekundete de» lebhafte» Anteil, ve» die Bevölkerung an allem nimmt, wa< die seit 35 Jahren hier ansäisige Familie de» Grasen Äaserta betriffl. Der Umstand, das gerade der Geburtstag der Priuzelsia Maria Immaculata al« Tag der Trauung gewählt wurde, wird al- desrmvereS Zeiche» lebbaft gepflegten FamllieosioneS voa weile» Kreise» freudig empfand««. Prinz Max. Die Tramneg selbst, die von prächtiger Orgelamsik imd mehpstimmige« Thorgesang begleitet wurve, trug einen intime» Eüarakter, da sie von dem Bruder de» Bräutigam«, dem Prinzen Max, vollzöge» wurde. Nachdem «oler Orgelklaog die gesamte Geistlichkeit, a» ihrer Spitz« der Bischof vo» Rrzz«, ihre» Eiumg i» die Kirch« gehalten, «ad sich alle Fürstlichkeit«», der König »»d die Prinzea ia großer Uniform, di« Fürstinnen i» prächtiger Toilette, »rr- samnttlt hatte», hielt zuaächst der Bilchof voa Ritza eine Ansprache, i» der er da» hohe Paar auf die hohe Le- deutuaa d«S Tage» hrnwie». Sodann volltvg Pnaz Max bi« feierliche Trauung. Wundervoll« Musik, violia- »»d HarfeasoU, sowie Ehorgesang schloff«, die Arier. Beim Austritt auS der Kirche folgten sämtliche Fürstlichkeiten dem jung,» Paare, und die Hos- unv Staalsivürvcnlräger schloffen sich ihnen an. Rach der Trauung. Man begab sich hieraus zu Wagen nach der Villa des Grafen Caserta, wo ein D jeuuer die Fürstlichkeiten vereinte. Gestern nachmittag reiste das junge Paar in der Richiung nach Mentonc ad Auch einige rer fürstlichen Gäste lr-ten bereits deine die He mreise an, während der König mit den beiden Priuzen-Söhuen bis heule früh »u Eauues bleibt. vrr „Wlige ssrieg". sDon unserem Pariser Korrespondenten.) Für das Ende des Ramadans, deS vierzigtägigen Fasten- und Bußfestes, ist der Beginn des „Heiligen Krieges" ange kündigt. Wenigstens telegraphieren das einige sich in der Wüste langweilende Reporter an ihre kolonialwüngen Blätter. Der Sultan von Marokko soll hinter der Ge schichte stecken. Wrr würden den Reportern auss Wort glauben, wenn nicht der Gouverneur von Algier, Jonuart, und General Lyauty in Person Klage über diese Ucber- lreibungen geführt hätten. Ter Sultan von Marokko wäre außerdem das größte Kamel seines schönen Landes, wenn er gegenwärtig seine getreuen und ungetreuen Untertanen zu einem „Heiligen Kriege" antriche. Es soll ein Reiter- trupp, geführt von einem Kaid. der ein naher Verwandter des Sultans sein soll, in diesen Tagen durch die Gebiete an der französischen Grenze gekommen sein. Sofort telegra phierten die unter der afrikanischen Sonne leidenden Re porter, cS handle sich um den vom Sultan zur Leitung deS „Heiligen Krieges" ausgesandken Führer. General Lyautey, der ein recht entichlossener, aber auch besonnener Mann zu icin scheint, bat einem Korrespondenten des „Journal" ge sagt, nach seinen Ermittelungen habe der Reitertrupp den Auftrag kehabt, die Grenzstamme zu besänftigen, und tat sächlich scheine seit seinem Durchzuge eine größere Ruhe ein getreten zu sein. Jvnnart hat in einer Rede erklärt, die Lage wäre ernst und Frankreich wäre unentschuldbar, wenn cs bei der allgemeinen Erschütterung in der Welt des Is lams gleichgültig bleibe: aber die in Algier vorhandenen Streitkräfte seien ausreichend, eine Ueberrumpelung zu verhüten. General Lyautly bat jetzt etwa 6000 Mann aut bewaffnete Truppen im Süden vereinigt: so daß ?ene Un- gcdukdigen, denen noch immer die Einverleibung Marokkos in de» französischen Kolonialbesitz Nordcssrikas möglich er- scheint, den Moment für gekommen halten, einen Vorstoß über den Fluß Gurr in das fruchtbare Land des Tasilelt zu machen. Sie behaupten, es wäre auS strategischen Grün den geboten, den Hauptort Budenib zu besetzen, was man um w eher tun könne, als die Konteren- von Algeciras Frankreich in den Grenzgebieten freie Hand gelassen Hobe. Indem man immer neue Vorstöße macht, wird die französische Grenz« bald an den Toren von Fez vorüberstreichen! General Lvautey ist nicht der Meinung, daß die Besetzung Budenibs au- strategischen Gründen geboten sei: er wziß. daß er eS mit 8000-^10000 Reitern zu tun haben würde, welch« die marokkanischen Stämme leicht mit ganz modernen «malischen, spanischen nnd — französischen Gewehren auszu rüsten imstande wären. Diese Reiterscharen würden den Franzosen eine Ausgabe stellen, wie sie sie noch nicht in ihren afrikanischen Expeditionen gesunden baben: Lvautey ist über, zeugt, daß er den Marokkanern, um sie zu besiegen, in die wilden Beraschluchten der Hommada folgen müßte, wobei seine Trupven unendliche Verluste erleiden würden. In ein solches Abenteuer möchten die Kokonialvolitiker die Republik stürzen. Also die verantwortlichen Männer in Algier raten zur Mäßigung, während Unverantwortliche von Clemcn » ceaus Machtantritt den Befehl zur kriegerischen Expedition gegen Marokko erwarten. Lyautey ist der Ueberzeugung, deß der Aufmarsch der Triivvenmassen an der Grenze ge nügen werde, Zusammenstöße zu vermeiden. Der Pariser Gemeinderat d'Andig»«, der von einer Studienreise aus dem Innern des Sultanats zurückkommt, erzählt, Kaiser Wil helm gelte heute für den „Sultan Europas", weil er sich in Tanger mit einiaen Offizieren in glänzenden Uniformen ge zeigt habe. Herr d'Andign- ist derartig von den Reich tümern, die in Marokko zu holen sind, entzückt, daß er un bedingt wünscht, „Marokko möge bald das Schlußstück des Diadems des französischen Kolonialreiches werden". Die Reichtümer Tasilelt- sind es auch, die gewissen Kapitalisten die militärische Expedition dorthin für so notwendig er scheinen lassen. 1903 waren die französischen Trupvenführer der Grenz posten der fortgesetzten lleberiälle auf die Karawanen über- drüssia geworden. In den Bergen vvn Djebel-Bechar saßen die Marokkaner mit ihren Flinten und knallten in das Tal von Zussana hinunter, jedesmal, wenn eine Karawane sich zeigte. Die französische Negierung beschloß, sich jenseits der Berge fetzzusetzen, um die Banditen von zwei Seiten zu Packen. So machte man einen Vorstoß und gründete den Posten Colombechar, den mein mit einer Bahnverlängerung ofort zum südlichsten zivilisierteren Handelsplatz mitten im eindlichen Lande macht»! Hier glückte das Experiment so eicht, weil die Raubstämme ihren Rückzug abgeschnitten oben, was bei einer Besetzung von Budenrb gar nicht mög- ich wäre. Bis dahin waren die Bewohner des Tasilelt, dre wohlhabenden Cdorfas, im Besitze des Handelsmonopols ge wesen: in Budenib sammelten sich die Bodenerzeugnisse, die von den Karawanen der Chorfas nach den marokkanischen Hasenorten transportiert wurden. Hinfort konzentrierte sich der Handel in dem vorgerückten Grenzorte Colombechar: monatlich wurden für 200 000 Frcs. Waren aus dem Tasilelt nach Colombeckar und von da weiter mit der Bahn transpor tiert. Die Juden, die zahlreich im Tasilelt ansässig waren, siedelten nach Colombechar über, auch viele Ackerbauern. Der Gouverneur von Tasilelt bestimmte darauf eine Frist, nach deren Ablauf es de» Juden und Bauern, wenn sie nicht wie der ihren Wohnsitz aus marokkanischem Boden ausschlagen würden, verboten wäre, über die Grenze zu kommen. Dar- aus sollen die Ansiedler vou Colombechar in Massen auSge» wandert sein. Frankreich protestierte in Fez gegen des Gou verneur- Erlaß, der mit den Abmachungen zwischen beiden Länder» ,n Widerspruch stehe. Auf Tausenden von Zettekn sollen die ChorfaS daran erinnert worden sein, daß der Handel mit Ungläubigen vom Koran verboten lei. Au- geölick) hat da- Vlufoküben von Tolombcchar auch die Eini- aung oller marokkanischen Stämme im Grenzgebiete z»r Folge gehabt. Budenib wäre zur Vorratskammer gemacht, große Mengen Getreide wären kort unter dem Schutze von mehrere» Hundert Kriegern aufUestapekt. Warum also Warle»? Mit einem Handstreich gegen Budenib könnte Genial Lyautey di- ganz« Kriegsorganisation de» Feinde» vernlchte», behaupten die Hetzer, die ihn vielleicht noch i» da» Aden teuer wider seine» Wille» treib« »erde». Natürlich werden die tendenziösen Alarmnachrichten von der algeriich-marokkanijchen Grenze durch die französische Presse auch weidlich ausgeschiachtet, um Deutschland, den Allerweltsfriedensstörer, nach Herzenslust zu verdächtigen. vernburgr Pläne. Wie sich der neue Kolonialdirektor Ternburg die wirt schaftliche Aufschließung Deutsch-Südwest- asrikas denkt, darüber glaubt die „Dortm. Ztg." folgen des Mitteilen zu können: „Ternburgs Plan soll dahin gehen, zu beiden Seiten der grogen Verkehrswege je 100 Kilometer Farmland will- rärnch zu besetzen und so ansreichend zu sichern, daß von jenen des Reiches den innerhalb dieses Radius sitzenden Ansiedlern Leben unv Besitz garantiert werden kann. Es sollen aus diese Weise gesichert werden: die Linie Swakop- mund—Windhuk, Karibik—Otavi, Windhuk—Keetmans- hoop und Keetmansyoop—Lüderitzbucht. Für die Siche rung der Viehzüchter in der Gegend direkt liördlich des Oranjeflusscs soll der Ort Warmbad ein Blockhaus und eine größere Garniwn erhallen. Alle Farmer und Händ ler. die sich außerhalb der 100 Kilometerschutzlinie an siedeln und bewegen, tun dies auf ihre eigene Gefahr. Mit der Zeit soll der Radius dieser Schußlinie stetig ver größert werden, bis in absehbarer Zeit die gesamte Kolonie gesichert sein wird. Es wird von Besprechungen, die der Kolonialdirektor mit dem Gouverneur v. Lindequist sofort nach seinem Eintreffen in Deutschland abdalten will, ab hängen, wieviel Truppen für diesen Zweck die zukünftige Belegung des Schutzgebietes auf Grund dieses Plane bilden müssen. Oberst v. Deimling dürfte für eine solche Entscheidung weniger in Betracht kommen. Herr v. Linde quist, und nicht der jetzige militärische Oberbefehlshaber, ist der Mann, der in zehn Jahren — eine fo lange Frist scheint man sich für die endgültige Beruhigung des Lande gesetzt zu haben — von der Richtigkeit dieses Kalküls Rech nung ablegen muß. Für die nächsten zehn Jahre scheint man auf Grund dieses Plaues in der Kolonralabteilung mit einem dauernden jährlichen Zuschuß von etwa 30 Millionen zu rechnen. Unberührt bleibeu davon die außerordentlichen Aufwendungen, wie sie durch die Wie dereinbringung der Bahnvorlage Kubub—KectmanSkoop und die weitere Entschädigung der Ansiedler dargeitellt sfin werden. Ob im Parlament hei der immer «och prekären Finanzlage deS Reiche» für diese beabsichtigten Aufwendungen genügend Stimmung vorhanden sei» wird, kann erst die Zukunft lehren. Wegen der Ansiedlereat- schädigung hat Dernburg sebr sympathische Pläne. Er will anscheinend eine Beihilfe hauptsächlich nur in Form von Zuteilungen von Vieh an die geschädigte« Farmer vom Reichstage fordern. Ansiedler, die das Schutzgebiet verlassen wollen, und Händler dürsten von den Benesiziea weiterer Entschädigungen ausgeschlossen sein." Weiter wird zu den Plänen Dernburgs mit Bezug auf Ostafrika mitgeteilt, daß die Rupienwahrung durch die Markwährung ersetzt und die Salzsteuer beseitigt werde» soll. Ebenso habe Dernburg die Einsetzung einer parlamen- torischen Untersuchungskommission beim Reichskanzler be fürwortet. Man wolle sich dabei an amerikanische Vorbilder halten. Dernburgs Wahlspruch sei: „Wo nicht» zu ver bergen ist. ist auch nicht- zu entbülle»." DaS klingt ver heißungsvoll. Es wäre erfreulich, wenn eS Dernburg ge lingt, seine Anschauungen gegenüber sehr mannigfaltige» Widerständen zur Geltung zu bringen. flairer Ailbelm tt. und die vvrimtinek. In diesen Tagen erscheint im Verlage von I. F. Leh mann in München ein Buch des Grasen Reventlow „Kaiser Wilhelm II. und die Byzantiner". Es wird viel beachtet werden. Mit Recht. Leioet es auch, nach den vorliegenden Proben zu schließen, an einigen Ueoertreibungen und Ein- seitiakeiten in der Beurteilung, so zeichnet es sicherlich treff lich das Wesen des neuzeitigen Byzantinismus, der sich um Kaiser Wilhelm II. breit macht. Und von dem. waS über des Kaisers Charakter gesagt wird, ist vieles beherzigenswert. Aus den uns vor dem Erscheinen Les Buches gütigst zur Ver fügung gestellten Druckbogen geben wir hiermit einige Be merkungen über den Kaiser selbst wieder, dann Auslassungen über verschiedene Arten des Byzantinismus: höchst merkwürdige Erscheinung im Wesen Kaiser II. ist. daß trotz seiner ausgesprochenen Neigung zum absoluten Herrschertum und dessen äußerer Be tätigung, er sich im persönlichen Verkehr mit Kreisen, in denen er sich wohl fühlt, dasselbe ganz ablegt. Das tritt speziell aus seinen cseereljen hervor, während feiner Be tätigung als Svorrsmann, überhaupt, wenn er, wie die byzantinische Presse jo schön sagt, sich eine Zeitlang der Regierungssorgen ledig fühlt. Daß ein Monarch da- Be dürfnis nach privater Geselligkeit besitzt, ist nur natur- lich, auffallend dagegen der schroffe Wechsel im ganzen Ge haben, welcher übrigens in minderem Grade auch bei Kaiser Friedrich III. vorhanden war. Bei Wilhelm II. ist er aber jo schroff, daß er alle in Erstaunen setzt, die Ge- legenbett gehabt haben, beides zu beobachten, sie erhalten den Eindruck, daß der Kaiser als Monarch und der Kaiser als Menich zwei verschiedene Wesen sind. Diese merk würdige Vielgestaltigkeit tritt übrigens auch in anderen ,Zollen hervor zumal dann, wenn er mit Leuten zusammen kommt. und sie in seiner Eigensclxift als Monarch emp fängt von denen er weitz, daß sie für den von ihm als Ideal betrachteten Monarchenbcgriff keinen Sinn haben: ich erinnere nur an jene Audienz die Cecil Rbodcs bei Kaiser Wilhelm hatte. Dieser ungekrönte König kokettierte in einer Weste mit <einer formlosen Persönlichkeit, die bis zur böchsten Unmanier ging. Amerikaner baben es auch so gemocht, und der Kaiser ging auf ihre Art ein." , Im Abschnitt über „Empfänge, Feste und Kunst" lesen vir folgende Stellen: ,Als Herde der byzantinischen Krankheit sind avch die unzobligen patriotischen Feste zu betrachten. Ihre Ab haltung gilt für verdienstlich: durch sie sollen sich die »atio- nalen Kresse zusommenschließen und einen Damm gegen die ^idslut sozialistischer Umtriebe und Ideen bilde». Der Gedanke ist ganz richtig, aber feiner Verwirklichung stehen »Wei Momente enlg-gen: nur selten hoben diese Ver einigungen einen sachlichen Kern. d. h. ei» auf reale Ziele arrichtete» Bestreben, da» durch gemenifM«« Rr-eit i» Dori oder Schrift angeftrebt wird. So ko«»1 «S de» „Eine Wilhelms
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