Ernst-Peter Fischer Von ästhetischen Momenten und poetischen Potentialen der Wissenschaft Im frühen 17. Jahrhundert entsteht die Wissenschaft, die wir heute kennen. Die Zeit nach 1600 sieht Forscher und Denker wie Francis Bacon, Johannes Kepler, Galileo Galilei und Rene Descartes bei der Arbeit, und sie sorgen für die Geburt der westlichen Wissen schaft, deren Anwendung Europa in den kommenden Jahrhunderten stark macht und immer stärker werden lässt. Den ehernen Grundsatz dieser damals neuen Wissenschaft hat am besten ein Dichter formuliert, nämlich Bertolt Brecht, der seinem Helden im »Leben des Galilei« die viel zitierten Worte in den Mund legt: »Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern.« Wohlgemerkt, es geht Brecht und Galilei nicht um ein, sondern um das »einzige« Ziel der Wissenschaft, und von einem Erkennen der Wahrheit ist dabei offenbar keine Rede. Anders ausgedrückt, alle damals initiierten Versuche, Wissen über die Natur zu bekom men, dienten ausschließlich der Zunahme der Möglichkeiten, die Natur zu beherrschen und ihre Gesetze zu nutzen. Menschliches Wissen bedeutete menschliche Macht, und das war lange Zeit gut so - nicht nur im 17. Jahrhundert, sondern bis weit in unsere Gegenwart hinein. Ethische Probleme waren dabei vom Grundsatz her und von vornher ein ausgeschlossen, da die wissenschaftliche Rationalität und das Gute zusammenfielen und als identisch galten. Die Kopernikanische Konsequenz Mit ihren schon früh weitreichenden Erfolgen sorgten die Naturwissenschaften aller dings auch dafür, dass in ihnen kein Erleben mehr stattfand. Ihre Disziplinen verschrie ben sich nämlich zunehmend einer allzu strengen und leblos wirkenden Rationalität und ließen die an Erfahrungen gebundenen und durch Erleben möglichen Wege des mensch lichen Verstehens aus. Die heute viel zu selten gestellten Fragen lauten, warum es zu die ser Entfernung vom Anschaulichen gekommen ist, warum dies nicht so bleiben kann, und wie sich daran etwas ändern lässt. Es gibt einen Moment in unserer Geschichte, in dem sich die Trennung von Wissen und Erleben vorbereitet. Es ist die Kopernikanische Wende, also der Wechsel von einer geo zentrischen zu einer heliozentrischen Betrachtung des Kosmos, in dem wir Menschen näher an die Götter heranrücken. Das Umdenken am Himmel, das im 16. Jahrhundert eingeleitet und im 17. Jahrhundert - vor allem dank der Mühen von Johannes Kepler -