Christoph Zuschlag Die Dresdner Ausstellung »Entartete Kunst« 1933 bis 1937 Das Thema »Entartete Kunst« verbindet sich im öffentlichen Bewußtsein vor allem — wenn nicht ausschließlich - mit der gleichnamigen, berühmt-berüchtigten Ausstellung, die am 19. Juli 1937 in den leer geräumten Räumen der Gipsabgußsammlung des Archäologischen Instituts der Uni versität München in den Hofgartenarkaden eröffnet und anschließend bis 1941 in wechselnder Zusammenstellung in zwölf weiteren Städten des damaligen Reichs gezeigt wurde. In München waren rund 600 Werke von etwa 120 Künstlern zu sehen. Zuvor hatte Adolf Ziegler, der Präsident der »Reichskammer der bildenden Künste«, ausgestattet mit einem Erlaß von Propagandaminister Joseph Goebbels, in einer nur wenige Tage dauernden Blitzaktion die wichtigsten Sammlungen moderner Kunst in Deutschland heimgesucht, Hunderte von Kunstwerken beschlagnahmt und nach München transportieren lassen. Auf diese erste Beschlagnahmeaktion folgte bald darauf eine zweite, weitaus umfangreichere. Insgesamt wurden an die 20 000 Kunstwerke beschlagnahmt, davon etwa ein Drittel Bilder, Skulpturen, Aquarelle und Zeichnungen und zwei Drittel Druck graphiken. 1 Das Spektrum der in der Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« vertretenen Kunststile reichte vom deutschen Impressionismus über den Expressionismus bis zu Dadaismus und Konstruktivismus, von Künstlern des Bauhauses und der Abstraktion bis zur Neuen Sach lichkeit. Besonders heftig wurden die Expressionisten attackiert, namentlich die Künstler der Dresdner Gruppe »Die Brücke«. Am 18. Juli 1937, also am Tage zuvor, hatte Adolf Hitler die »Große Deutsche Kunstausstellung« im neuerrichteten »Haus der Deutschen Kunst« eröffnet. Beide Ausstellungen lagen in unmittel barer Nähe zueinander und waren von der nationalsozialistischen Propaganda gezielt als Kontrast veranstaltungen inszeniert worden. 2 Während die Bilder und Plastiken in den großen lichtdurch fluteten Sälen des »Hauses der Deutschen Kunst« betont großzügig und übersichtlich präsentiert wurden, zeichnete sich die Ausstellung »Entartete Kunst« durch ein ganz andersartiges Präsenta tionskonzept aus: Extrem dichte Hängung in engen und halbdunklen Räumen erzeugte den Ein druck von Chaos. Die Ankaufspreise, teilweise hohe Inflationssummen, wurden angegeben, um die Empörung der Besucher über die angebliche Verschleuderung ihrer Steuergelder hervorzu rufen. Diskriminierende, polemisch-aggressive Wandbeschriftungen appellierten an bereits vor handene Aversionen gegen die Moderne und schürten zugleich antisemitische und antikommu nistische Ängste (der NS-Slogan lautete »jüdisch-bolschewistische Kunst«). Auf diese Weise wurde die Stimmung aufgeheizt und der Haß der Besucher gleichermaßen gegen Künstler und Kriti ker, Händler und Museumsleiter gerichtet. Einer der angegriffenen Museumsdirektoren war Paul