52 Holger Starke Wo sind die Verlierer der Geschichte? Arbeitsrecht und Ausgrenzungen während des Durchbruchs der Industriegesellschaft in Sachsen und Dresden Niedergang und Krisen gehören wie Aufbruch und Aufschwung zur Geschichte der menschlichen Gesellschaft. Das Entstehen und Vergehen von Stämmen, Völkern und Gesellschaften sind, ebenso wie die Verlagerung wirtschaftlicher und politischer Macht zwischen Staaten, Regionen und Organisationen oder gleichartiger innergesellschaft licher Veränderungen, ein ständig ablaufender Prozess mit weitgehend offenem Aus gang. Trotz der enormen Fortschritte der Methoden in den Geisteswissenschaften ist eine Prognose über den künftigen Weg der Gesellschaft heute kaum leichter zu formu lieren als früher. Wer wagt schon eine Voraussage, wie die Welt in wenigen Jahrzehn ten - so sie denn angesichts des Klimawandels noch bewohnbar ist - aussehen wird, auf welchen wirtschaftlichen Grundlagen die postindustrielle Gesellschaft stehen wird, wo sich deren politische und ökonomische Machtzentren befinden werden, von und über welche Organisationsformen Interessen artikuliert und vertreten werden, welche Sozial struktur diese Gesellschaft aufweisen und welche Hierarchien sie prägen wird? Und wie der weitere Weg derjenigen und der Umgang mit denjenigen sein werden, die den Anforderungen des härter gewordenen, über Ländergrenzen ausgetragenen Konkur renzkampfes nicht mehr genügen? Doch was hat das alles mit dem 19. Jahrhundert zu tun? Nicht eben wenig, da die Parallelen zur Gegenwart kaum zu übersehen sind. Nur lief damals alles im kleineren Maßstab, in andersartigen Formen und mit anderen Akteuren ab. Da sind zum einen die Fortschritte von Wirtschaft und Wissenschaft, die Erweiterung des (Bildungs-) Horizonts der Menschen, die Professionalisierung der Verwaltung, die Verbesserung der medizini schen Betreuung, der steigende Wohlstand der Gesellschaft und vieles andere mehr. Da sind zum anderen das verbreitete Unbehagen über den Verlust des »Natürlichen« und der vertrauten Kulturlandschaft, das Verschwinden traditioneller Strukturen im Zuge ihrer Vergrößerung und Vergröberung, die Auflösung gesellschaftlicher und familiärer Bindungen, die Vertiefung sozialer Gegensätze, die Veränderung ökonomischer Bezie hungen und die stärkere Inanspruchnahme der Umwelt. Und schließlich ist die Formie rung von Abwehr- und Gegenbewegungen zu nennen, die Instrumentalisierung und Kommerzialisierung aushalten müssen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde rege über den Weg der Gesellschaft debattiert. Ein wesentlicher Punkt war der Umgang mit der neuen Armut - mit jenen Menschen, die aus