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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192805213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19280521
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19280521
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-05
- Tag1928-05-21
- Monat1928-05
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1928
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wirtlich gefährliche Teil bereits glatt balliert war, ein lieicken und Beweis, daß ein Ansteigen tatsächlich nicht ersvrderlich gewesen ist. Krastwaqenführer Hops, der bereit» einige 100000 Kilometer Fahrtstrecke zurückgelcgt hat, ohne auch nur einmal sich eine Ordnungsstrafe zuzuztehen, wurde nach erfolgter gerichtlicher Bernekunung alsbald wieder aus der Hast entlasten Der Autobus wurde von der Dresdner Feuerwehr wieder fahrbar gemacht und am Sonnabend nach dem Devot zurüekgebracht. Das Befinden der Ber ichten im Fvhanniterkrantcnhaus ist befriedigend. Vermischtes. Das Unwetter an der Allste von Sizilien. DaS Unwetter an der sizilianischen Küste, bei dem eine Anzahl Fischerbarken durch den Sturm in das offene Meer hinnuogetriebeu wurden, hat anscheinend noch wei tere Opfer an Menschenleben gefordert. Man besürchtet, dast vier Fischer, die sich in einer der vermißten Barten befanden, ertrunken sind. Wie gemeldet, wurden bereit» fünf Leichen geborgen, so das; dem Unwetter neun Per sonen znm Opfer gefallen sein dürften. Erdstö s; e i n K Ieinas, e n. In der Freitag-Nacht wurden bis 4 Mir fünf Erderschütterungen in verschiedenen Abständen in Demirdji bei Kutalüa verspürt. Eine schwache Erschütterung wurde bereits Freitag um 5 Uhr nachmittags bemerkt, und um 7 Mir folgte em starker Erdstoß. S ch i s fs z u s a m m e n st o h im Triester Hafen. Im Hasen von Triest erfolgte in der Freitag-Nacht ein Zusammenstoß zwischen dem schwedischen Dampfer Frei; ltMO Tonnen; und dem jugoslawischen Dampfer Pal h',6ü Tonnen) der Fadranska Plovitba Der jugoslawische Dampfer, der eine Besatzung von 20 Mann hatte und eine Holzladung sübrte, ging unter. Das vom Hafenkommando eingcleitete Hilsswert, an dem sich auch die Mannschaft des schwedischen Schisses beteiligte, hatte den Erfolg, daß die gesamte Mannschaft des jugoslawischen Dampfers gerettet werden konnte. Tod durch ein K n o cii e n t e i l cli e n. In Gelsen kirchen drang dem Uhrmacher Stader ein Knöchelchen in Pie Lnitröhre, als er in einer 'Wirtschaft eine Tasse Fleisch brühe trank. Er sprang aus, rang entsetzt nach Luit und stürzte einige Augenblicke später zu Boden. Nach gual- oollem Ringen trat der Tod durch Ersticke» ein. B o n der u o h lensäurc gctötc t. In dem Dörte Drcntow bei Putlitz ereignete sich, wie die Boss. Heilung meldet, Sonnabend vormittag durch die Unvor sichtigkeit des Gastwirts Becker ein eigenartiger Unfall. Der Gastwirt hatte die Kohleniäureslasche ohne Manometer direkt mit dem Bierfaß verbünde '. Beim Oessnen der Kohlensäureslasche wurde — offenbar durch den lieber« druck — der gußeiserne Bersch-uß herausgerisscn, der dem Gastwirt den Kopf zerschmetterte. Großes Einbrecher- und Heßlern e st i n Berlin ausgeßoben. In Berlin ist cS der Kriminal polizei gelungen, einen WolmungSeiubruch auizukkäreu, bei dem für 20t»00 Reichsmark Tatelsilbcr, Lchmucksachen und Kleidungsstücke Dieben in die Hände gefallen waren. Im Zusammenhang damit wurden zehn Einbrecher und Heßler, darunter lange genlcßle Spezialisten, erwischt. Die Auf klärung konnte dadurch erfolgen, daß bei Berwandten des einen Einbrechers, namens Kascha, Sachen gesunden wur den, die von dem Diebstahl verrührten. Der Führer der Bande, der 97 Jahre alte Otto Mtnntg, hatte die Spezialität, durch Bekanntschaft mit Dienstmädchen Ein- bruchSgelegenhxit auszukundschaftrn. Bei einem Hehler wurde eine Vorrichtung »um Gtlberschmel»en gefunden, neben der noch Reste der gestohlenen Sackten lagen. Anklageerhebung gegen den Posträuber Hein. Gegen den Pvsträuber und Mörder Hein ist, wie der Lokalanzeiger aus Kvburg meldet, jetzt -die Anklage erhoben worben. In drei Fällen — in Jena, Plauen und Untersiemau — lautet sie auf Mord und in zwei Fällen — Jena und Plauen — auf versuchten Mord. Wann die Hauptverhandlung stattfindet, steht noch nicht fest. Drei-Ehe! Da» Schöffengericht Marienburg in Ostpreußen hat den Melker Benkendorf »u sieben Monaten Gefängnis verurteilt, weil er im Jahre 1913 »um ersten, 1918 zum »weiten und 1925 »um dritten Male geheiratet hat, ohne geschieden zu sein. Treibereien gegen Deutsche in Ostober« sckilesien. Die polnische Presse, insbesondere das Organ des Woiwoden Grazhnski, die PolSka Zackwtma, drohen den Eltern, die für ihr« Kinder die vom Volks- bund vorgeschlagene Erklärung abgeben, an, daß sie »ur gerichtlichen Verantwortung gezogen werden, wenn sie eine falsche Erklärung abgeben. Ebenso wird den Eltern, die irgendeine Konzession für Monopolverkauf in Händen haben, die Entziehung gedroht, wenn sie ihre Müder nicht der polnischen Schule »uführen. — Bom Bolksbund war den Eltern empfohlen worden, die Erklärung, daß da» Kind nur die deutsche Sprache spricht, nur unter der Ver ¬ antwortung gegen sich selbst abzugeben. Die Radsportleistung eines 82jähriaen. Der 82 jährige Hotelier Werner aus Ramstein bei Trier war vor einigen Wochen zu einer Deutschlandreise aus dem Rade ausgebroche». Er hat 14000 Kilometer auf dem Rade zurückgelegt und ist überall festlich begrüßt worden. Auch der Reichsvräsioent hat den Altmeister des Radsport» empfangen und hat ihn durch« Ueberreichung seines Bildes mit eigenhändiger Unterschrift geehrt. Als der greise Sportler heimkehrte, wurde er von dem Bund der Rad fahrer zum Ehrenpräsidenten des Bundes ernannt und durch die Ueberreichung der goldenen Ehrennadel des Bundes ausgezeichnet. Die Trompete und das Ende des Welt krieges. Im städtistlwn Heimatmuseum zu Menden in Westfalen befindet sich die Trompete, die das Ende des Weltkrieges ankündigte. Sic wurde in der Nacht vom 7. zum 8. November 1918 von dem Stabstrompetcr Zebrowskv geblasen, um die Ankunft der deutschen Waffen stillstandskommission anzukündigen, als diese die feindliche Kampflinie überschritt. NIMM M Aella — Imte M Mm. vdz. Nach einer Meldung aus Teheran ist im Persi schen Golf ein Segelschiff mit 7 2 männlichen und w e i b l i ckre n P i l g e c n an B o r d in f o l g e eines Zusammenstoßes mit einem Dampfer gesun ken. .Wenn man weiß, in welch elenden Fahrzeugen, die man sich scheut mit dem Namen „Schiff" zu bezeichnen, sich die Mekkapilgcr dein Wasser anvcrtrauen, wundert nian sich eigentlich, nur, daß nicht mehr derartige Kata strophen bekannt werden. Diese Pilgerfahrten sind ein großes Geschäft. Wenn ein europäischer oder amerikani scher „bunncß-mcin" es in die Hände bekäme, würden die Pilger sicher bald allen „Komfort der Neuzeit" — auch auf den rra»«vortschisfen — genießen können. Sie be- zahlen wirklich , genug, um das eigentlich verlangen zu dürfen. Wie tief sie m die Börse greifen müssen, schildert W., p. M«, der Verfasser de» sehr aufschlußreichen Buches ..Zwischen dem Teufel und dem Roten Meer" (F. Äf,vrochha»S.Sew»1g) nachstehend: Die Städte de» „Hedja»" leben «„»schließlich von der Pilgerfahrt, von der „Hadi". Ist die Hadi gut ge- wesen, dann strömt Geld tn» Land — Mekka und Medina leben aus, die Kaufleute in Djibda haben ihre Waren teuer an die Pilger losgeschlagen und deren Kleinode, Tep- ptck^ und Waffen billig anaekaust, al« sie am Ende der Ptl- ^rsahrtli^ohne Pfennig dastanden. Alles ist zufrieden, Wehe aber, wenn die Pilgerfahrt schlecht ist, wenn die Pilger ausbleiben! DaS bedeutet im ersten Jahre Armut, im »weiten Jahre schon Hunger und Not. Der Hedias lebt von den Pilgern, und wa» er von seiner Regierung verlangt, ist ein»: Solche Bedingungen itn Lande zu schaffen, daß die Pilger gerne kommen und lange bleiben. Weil König Hussein dies nicht verstand, rührte sich keine Hand für ihn, als ihn Ibn Sa'ud «„griff. Weck Ibn Sa'ud in einem einzigen Jahre vollen Frie den im Hedias hergestellt hat und infolgedessen hie Hadi gut war, ist seine Herrschaft trotz der Unzufriedenheit vieler, denen er zu scharf auf die Finger sieht, gesichert KSIlmi der MUMlm M «ll PnU X Köln. Bor einem Krei« geladener Gäste wurde am Sonnabend die KmiftanAffeffmia «ns der Vreffa eröffnet. Der Kölner Architekt Brantzky hat mit einem Raum de» Kyngreßbause« unter dem Turm den Ausstellern einen ge schmackvollen und materialgerechten Raum gegeben. Namen« der An«ftellunaSleituna eröffnete Brofeffor JunghannS- Diiffeldorf da» unternehmen, da« von einem kleinen Kreis Kölner, Düffeldorfer und anderer rheinischer Künstler ge tragen wird. Tr wie« darauf bin, daß Künstler von wesent licher Bedeutung auf der Düffeldorfer Großen Kunstaus stellung nicht »« Worte gekommen seien und sich darum an die Stadt Köln gewandt hätten. Oberbürgermeister Dr. b. «, Adenauer betonte, daß die Tatsache der Kunstausstellung im Rabmen der Breffa einiges Aussehen erregt hätte. Die Kunst müsse unbedingt frei fein, und eine Folge dieser Frei heit sei, daß die Stadt Köln ernsthaften Künstlern, die ihre Werke ausstellen wollten, dazu Gelegenheit gebe. Der Besuch der Breffa durch Angehörige und Vertreter aller Staaten und Knlturländer erheische, daß auch jene Träger des Geiste« ihr Schaffen zeigen, die als Künstler der Farbe Mitwirken, den Ruf Deutschland« im Auslande zu heben nnd »u festigen. Wsmg btt MnbemMm.MtlMM- LMM". )l Stuttgart. Sonnabend vormittag wurde in Ge genwart der Vertreter der württembergischen Regierung, der staatlichen und städtischen Behörden, des deutschen Aus- landsinttituts, der WirtschastSverbände und der Gewerk schaften die von der österreichischen Regierung veranstaltet« Sonderausstellung „Deutschland-Oesterreich" im Städtischen AuSstellungSgebäude se erlich eröffnet. Begrütznngsau- sprachen hielten Bürgermeister Dr. Klein für die Stadt Stuttgart, Konsul Dr. Werner namens der österreichischen Regierung, Stadtrat Speiser für die Stadt Wien, sowie Staatspräsident a. D. Dr. von Hieber. warten müssen. Aber nun soll deine Prüfungszeit beendet sein, ich will es so." Langsam entkleidete er sich und legte sich nieder. Dann mischte er, während sein Haar sich zu sträuben schien, den Todestrank und goß ihn auf einmal hinunter. 25. Kapitel. Wieder waren zwei Jahre vergangen, und der Sommer neigte sich seinem Ende zu. Noch spielten warme Lüfte in grunbelaubten Zweigen, aber die Nächte waren schon kühl, und Marienfäden glitzerten in der Luft. Als Therese damals so plötzlich Witwe geworden war, stand ihr die ganze Welt offen. Sie konnte reisen, wohin es ihr beliebte, brauchte sich keinen Genuß zu versagen, denn ihr verstorbener Gatte hatte mehr Geld hinterlassen, als sie je Hölle vermuten können. Sie war eine reiche Frau, eine begehrenswerte Partie. Und doch haue sie dieses einsame Haus nach dem Tode ihres Mannes nicht mehr verlassen. Sie war eine Einsiedlerin geworden. Mit Groß' Dahinscheiden waren alle Kämpfe für sie beendet, Frieden in ihre Brust gekommen und das Behagen am Besitz. Anfangs war ihr wohl der Verdacht gekommen, daß Groß absichtlich aus dem Leben gegangen sein könne. Aber er hatte auch dies oorhergesehen und dem Förster unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, daß er Morphinist sei. Günter hielt es für seine Pflicht, dies jetzt zu offen- baren, dadurch wurde allen Vermutungen und Schwatzereien vorgebeugt, und man war überzeugt, Groß habe aus Ver sehen eine zu große Dosis zu sich genommen, nachdem der Arzt festgestellt hatte, daß es sich um eine Vergiftung durch Morphium handelte. Auch Therese beruhigte sich bei dem Gedanken, daß Ihr armer Mann das Opfer eines verhängnisvollen Zufalls geworden sei. Sie gedachte stets in großer Verehrung und Dank- barkeit feiner und lebte sich hier so ein, daß sie eine wahre Scheu davor hatte, wieder mit Menschen zusammenzu kommen. Als das Trauerjahr um war, frcmte Graetz an, ob er kommen und sie holen dürfe. Sein Schreiben war so un» gcsiüm, so von Leidenschaft durchweht, wie Therese ihn gar nicht kannte. Ein süßes Erschrecken durchzitterte sie. Sollte sie doch noch glücklich werden, ihr Heiz noch zu seinem vollen Recht kommen? Aber das Schicksal hatte sie zaghaft gemacht, es war I!r unmöglich, mit kecker H^nd nach den Blüten der F-e:de zu greifen, die jetzt an ihrem Lebenswege empor- spioßleu. Sie antwortete Graetz, daß er warten möge, bis sie ilm luse. Groß stehe noch zwischen ihnen, es sei noch viel, ivos sie in ihrem Innern zu überwinden habe. Darüber mar der Winter vergangen und der Sommer gekommen, ohne daß Therese sich zu einem entscheidendem Sckuiil entschlossen hätte. Wohl liebte sie Graetz tiefer und inniger denn je, aber auch hier hielt es sie mit starken, unzerreißbaren Landen. L eun der Sturm daherbrauste, lief sie ihm entgegen, wenn der Regen gegen die Fenster schlug, spann sie Träuine. Eirahlie die Sonne, so war sie im Walde zu finden, und starrte alles in Lis und Schnee. lo schaute lie andächtig und sehnsuchtsvoll ins Weite und pflegte im Hause die s Blumen mit verdoppelter Sorgfalt. ! Im Sommer war Susanne kurze Zeit hier gewesen. Länger als zwei Wochen hatte sie es nicht ausgehalten und den Kopf über ihre schöne, reiche Schwester geschüttelt. „Therese verdummt dort in der Einöde," berichtete sie später ihrer Mutter, „sie macht den Eindruck einer alten Jungfer, trotzdem sie noch recht passabel aussieht. Die heiratet ganz sicher nicht zum zweiten Male. Nun, eine Erbtante in der Familie ist gar nicht so übel." Frau Lamprecht sagte nichts dazu. Sie grämte sich in der Stille um Thereses Geschick und wußte doch nickst, wie sie es ändern sollte. Sie war im tiefsten Herzen dank bar dafür, daß sie sotglos dahinleben durfte. Sie erhielt dieselbe Rente, wie zu Groß' Lebzeiten, und Therese hatte sie ihr für immer zugesichert. Sie gab ja so gern. Andere zu erstellen, ein wenig Vorsehung zu spielen, darin lag auch ein Glück. Di« Armen im nächsten Dorf wußten von ihrer Herzensgute zu erzählen. — In der Nacht war ein Gewitter niedergegangen, und aus ^en Waldwegen standen noch große Wasserlachen. Die Luft aber war so klar und balsamisch, dabei fo köstlich warm, wie im Hochsommer. Therese hatte Lhre Hängematte dem Hause gegenüber am Waldesrande zwischen zwei weitästigen Buchen befestigt und es sich bequem darin gemacht. Sie hatte sich in einen Roman von Rudolf Herzog vertieft und war, trotzdem sie leicht schaukelnd die Hängematte hin und her bewegte, der Außenwelt vollständig entrückt. Ein Wagen, eine leichte Chaise, fuhr langsam der» steilen Weg, der zur Försterei und an dem Großschett Hause vorbeiführte, hinauf. Eine Dame und ein Herr im Reiseanzug saßen im Wagen. Der Herr, eine hagere, vornehme Erscheinung mit leicht ergrautem Haar, stieg aus. Er atmete tief uni; dehnte die Glieder. Die köstliche Höhenluft tat ihm sichtlich wohl. Sein Gesicht war krankhaft bleich und vergrämt, und die Augen verrieten, daß sie beim Lampenlicht strapaziert wurden. Sobald man ihn jedoch näher ansah, mußte mm!» erkennen, daß er die Mitte der Dreißig noch nicht über schritten haben konnte, seine Bewegungen waren elastisch. Rasch stieg er die vier steilen Stufen hinauf, die zu dem Plateau emporführten, auf dem das einsame, stattliche Haus stand. Unschlüssig näherte der Herr sich dem Hause, scharf spähten seine grauen Augen hinter dem Kneifer hervor. Da entdeckte er zwischen den tiefhängenden Zweigen das weiße Kleid und die Hängematte. Unwillkürlich legte er die Hand aufs Herz, denn es ging Unbeschreibliches tn ihm vor. Dann schritt er langsam über den Borplatz zum Waldesrande hist. Erst als sein Schatten auf da» Buch fiel, in welchem Therese la», sah sie auf. j Sekundenlang ruhten ihre Blicke fragend, suchend auf dem schmalen, vergrämten Gesicht de» Mannes, dann flog das Buch zur Erde und sie selbst aus der Hängematte direkt in zwei weitausgebreitete Arme hinein. „Therese, ach Therese l" sagte Graetz, und seine Rechte . strich zitternd über ihr dunkles, schimmerndes Haar. „Ist e» kein Traum? Halte ich dich wirklich?" I Ich denke wohl, du hast dir ein Recht darauf e» en, Martin, der Treue schönster Lohn ist endliche Ver- Sie weinte und lachte Und zog ihn tief in die lauschigen Wege des Forstes hinein. „O Martin, ich wagte nicht mehr, an Glück und Sonnenschein zu glauben. Wie unendliches Leid ist seit jenem Abend, wo du mir den ersten Kuß gabst, über mich gekommen!" „Auch über mich, du einzig Geliebte! Was ich meiner Liebe wegen erduldet, war grausame Qual. Ich bin alt und grau dabei geworden, und nicht noch einmal möchte ich die schreckliche Zeit durchleben." Nein, er war gewiß nicht mehr der Graetz mit dem frischroten Gesicht und der derben, gedrungenen Gestalt. Der Gram hatte an ihm gezehrt, der eiserne Wille scharfe Falten in seine Züge gegraben. Was focht das Therese an ? So wie er vor ihr stand, liebte, vergötterte sie ihn, den einzigen Mann, dem ihr Herz sich je zugewendet. Und wäre sein Haar schneeweiß gewesen, sie hätte ihn doch lieben müssen, an dem sie hing mit jeder Faser ihrer Seele. „Und wirst du meinetwegen dein beschauliches Leben hier aufgeben?" fragte Martin bange. „Wo du bist, da ist auch mein Platz," sagte Therese schlicht und legte den dunklen Kopf an seine Brust. „Was du auch getan hast, immer war es das Rechte, das habe ich längst einsehen müssen. In deinem Schutz, unter deiner Fürsorge werde ich wohlaeborgen sein." „Ich danke dir für so gute Worte," sagte Martin tief bewegt, „und allezeit wird Lein Glück meine größte Sorge sein." Und dann zog er sie jubelnd fester an sich. „Therese, Geliebte, dieser eine Tag entschädigt schon für alles, was ich erduldet! Wie soll ich, ich Stiefkind der Götter, nur so viel Glück ertragen!" worben, einigung." Er küßte ihr die Worte von den Lippen, er war wie qusgetauscht, der nüchterne, verständige Graetz. Und so wie er sich das bräutliche Glück ungezählte Male vorgestellt von keiner materiellen Sorge beeinträchtigt, so genoß er e» nun in trunkener Freude. „Und was wird mit dem einsamen Hause?" fragte er, nachdem Therese sich sanft seinen Liebkosungen entzogen. „Hier möchte ich mit dir zusammen jeden Sommer ein paar Wochen leben." „So dachte ich es mir auch, mein Herz. Ich kann jetzt nach Belieben reisen, denn ich habe einen treu ergebenen Mitarbeiter und Bertreter im Geschäft, der es ganz in meinem Sinne leitet. Errätst du, wer e» ist?" „Berthold l" rief Therese, nachdem sie nur wenig« Sekunden nachgedacht, „nur diesen bewährten, unschätz baren Freund kannst du meinen." Graetz nickte. „Tausend Grüße sendet er dir, »md kann die Zeit kaum erwarten, wo er Sonntags Ms Ehrengast an unserem Tische sitzen wird. . .. AVer mm komm' zu deiner Mama, sie ist noch im Wagen gebüeben und wartet wohl voll Ungeduld aus dein Erscheinen." „Mama ist auch hier? Und dos sagst du erst jetzt?" Und wie ein junge« Mädchen stürmte Therese davon, einem neuen Leben entgegen. Trauer und Schwermut hatte sie abgetan, und ihr Helle» Lachen erfüllte wieder wie einst da. Hau«. Mtt ihrem gleichmäßig heiteren Sinn war sie der Sonnenschein ihrer Umgebung.
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