02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041010024
- PURL
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 nach den Familiennach- richten l6 gespalten- 50 Tabellarischer und Zisfernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofserlenannahme 25 Annahmrfchlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Vcilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-A^sgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, m't Postbeförderuug 70.—- Anzeigen sind siel» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 biS abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Juh. vr. B., R. L W. Klinkhardt). Montag den 10. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Var Ulicdligrte vom Lage. * Von bayerischen Mitgliedern des Zentrums wird eine Interpellation im Reichstage in Sackten -esKaisertelegrammsan den Graf - Negen - tenvonLippe angeregt. (S. Ttsch. Reich.) * Staatssekretär des Auswärtigen Amts Frhr. von Richt Hof en ist gestern beim Reichskanzler Grafen Bülow in Homburg eingetroffen. ' In einer Konferenz der ungarischen libe ralen Partei sind dem Ministerpräsidenten Grafen Tisza, der seinen Plan einer Reform der Geschäfts ordnung oorgelegt hat, Ovationen dargebracht worden. (S. Pol. Tagesschau.) * Ueber den Zeitpunkt der Abfahrt der nach Sud an g o I a zu entsendenden Verstärkungen hat die por tugiesische Regierung noch keine Entscheidung getroffen. Wahrscheinlich wird der Feldzug erst nach der Zeit der Regenfälle wieder ausgenommen werden und dann neue Verstärkungen abgehen. (S. Ausland.) * Tie „Russische Telegraphen-Agentur" meldet, nach den erfolglosen Stürmen aus PortArthur hätten die Japaner nördlich von Asaudsian Befestigungen aufge- warfen und in In kau und anderen Punkten Kommandos zurückgelassen. Die japanischen Soldaten, die an Verpflegungsmitteln und Bekleidungsstücken Mangel leiden, sollen chinesische Christen und Mol)am- medaner ausplündern. ('S. russ.-jap. Krieg.'» Vie 5im«Its»rch«Ie uns clie ffsnlerrionen. Tie Freunde des preußischen Schulkompromisses Huben von vornherein versucht, die evangelische Be völkerung vor der Simultanschule graulich zu machen, indem sie die Behauptung aufstellten, in der Simultan schule regiere der katholische Geist und die katholische Un- duldsamkeit, während das evangelische Bekenntnis naturgemäß nicht zu seinem Rechte komme. Neuerdings verdichten sich diese Behauptungen sogar dahin, daß die Simultanschule ein gefährliches Werkzeug der Prosc- lytenmacherei von katholischer Seite sei. Eine gewisse Unterlage sucht man dadurch zu ge winnen, daß man sich auf Auslassungen des Professors Petersilsie vom preußischen Statistischen Bureau in seinem Werke „Das öffentliche Unterrichtswesen" stützt. Herr Petersilie weist auf die Tatsache hin, daß in den preußischen Simultanschulen die Zahl der katbo- tischen Kinder stärker zugenommen habe als die der evan gelischen und knüpft daran Bemerkungen, aus denen man schließen muß, Herr Petersilie sei der Meinung, es, werde ein großer Teil der evangelischen Kinder zum § katholischen Bekenntnis hinübergezogen. Petersilie! kommt indessen nicht zu der Forderung, die Simultan schulen aufzuheben, sondern zu dem sehr richtigen Vor- schlage, die Geistlichkeit beider Konfessionen von den Schulen fernzuhalten. Die Tatsache, daß die evangelischen Kinder in den Simultanschulen Preußens von 1886 bis 1901 sich nur um 19 000, die katholischen aber um 48 000 ver-! mehrten, hat indessen mit diesen Dingen absolut nichts! zu tun. Man versteht nicht recht, wie ein Mann von j Petersilies Stellung überhaupt auf diesen Gedanken kommen kann. In Preußen werden nur solche Schulen als Simultanschulen angesehen, an denen Lehrer beider ! christlichen Konfessionen angestellt sind. Irgend welche Versuche, evangelische Kinder zur katholischen Konfession hinüberzuziehen, würden also sofort zur Kenntnis der j evangelischen Lehrer kommen, und da man in den eigentlichen Gebieten der preußischen Simultanschule, in! den Ostmarkcn, gegen Uebergriffe von katholischer Seite ! besonders empfindlich ist, so würden diese Lehrer der- » artige Fälle sogleich ans Licht ziehen. Und sollten ihnen wirklich einzelne derartige Vorkommnisse entgehen, so gehört doch ein Köhlerglaube dazu, sich Vorreden zu lassen, daß Zehntausende von evangelischen Kindern auf diese Art ihrer Konfession entzogen würden. Die Fälle sind, wie man weiß, überaus selten und haben dann ge wöhnlich lebhafte öffentliche Auseinandersetzungen zur Folge. Die Vermehrung der katholischen Kinder in den Simultanschulen hat ganz andere Gründe. Sie liegen einmal darin, daß in diesem Zeiträume eine größere Zahl von Simultanschulen, die vorwiegend evangelische Schüler hatten (Berlin, Rheinland), konfessionell ge worden sind, während anderseits insbesondere in West preußen eine Vermehrung der Simultanschulen mit vor wiegend katholischen Schülern eingetreten ist. West preußen hatte 1886 30 516, 1901 dagegen 55 993 katho lische Simultanschüler. Der größte Teil der Ver- mehrung entfällt also auf diese eine Provinz, und bei den katholisch - konfessionellen Schulen ist ein entsprechender Rückgang zu verzeichnen. Außerdem kommt in Betracht, daß die Ostmarken eine starke evangelische Abwanderung und eine Verhältnis- mäßig bedeutende natürliche Vermehrung der katholisch polnischen Bevölkerung haben. Aus diesen Tatsachen ec- klärt sich die stärkere Zunahme der katholischen Schüler in den Simultanschulen. Die Schulverfassung wird hieran natürlich auch nicht das mindeste ändern. Jene Behauptungen zeigen aber, mit welchen leichtfertigen Ausstreuungen der Versuch gemacht wird, evangelische Kreise für eine politische Aktion mobil zu machen, die dem evangelischen Bekenntnis auf keinen Fall zum Vorteil ge reicht. Es darf als erwiesen gelten, daß der Protestantismus überall, wo er mit dem Katholizismus in Wettbewerb tritt, den Sieg davonträgt. Ter schlagendste Beweis da- für sind die Kinder aus den gemischen Ehen. Am 1. De zember 1900 wurden von den 670 557 Kindern aus den evangelisch-katholischen Mischehen in Preußen 381 953 evangelisch, dagegen nur 294 604 katholisch erzogen, während doch die Zahl auf beiden Seiten annähernd gleich sein sollte. Und ebenso ist es bekannt, daß die Uebertritte von der katholischen zur evangelischen Konfession weitaus zahlreicher sind, als von der evangelischen zur katholischen. Daß trotzdem der Prozentsatz des katholischen Volksteils in der Bevölkerung eine Zunahme aufweist, hat eine Reihe von naheliegenden Gründen. Einmal ist die Ver mehrung der ärmeren Bevölkerung überhaupt eine be deutendere als die der wohll>abenderen, und die katholische Bevölkerung ist im Durchschnitt ärmer als die protestan ¬ tische, ferner ist der Kinderreichtum bei den Polen ganz besonders stark, und durch die überseeische Ausnxmderung werden die evangelischen Landesteile stärker betroffen als die katholischen. Noch sinnloser als die Behauptung, in der Simultan- schule würden evangelische Kinder zur katholischen Kon fession hinübergezogen, ist die, daß in diesen Schulen der „katholische Geist" herrsche. Der Hinweis auf Oesterreich, mit dem diese Bel>auptung begründet wird, ist wertlos. Unter dem jetzigen Regiment ist freilich die österreichische Simultanschule zur Farce geworden, aber die kleinen pro testantischen Minderheiten würden sicherlich noch größe ren Uebergriffen ausgesetzt sein, wenn die Konkordats schule dort noch bestände. Länder, die seit lauge die Simultauschule haben, wie die Schweiz, Baden, Hessen und Nassau, stehen, auch was den Geist des Unterrichts anbetrifft, aus einer anerkennenswerten Höl>e. Und aus keinem dieser Staaten sind Tatsachen, die auf eine Be nachteiligung des evangelischen Bekenntnisses schließen lassen, beigebracht worden. ver Mktana Ser Herero. Allgemeiner Aufstand in Südwestafrika? Die letzte Nachricht des Gouverneurs Leutmein be seitigt alle bisher »och schwebenden Zweifel: die Wit- bois, unsere „treuen Verbündeten", haben ihren Platz Gibcon, anscheinend in feindlicher Absicht, ver lassen und die Stationen Kuis am Fffck>siuß und Hoon- bomas angegriffen. Wenn Witbois speziell in den jetzigen Zeiten ihre Wohnsitze verlassen und zwei so wichtige Stationen im Süden des Schutzgebietes angegriffen werden, so erwachsen uns insofern unabsehbare neue Schwierig keiten in der militärischen Lage, — als nach dem leider immer wieder befolgten Grund'atze augenblicklich die ganze deutscbe Macht im Sandfelre zusammengezogen ist, während ein minimaler Bruckneil unter Leutwein auf dem Wege nach dem Süden ist. „Auf dem Wege" ist schon ein sehr dehnbarer Begriff. Ferner ist zu berücksichtigen, daß sich auf diesem Marsche ebenso große Durststrecken befinden, wie im Sandfelde, in dem von Trotha operiert. Wenn Leutwein ausgesuchtes Menschen- und Pierdematerial besitzt, dann kann vielleicht auf einen schnelleren Erfolg gerechnet werden, aber es ist fraglich, ob mit neu aus Deutschland eingetroffenem Ersatz und den noch nicht an das Klima gewöhnten Pferden Eil märsche gemacht werden können. Weiter ist die inzwischen eingetretene Regenzeit in Berechnung zu ziehen, die an den Flußreviercn mitunter einen Aufenthalt von 1—2 Tagen nötig macht. Weiter ist zu berücksichtigen, ob die Bastards von Rebrbolb sich der Aufforderung anschließen werden oder nickt. Die Bastards betrachten sich nicht als „Hottentott", sondern als Weiße, sie werden aber erst gesetzlich vom 4. Gliede an — bei reiner Nachkommenschaft natürlich — I als Weiße betrachtet. Es ist dies eine Zwitterstellung des I Bastardvolkes, die aber im Ernstfälle sehr zu unseren Un gunsten aussallen dürste. Der Bastard hat seine eigtne Gemeinde, Verwaltung, Schule rc. rc., ist meinens in den Häusern Weißer aufgewachsen, bat die Eigenheiten der Deutschen wohl erfaßt und würde sie auch auSzunutzcn wissen. Es ist aber immerhin möglich, baß die Bastards in gewisser Beziehung sich neutral verhalten werden, offene Stellung zu einer bestimmten Partei werden sie nicht nehmen, denn dabei fürchten sie viel zu sehr die nachfolgende Strafe deS Siegers. Aber im Geheimen werden sie sicher die Hottentotten unterstützen. Daß ferner die Lage im Ovambolande auch ernst werden kann, bat in den letzten Tagen — wenn auch nur indirekt — der Kolonialdirekter Stübel bestätigt. Eine Schutzberrschaft im Ambolande existiert in Wirklichkeit noch nicht, und wenn die Ovambos ihre Waffen abliefern sollen, werden sie sicher der Aufforderung nicht Folge leisten. Ein Hinsetzen auf bestimmte Reservate werden sie auf keinen Fall ruhig hinnebmen. Die Ovambos sind in vielen Beziehungen den Hereros verwandt und haben bisher sogar dem Eindringen der Händler Wider stand entgegengebracht. Wenn diernacb tatsächlich ein allgemeiner Aufstand zu befürchten ist, so dürfte es sich vor allem empfehlen, daß der Höchsttommandierende den bei seinem Stabe weilenden Hendrik Witboi mit seinen Ratgebern als Geiseln bestimmt und ihnen kurzweg erklärt: „Ihr werdet alle ohne viel Umstände ausgeknüpst, wenn ihr nicht Sorge tragt, daß Eure Stammesgenossen sofort die Feindselig keiten gegen uns einstellen. Daß Hendrik Witboi stets nur eiu unsicherer Kantonist war, ist bekannt, ebenso, daß seine Taktik in früheren Kriegszügen regelmäßig darin bestand, „verspätet" zu Hülfe zu kommen, «tets hatte er alle mög lichen Gründe für sein verspätetes Eintreffen und hat bisher niemals eine wirkliche Unterstützung geleistet. Ob bei dem Zuge gegen die Herero nicht auch seine Diplomatie etwas zu den ungünstigen Resultaten TrothaS beigetragen hat? Jedenfalls versetzt uns das jetzt im Süden, Osten, Norden und im Mittelpunkt drohende Aufiodern des Aufftandes in die unangenehme Notwendigkeit, immer neue Truppen nach Südwestasrika hinauszusendeii, denen man hoffentlich neben militärisch tüchtigen Führern auch solche Leute beigibt, die Land und Leute in Südwestafrika nicht nur aus Vorträgen und Karten, sondern aus ergener Anschauung keunea. ver ru5Zi;ch-japanische Krieg. Vte japanische Minifterreöe und die Vereinigten Staaten. Aus London schreibt man der „N. Fr. Pr.": Selbst die in vollem Sclnvunge befindliche Wahlkampagne erregt kaum in Amerika eine solche Aufmerksamkeit, wie der japanische Premier und der Finanzminister mit ihren Reden. In beiden Reden erkennt man tiefe Nieder geschlagenheit und meint, es sei klar, daß die leichtherzige Siegesgewißheit, womit Japan sich in den Krieg stürzte, durch die entsetzlichen Opfer, rvelckpe Port Arthur gekostet hat, herabgemin-ert wurde. Auch kann man in Amerika Aeußerungen hören, daß die japanischen Staatsmänner erst spät die Kriegskosten sich ausrechnen. Was über die gewaltigen latenten Ressourcen Rußlands gesagt wurde, sei bloß dasselbe, was auch die besten Freunde Japans oftmals in Amerika wiederholt haben. Die Pessimisten unter den amerikanischen Japanfreunden waren anfangs wie alle übrige Welt durch den Glanz der ersten japa- nischen Siege zu Lande und zu Wasser berauscht, aber neuerdings lassen sie wieder ihre warnenden Stimmen vernehmen. Tie Rede des Grafen Okuma scheint diese ernsten Warnungen in den Augen der Amerikaner zu rechtfertigen. Nach dem knappen Auszug, welchen der Telegraph aus der Rede des Premierministers gemeldet hat, scheint dieser auch die Grenzen für die Ausdauer des japanischen Volkes zu erkennen, sowie die Grenzen dermatericllen Hülfskräfte des Landes, doch scheint er anzunehmen, daß Rußland gründlich ge- schlagen werden kann, bevor jene Grenze erreicht ist. Dies ist auch die Meinung der Japanfreunde, aber ruhige Be obachter glauben, daß eventuell doch Rußland am längsten ausl-alten werde. Tas Niveau des russisckicn Kredits spricht deutlich genug. Die japanische Gesandtschaft in Washington gibt die Meinung kund, -aß der Fall Port Arthurs und die Vernichtung der Armee .Kuropatkins, welche beide Ereignisse immer nock» in aller Ruhe von den Gesandtschaftsbea mten eskomptiert werden, die Kurse aller japanischen Werte mit einem Sprunge in die Höhe setzen müßte, während russische Fonds entsprechend zurück- weichen würden. Nach der Ansicht, die heute in Amerika vielfach geäußert wird, haben aber beide Ereignisse, auch ihre Verwirklichung vorausgesetzt, gar nichts mit der Feuilleton. 101 Ende der Welt. Eine Hochwaldidylle von Nataly von Eschstrutb. Na-druck verboten. Toni drehte seinen Grünhut zwischen den Händen und starrte in den Hochwald, welcher die Fahrstraße säumte, hinaus. Es war ihm so wunderlich im Kopf. Warum hatte er es sich eigentlich so sehr gewünscht, in die Welt hinaus zu kommen? Ganz unklar war es ihm Plötzlich. Eine Unruh war über ihn gekommen, seit im lebten Herbst ein junger Forstläufer beim Holzfällen mit ihm gescherzt hatte. „Na, Toni, allweil allein haust du droben am Pah?" „Nit allein I Der Vota und mei' Schwester sind ja daheim!" „A Schwester!" Ter andere hatte hell aufgelacht, „a Tchwcster ist doch kein' Schatz, Toni, und so ein sakrisch fescher Bub wie du muß doch sei Dirndel küssen!" Die Worte waren ihm wie Funken iw das Herz ge fallen und brannten es wund. Ja, ein Dirndel küssen! Welch' ein narrischer Gedanke. Nur das Cenzerl mochte er leiden und hatte es lieb . . zum Sterben lieb . . . aber es war seine Schwester, und so viel hatte er selbst in seiner Einsamkeit erfahren, dah man eine Schwester nicht freien kann. Auch das hatte ihm der Forstläufer klar gemacht. Da war die Unruhe, die quälende, unverstandene Sehnsucht über ihn ge kommen. „Geh' nur hinab unter die Leut'I da findst bald ein blitzsauberes Dirndel, dös d' noch tausendmal lieber hast wie dei Schwester!" hatte der Forstläufer ihm lachend versichert. Nun zog's ihn voll krankhafter Ungeduld hinab, und als er mit dem Vater ins Dorf und Schloß kam, da brachte ihn das Heimweh nach dem Cenzerl schier um! — So ging's nit an! — Mit ihm gehn muß das Dirndel, dann hat er Ruhe und dann findet er wohl eher einen Schatz, — das Cenzerl hilft ihm suchen, und was ihr gefällt, das kann er wohl auch lieb Haben. — So narrisch war alles in seinem Kopf, gar so narrisch, — er fand sich selber nicht aus damit! — Und nun? — Jessas im Himmel, das Dirndel ist ja nie im Leben fei' Schwester! west!! — Das ist so plötzlich gekommen, wie ein Schlag vor'n Kopf. Zuerst hat's ihn dösig gemacht, aber nun kommt's über ihn wie eine ganz tolle, übermütige Heiterkeit, und er fängt aus dem Stegreif an zu lachen und hat plötz lich Hunger und wirft« Lütl in die Luft und setzts jäh lings dem Philaxl', welches milgefahren ist, auf die spitzen Ohren. „Bub! was sind dös für Faxen!" lacht der Beckhaber und beobachtet unter den buschigen Wimpern hervor den schmucken Bursch, welchem alle Gedanken so gar deutlich in dem frischen Gesicht zu lesen stehn, „da guk, Cenzerl! da fangt der Hallodria ichon an!" Im Dorf steigt der Wildhüter aus, nachdem er die beiden jungen Leute noch mit viel guten Ermahnungen und Weisungen für die fremde Stadt ausgerüstet hat, — zu seiner Beruhigung steigt der Gendarm statt seiner in- die Post und verspricht dem Aloys, daß er für die beiden jungen Leute sorgen und dem Toni sogleich den rechten Weg weisen will. Tieweil die Magd des Dorfwirtshauses dem Postillon noch einen bierschäumenden Steinkrug empor reicht, stehen Toni und Cenzerl neben der ungefügen großen Kutsche, um einmal frische Luft zu schöpfen. Mit lebhaften, schier hungrigen Blicken schaut der junge Bursch um sich und wieder prickelt ihm alle Jugend- und Lebenslust durch die Glieder. „Da guck, Cenzi, gefallt's dir nit auch arg gut dahier in der Welt? Sel is das Dorf hier, das schaut in der Nähe doch noch Vie! lustiger drein, wie droben von der Lattenwand I" — Er flüstert eS leise und aufgeregt und neigt sich noch näher zu den Dirndel. „All die vielen, schmucken Häuseln beisammen! und so viel Leut'! und allweil Gelächter und Kurzweil! Wie ich mit dem Vota im Schloß war — weißt am Sonntag! — da haben's hier in dem Wirtshaus qrad a kreuzfidcle Musik macht, und getanzt haben's un getrunken, o mei'I wann 'd döS geschaut hättest, Cenzi! — Und wie mag das nun erst in der Stadt sein! Ich mein' doch, wann es uns so arg viel gefallt, blcib'n wir all bei sammen dahier unten!" Der Lindbäuerin Tochter schaute sich nur mit großen, angstvoll starren Augen um, als sei all das Fremde um sie her ein schlimmer Traum, welcher sie fürerst mehr ängstigt wie erfreut, — sie hatte auch keine Zeit mehr zu einer Antwort, denn der Schwager strich mit dem braunen Handrücken die letzten Schaumflocken von dem grauen Schnauzbart und wandte den Kopf. „Steigt's ein, ihr Leut, — i fahr'!" Dazu knallte er mit der Peitsche und der Beckhaber schob mit den letzten guten Ermahnungen seine beiden Weltreisenden in die Kutsche hinein. Fort ging's, und die Cenzi rückte noch angstvoller neben den Jugendgcspielen, während der Gendarm sein Pfeifchen ansteckte und freundlich zu schwatzen anhub. Der Toni überwand schnell das letzte Gefühl von Unbehagen, welches die Aufregung über all das Neue auch ihm schuf, und stand dem Hüter des Gesetzes Red und Ant wort, erzählte von droben, dem Hochwald, daß im letzten harten Winter gar wieder zwei Bären von den Förstern eingespürt seien und was es sonst an Besonderem da gab. Tann aber forschte er fleißig nach der Stadt und all ihren fremden Wundern, und der Gendarm schmunzelte und erzählte mit gewichtiger Miene. „Na, Augen wirst machen, Toni, über all die Feinheit! So a Getreib und Gespreiz kennt ma dahier auf'm Land schon gar nit! Und Weiberleut kannst sehn, dös glei'
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