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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1880
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1880-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18800110014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1880011001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1880011001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-01
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IW Vom Lauötaze. I ' s. Januar. In dex Kirrung derEfAen Kammer am 7. Januar fand «rne sehr auSgeoevnle Debatte über die Fortbildungsschule statt, »u welcher das zur Schlußberathuna stehende königliche Decret, die mit der Fortbildungsschule aemachten Erfahrungen betreffend, sowie mehrere von Dorfgem««den «»ge reicht« Petitionen um Herabsetzung der FortbildnimS' ichulpflichr auf zw« Lohre den Anlaß gaben. W>, komm«» bei dem allgemeinen Intcreffe, das sich an diese Frage knüpft, etwas ausführlicher auf die be irrenden Verhandlungen zurück. Dir Referent von Watzdorff-Solschwitz vertrat die Anschauung, man könne sich über die sfortbil dungsschule zur ^ioft ein endgültiges Urtherl noch nicht gestatten, gleichwohl fügte er die Bemerkung hinzu, daß nach seiner Ansicht bei der geringen An zahl der Unterrichtsstunden in der Fortbildungsschule es nicht möglich sei, eine wirkliche Fonbildung zu erreichen, und daß er auch dem erziehlichen Momente nicht die Bedeutung beilegen könne, dir ihm von vielen Seiten beigemenen werde. Das Hauptgewicht muffe er darauf legen, daß die Fortbildungsschule Helsen solle, Dasjenige zu bewahren, was die Kinder rn der Volksschule gelernt batten. Ob die Fortbildungsschule dieses leisten werde, könne man ur Zeit noch nicht übersehen, den ersten Beweis da ür würden wir erhalten, wenn die Fortbildungs scküler ln das Alter einträlen, wo sie zum Militair- dienst kämen, da die Militairbebördcn stets ein wach sames Auge aus die Rekruten gehabt hätten. Im klebrigen machte der Redner der Staatsregierung ziemlich unverblümt den Vorwurs, daß sie in ihrem Decret Schönfärberei getrieben habe. Staatsminister von Gerber wies diesen letzten Bor wurf mit aller Entschiedenheit zurück und erklärte, der Inhalt des betreffenden Decrets sei nur der mittlere Ausdruck von Demjenigen, was sich bis jetzt in Bezug aus die Fortbildungsschule tbatsäcdlicb herausgestcllt habe. Die Ausarbeitung der Vorlage beruhe auf amtlichen und pslichtmäsugen Berichten der Bezirksschulinsvectoren, welchen von Seiten der Regierung eine bestimmte Reibe von Fragen ^»gestellt worden. Eine Anzahl der Bczirksschulinspectorcn habe sich vor Beantwortung der Fragen mit den Lrtsschulinspectoren und Ortsf'ÄmIvorsländen in Be, bindung gesetzt. Bürgermeister Hirschberg trat sehr warm für die Fortbildungsschule ein und sprach die u„erschütterte Ueberzeugung aus, das allmälig die Abneigung gegen die Fortbildungsschulen sich vermindern und daß man die Mängel ihrer Organisation zu beseitigen wissen werde. Kammerberr von Erbmannsdorfs erklärte sich ebenfalls sehr für Fortbildungsschulen, weil sie das Gelernte befestigten lind das früher mehr theoretisch Gelernte jetzt in das praktische Leben übertrügen. Einen weiteren Vorzug erblickte Redner darin, daß die lungcn Leute auch ferner nach dem Verlassen der Volksschule einer Autorität unterworfen blieben. Die bei der Einbürgerung vorgekommenen Mißftände würden im Verlaufe der Zeit verschwinden. Zinn Gedeihen des Institutes könne es aber nickt beitragen, wenn man jedes Jahr von Neuem die Mängel ber- vorbebc. Ein Mittel, den Wünschen der Petenten zu genügen, welches bisher schon zu einem gewissen Grade gestattet gewesen, sei, daß diejenigen Fortbildungs scküler. welche sich während der ersten beiden Jahre ausgezeichnet hätten, diopcnfationswcife nur 2 Jahre lang dir Fortbildungsschule zu besuchen brauchten. Graf Rex stimmte dem Vorredner bei, indem er noch tnnzusügte. er müsse namentlich auf die erzieh licke Seite der Fortbildungsschule ein Hauptgewicht legen. Die Herren Seiler und Pcltz bekannten sich dagegen als entschiedene Gegner der obligato rischen Fortbildungsschule. Freiherr v. B urgk sprach für dieselbe, nur wünschte er, daß die Fortbildungs schule nickt am Sonntage abgehalten und daß dem Religionsunterricht in ihr ein Platz eingeräumt werde» möge. Oberhofprediger l»c. Kohlschülter sprach die Hoffnung aus, daß die Fortbildungsschule nicht nur für das Wissen, sondern auch für das sitt licke Verhalten ihrer Scküler gute Folgen haben werde, und erklärte sick ebenfalls dafür, daß der Unterricht nickt am Sonntage stattfinde. In seiner Schlußrede bemerkte der Staatsminislcr lst von Gerber unter Anderm Folgendes: Ich habe wobl nickt nötbig, mich über die Natur des ganzen Instituts hier nochmals auszusprechen. Ich stimme Dem zu, waS verschiedentlich hcrvorgehoben worden ist. daß es ein versuch ist, über den wir im Augenblick noch nickt definitiv aburtbeilen können: ick glaube aber, daß es ein guter und ein berechtigter versuch ist, und daß gegenüber den allseitigen und großen Ansprüchen, die an die Volksschule gestellt werden, der Regierung und den Ständen gar nichts Anderes übrig blieb, als den Versuch der Begründung dieses Instituts zu machen. Ick hoffe zuversichtlich, daß daraus für die sittliche und intellektuelle Bildung deS Volkes etwas Ersprießliches bervorgeben wird. Darum, meine Herren, lasten wir unsere Arbeit hieran ruhig fort fetzen: ick hoffe, sie wird zu einem guten Resultate führen! Lassen wir uns darin verständigen, baß wir nickt vorzeitig, ehe noch Früchte gezeitigt werben konnten, de» Stab brechen. Landlay. ck Dresden. 9. Januar. In der Ersten Kam mer berichtete Bürgermeister Heinrich anderweit über den Gesetzentwurf über die gewerb lichen Sckulen. Die Deputation schlug vor, fol genden A 7 aufzünebwen: Bestehende Anstalten, welche nicht von erner Gemeinde oder einem anderen Commnnalver bande errichtet sind, können von der Aussichts bebörde aufgehoben werden, wenn dies im öffent licken Interest» nothwendig erscheint. Oberbürgermeister vr. Georgi beantragt dagegen: Bestehend« Anff»ltey haben ihren Lehrplan nach träglick der Ooeraüfnckstsbehörde zu unterbreiten, auch auf Erfordern den Nachweis der Würdig keil für den Nnternebmer der Anstalt und dle Lebrer zu erbringen. Solche Sckulen, sofern sie nickt von einer Gemeinde, einem anderen Com munalverbande oder einer öffentlich-rechtlichen Corporation errichtet sind, können aufgehoben werden, wenn den ans Grund dieses Gesetzes er laffenen Bestimmungen nickt nachgekommen oder wenn die Würdigkeit nickt erwiesen wird oder die rrlangte Qualification nickt beibebalten bleibt. Bürgermeister Heinrich spricht gegen diesen An trag, der ibm zu weittragend erscheint. -staatsminister von Nostiz-Wallwitz erklärt: der Regierung seien beide Anträge angenehm, nur scheine der der Deputation etwas zu schroff, so daß derselbe kaum die Zustimmung der Zweiten Kammer finden dürste. Der Antrag der Deputation wird mit 25 gegen 15 Stnnmen angenommen. Hierauf «erden die Cgpitel her Zuschüsse, allge meine Staarsbehürsniste und das Sesammtminifterium nebst Dependenzen betreffend, in der von der Zweiten Kammer feftgestellten Höhe genehmigt. s Dresden. 9. Januar. Die Zweite Kammer setzte heule Vormittag von 10 Uhr ab die Schluß beratbung über den Berscht der Finanz- deputation ä über Cap. 17 dis 2» des Etats der Zuschüsse, das Departement der Justiz betreffend, weiter sott. Der Sitzung wohnten dei Iustizminister IN. von Abeken und mehrere Reaieruuascomnriffare. Zu Eap. 19, Titel II (die Saatsavwälte bei den Amts und Landgerichten betreffend) de willigt die Kammer die postulirten >12,500 4k, dar unter 100 .4k transitorisch. lieber Titel 12. die juristischen Hülssarbeiter (etat mäßige Assessoren und Referendare) betreffend, ent wickelt sich eine längere Debatte. Abg. Frevtag beantragt hierzu: Die Kammer wolle beschließen, 1) die königl. Staatsregierung zu mucken, die Be soldungen der juristischen HülfSardeiter bei Fer tigung des Etats künstigbin zu trennen und die Besoldungen für die Hülssrichter, welche die zweite Staats prüfung bestanden baden, b. sür die juristischen Hülssarbeiter, welche ständig bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschäftigt sind, für Diejenigen, welche ständig bei den Ge richtsscbreibereien arbeiten, -t. sür die Referendare, welche lediglich bei der Amtsanwaltscbasr beschäftigt werden, e. für die in den vorstehenden Abtbeilungen nickt ausgesührten Referendare gesondert aufzustellen; 2) die königl. Staatsregierung zu ersuchen, noch dem gegenwärtigen Landtage ein Gesetz über den Vor bereitungsdienst zur Erlangung der Fädigkeit zum Richteramte vorzulegen: eventuell bei Ablehnung dieses Antrages 1) die Regierung zu ersuchen, die Bestimmungen der Verordnung vom 17. September 1579, nach welchen der Vorbereitungsdienst zu Erlangung der Fädigkeit zum Ricbteramte aus vier Iabre festgesetzt und weiter angeordnet wird, daß von dem Zeiträume des Vorbereitungsdienstes zwei Jahre in ununterbrochener Folge im Dienste bei den Gerichten zu verwen den seien, wieder aufzubebe». Ter Antragsteller begründet-seine Rede in längerer Ausführung. Abg. Böbnisch stellt den Antrag: in Rücksicht auf die Wichtigkeit der Frevtag'schen Anträge und deren weittragende Bedeutung dieselben der Gesetzgebung» Deputation zu überweisen. Abg. 10. Krause spricht über das Unzulässige der Beschäftigung juristischer Hiilssarbeiler, welche das zweite Eramen noch nickt bestanden, oder gar nickt zu macken die Absicht baden, zu ikrer Vorbereitung bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Abg. Lehmann ist mit den gestellten Anträgen einverstanden, will aber den Frevtag'schen Antrag unter 2 auck aus die „Prüfung" der iuristiscbcn Hülssarbeiter ausdcbiien. Iustizminister l>r. von Abelen bält cs für de dcnklich, lübcr die schwierigen Angelegenbeilen der Justizverwaltung, welche die Frevtag'schen Anträge verübren, sich auszusprecken, da Dies erschöpfend genug nickt geschehen könne. Derselbe gicbt sodann einige Erklärungen bezüglich der Verwendung der juristischen Hülssarbeiter. Bei der Abstimmung wird der Airtrag der Miiiori tät, sür die unter Titel l2 rangirenden 400 Hülfs- arbeitcr 507,000 .4t etatmäßig und 46,950 4t transi torisch zu bewilligen, mit 15 gegen 11 Stimmen an genommen. Der Antrag des Abg. Frevlag unter l findet liier auf Annahme mit allen gegen 2 Stimmen und die Kammer beschließt die Verweisung der weiteren Freu tag'schrn Anträge an die GesetzgeblliigSdepiltakion. Titel ll (Eassenbeanite betreffend) .wird in der eingestellten Höbe mit 410,700 4t etatmäßig bewilligen. Zu Titel >4 (Gericbtsschreiber, Expedienten und Gerichtsvollzieher betreffend) liegt wiederum ein Antrag des Abg. Frevtag vor, dabin gebend: Die Kammer wolle beschließen, 1) die Regierung zu ersuchen noch dem gegenwärtigen Landtage ein Gesetz über die Dienstverhältnisse der Gericktsschreibec und Gerichtsvollzieher vorzulegen, b. die Gehalte für die GcrichtSscbreiber und die Gerichtsvollzieher gesondert auszustellen: 2) bis nach Eingang der Gesetzvorlage und der ge sonderten Aufstellung die Beschlußfassung über Titel >4 ausLusetzen. Vicepräsident streit stellt den Untcrantrag in Punct In des Frevtag'schen Antrages die Worte „noch dem gegenwärtigen" in „dem nächsten" Landtage umzuwandeln. Abg. Abncrt rügt die inhumane Behandlung, welche die bei dem Amtsgericht zu Döbeln angcstellten Unterbeamten seitens des neuen Amtsrichters erleiden. Die dortigen Beamten, darunter in, Dienst ergraute bewäbrte Staatsdiener. würden in kaum glattblicber Weise behandelt und von dem neuen Amtsrichter mit den verletzendsten Prädikaten, als „Dummbut", „Faulpelz" und „Faullenzer"' belegt. Weiter sei in Döbeln auf den Antrieb des neuen Amtsrichters ein sehr verwendbarer Beamter wegen geringgradiger Scktverbörigkeit pensionirt und so der Pennonsrtat ohne Notb belastet worden. Iustizminister von Abeken erklärt: Die gerügte Behandlung der Unterbeamten beim Amtsgericht Döbeln sei der Regierung bis jetzt nickt bekannt ge wesen. Die Bemerkungen deS Abg. Lhnert Würden ibm Veranlassung sein, den betreffenden Amtsrichter zur verantwortlichen Berichterstattern« auMisordern. Die berührte Pensionirung eines dortigen Beamten sei aus Dessen eigene« Ansuchen und aus Grund eines ärztlichen ZengnAeS erfolgt Licepränoent streit bedauert, daß die verbältniffe der GcrichtSscbreiber und Gericktsvollueber noch nicht gesetzlich geregelt find, trotzdem Dies schon beim letzten Landtage angeregt worden. Redner hätte gewünscht, daß die Regierung dem gegenwärtigen Landtags min destens einen Antrag vorgelegt hätte. durch welchen daS Ministerium zur provisonschcn Regelurrg der b« treffenden Verbältniffe ermächtigt wurde. Derselbe wirft überdies die Frage auf: Wer be» etwaigen Unter schlagungen der Gerichtsvollzieher die Vertretung für die etwaigen Defekte übernimmt? Abg. Lebmann spricht seine Anerkennung aus für die Tüchtigkeit, mit welcher die GericktSschreiber in Dresden in daS neue Gerichtsverfahren sich eingear beitet baden. Abg. Ackermann mernl. cs werbe «mmcr geklagt, daß die Gesetzgebung-Maschine viel zu geschwind arbeite, »Md nun wolle man in denselben Fehler verfallen. Man solle erst adwarten, bis man Ersah rungen genug gesammelt, um ein ausreichendes Gcrichtsvolljiehcrgesetz erlassen zu können. 4kbg. Lebmann ist der Ansicht, daß der Gerichts vollzieher Staatsbeamter sein und der Autorität des Staates unterstellt werden müsse. Er würde sebr bedauern, wenn die Gerichtsvollzieher Privatdeamte blieben, und wolle hiermit beantragen, den Frevtag' schen Antrag unter l» an die (KeseNgebungsdeputa tion zu verweisen. Iustizminister von Abeken giebt die Erklärung ad. dasi die Regienrng fick für berechtigt gehalten bade, die Anstellung der Gerichtsvollzieher und Ge richtsscbreiber im verorbnungswegc zu bewiicken, sie habe nickt nötbig gebabt, eine Ermächtigung hierzu von der Kammer zu erbitten, weil es fick lediglich um die Ausführung eines Gesetzes handelte. Abg. Frentag ist gegentbecliger Meinung und verlangt, die Kämmer solle von ihrem ständischen Rechte Gebrauch macken und das Postulat für die Gerichtsvollzieher so lange beanstanden, bis die Sacke gesetzlich geregelt ist. Redner ist der Ansicht, daß der Staat etwaige Unterschlagungen der Gerichtsvollzieher zu vertreten bade, weil dieselben vom Staate bezahlt werden. Dem Abg. Ackermann gebe er den guten Rath, die Mahnung wegen der allzu geschwinden Arbeit der Geictzgebuugsmaschine im Reichstage auszusprechen, dort sei sie am Platze. Abg. Schreck wünscht auch den Antrag Frevtag unter >>» an die Gcsetzgebungs Deputation venviesen zu sehen. vicepräsident Streit erwartet ein Gerichtsvoll ziebergesetz sür diesen Landtag nickt. Der Abg. Frentag möge erst die Praxis kennen lerne», wie ei» solches Gesetz gemacht werde. Abg. Sckreck beantragt: „die Beschlußfassung über das Postulat unter Titel 14 bis nach Eingang -es Berichts der Gesctzgebnngsdeputation auszusetzen". Der Abg. Frevtag erklärt sich mit diesem Anträge einverstanden. Bei der Abstimmung wird der Sckrreck'scbc Antrag gegen 19 Stimmen abgelcbnt und sodau» der Antrag Lebmann und Streit einstimmig angenommen. Der Antrag Frevtag unter 1 t> fällt gegen 19 Stimmen. Hieraus beschließt die Kammer mit allen gegen die drei Stimmen der socialistiscben Abgeordneten: Titel 14 nach der Vortage in Höbe von 1,112,110 4k, darunter 1050 . B transitorisch, zu bewilligen. Die Titel 15 bis 10 geben keinen Anlaß zu Aus stellungen und werden einstimmig gutgeheißan. Zu Titel ll bis 19 batte die Deputation den An trag sormulnck: Die königl. Staatsregierung auszusordern, noch dem gegenwärtigen Landtage eine Gesetzvorlage, die Einführung einer Amtstracht für Iustiz- bcamte und Rechtsanwälte betreffend, zugekcn zu lassen. Abg. Lebmann bekämpft diesen Antrag energisch und hofft, daß die Nachahmung der französischen Aeußerlickkeiten in Deutschland nickt Platz greife. Abg. Frevtag: Der Minister sei nickt berechtigt gewesen, die Talare im Wege der Verordnung, obnc die Kammern vorder zu fragen, cinzufükrcn. Abg. I»>. Krause bezeichnet es dagegen als Pflicht der Regierung, daß sie die im Reiche eingcsübrte Amtstracht auch in Sachsen einfübre. Der Minister sei zu Erlaß der diesbezüglichen Verordnung wödl berechtigt gewesen. Iusrizmiiiister v. Abeken vcrwabrt die Regierung gegen den vorwurs der Bersassnngsverletzung bei Ein führung der Amtstrackt. Den Anwälten sei es über lassen, die Robe anzulegen oder nickt. Die Regierung sei von vornherein der Ansicht gewesen, daß die Aints- tracbt für die Richter sehr zweckmäßig sei. Referent Kr. Minckwitz kann sich mit der Auf fassung des Ministers in der Talarsrage nickt einver standen erklären. Iustizminister v. Abelen bemerkt, daß er lediglich den Standpunkt der Regierung, nickt seine persönliche Anschauung vertrete. Die fämmtlichcn übrigen Titel werden anstandslos bewilligt und genehmigt die Kammer den bei Eap. 19 geforderten Zuschuß, wie solcher sick rechnungsmäßig nach den gefaßten Beschlüssen ergeben wird. Eap. 20, Titel 1 und 2 werden mit einem Zuschuß von zusammen 12,422 . 4k. darunter 422 .4k transitorisch genehmigt. Hierzu saßt die Kammer uock folgenden Beschluß: Das königl. Ministerium der Justiz zu er suchen, im Verlause der weiteren Entwickelung der neuen Iustizorganisation bei sämmtlichen Elasten der Iustizbcamten vor Neubesetzung er ledigter Stellen das Augenmerk darauf zu richten, ob die Wiederbesetzung nach Lage der Geschäfte nicht unterbleiben könne. Zu den Petitionen der Beidiencr wird der Antrag des Abg Frevtag, dabin gebend: „Die Petitionen der Beidiencr, soweit sie aus Verleihung der Staats dienereigcnschafl nach Ablauf einer gesetzlich zu be stimmenden Zeit, sowie auf Gewährung von Be kleidungsgeld geben, der königlichen Staatsregierung zur Erwägung, in, klebrigen aber derselben zur Kcnntnißnadme zu überweifen"' gegen 21 Stimmen adgclchnt, dahingegen, dem Deputationsantrag ge maß, beschlossen: Die gedachten Petitionen der Bei- diener der königlichen Staatsregierung zur Kenntniß nähme zu überweisen. Nächste Sitzung Montag den >2. Januar, Mit tags l llbr. Königl. Landgericht. 1. Eine der Einwohnerschaft Grimmas sattsam d^ kannte Frauensperson, di« ledige Aug.Amalie Panitz, 86 Jahre alt und au« der genannten Muloenstaor gebürtig, bat der dortigen Criminalbehörd«, sowie denen »u Born», Ebemnitz rc. wiederholt Arbeit ge macht, indem sie, kaum aus der Strafanstalt entlassen, aufS Neue die Leute bestahl und betrog. Unmittel bar nach Verbüßung der letzten Strafe bestabl sie die Wittwe deS Bürgermeisters H. in Grimma und deren T ocbter um die von derselben getragenen Lrauerklcider. DiePamtz batte den die H.'sche Behausung umschließ,»de« Gartenzaun in der Stacht vom 8. zum 9. Oktober überstiegen, nach Aufbrechen eines Fenster ladrns und Eindrücken einer Fensterscheibe sich Zu gang zur Wohnung selbst vrrsckafft und die genannten Objecte sowie ein Paar Stiefeletten weggenommen. Die Pan,tz batte diese Kleider angelegt und in den selben eine Reise nach Riesa angetreten. Außer dem von ibr eingeräumten Diebstahl fiel der Panitz aber auch noch ein an dem Kaufmann T. ia Grimma verübter Betrug zur Last, indem sie sich der Wahrheit zuwider für die Beauftragte des Gastwrrtbs I. ,n Grrtben anSgcgeben und einige Colonialwaaren erschwrndeli hatte. Trotz ihres beharrlichen Lcunnn-r in diesem Fall recognoscirle der verletzte die »na Nagte mit voller Bestimmtheit als die Person, welch- die Waaren «unter falschen Vorspiegelungen ihm ent lockt hatte. Der Gerichtshof verurtdeilte die Panitz »veger: im wiederholten Rückfall verübten Diebstahls uns Betrug» zu drei Jahren zwei Monaten Zucht Haus, fünf Fuhren Verlust der Ehrenrechte und Zu läsigkeit von Polizeiaufsicht. ll. Der 22 Jahre alt, Heinrich August Emil Louis Hetzer ans Frankenbausen war mit l:t50 4! festen Gebalt und 15 Reife-Spesen für den Tag als Reisender eines kiesigen Handlungsbauses engagiri und gleichzeitig zum Incaffo der Waarenforberungen bei de« (Geschäftskunden ermächtigt gewesen und zwar in der Zeit vom März bis Oktober >578. Nack dem letzt erwähnten Zeitpunkte war Hetzer spurlos verschwunden, mit ihm aber auch eine Summe von nahezu 4000.4k, welche der Flüchtling dem Geschäfte unterschlagen batte Die steckbriefliche Ltersolgung blieb fruchtlos, und auck die von Seiten der Militcnrbchörde des 20. Inkan tcrie Regiments (zu welchem Hetzer cuiSgedoben wor den war) cingeleiteke Verfolgung batte kein anderes Resultat. In den ersten Monaten des Iabres 1570 wurde in Wien ein iunger Mann wegen eines daselbs! verübten Betrugs zu mebrmonatlicl»em schweren Kerker veriirtbeilt. der den Versuch gemacht batte, sich den« Arme der Gerechtigkeit durch Selbstmord zu entziehen, und dieser Mensch war — Hetzer, dessen Transport nach Leipzig Ende November vorigen Iabres nach verbüßter Strafe bewerkstelligt wurde. Der junge leichtsinnige Mann gab die Unter scblagung ,,„umwunden z», erzählte, daß er in Schulden geratben nnd deshalb mit dem unter scblagenen Gelbe auf und davon gegangen sei, Reisen nach Wien und Italien rc. gemacht lind sich wieder nach Wien zurückgewendcl, als das Gelb aber aufge zebri gewessn, jene neue Strafthat, wegen deren er dort verurtbeilt worden, begangen bade. Nachdem die königl. Staatsanwaltschaft VeruNdei lriiig Hetzer'» beantragt batte, zog sich das Gericht zu rück, um beim Wiedereintritt in den Verbandlungs saal zu verkünden, daß die gegenwärtige Strafsache unter den obwaltenden Verbältnisscn dem schon oben erwähnten kompetenten Militairgerickt zu über weisen sei. l». Ter wiederholt bestrafte Handarbeiter Kart Ro bert Häbnel von hier war vor Kurzem über der Entwendung eines Kleidungsstückes betroffen worden, welches als Aushängestück vor einem Verkaufsladen in kiesiger Stadt gedient batte. Der Gerichtshof er kannte in diesem Falle auf vier Monate Gesang nißstrase. Der Gerichtshof war in diesen Verhandlungen aus den Herren Kammer-Tirector Rein, Landgerichts rätbei, Iustizratb v. Bose, Sackße, Odenaus und dem Hülfsricbter Herrn DwisionS Auditeur Pechwell zu sammengesetzt, die Anklage durch Herrn Oberstaats anwalt Hoffmann vertreten. Literatur. Der »unftnnterricht i« Gtzmuasium von l>c Ru dolf Menge, Gvmnasiallehrer in Eiserrnach. Langensalza 1850. Verlag von H. Bevcr Söhne. Der Verfasser ist schon mehrfach für den Kunst unterricht im Gnmnasium eingctretcn. Er will die Sckule nickt mit einem neuen wcitschicbtig angelegten Lchrfackc bcbürden, sondern er glaubt gewiß mit Reckt, indem er daS Auge mit den Maßen der Dinge vertraut und der Seele zur Erfassung des Schönen dienstbar mackst, zugleich den übrigen Unterricht nicht wenig anzuregen und das Lernen durch Anknüpfungen an die sinnliche Ersckeinungswelt zu erleichtern. Tic Absichten verdienen nnzweifelbaft große Beachtung: denn hier liegt ein Weg vor uns, der zu jenem frischeren und freieren Geiste führt, dessen unsere Sckule dringend bedarf, um der strebenden Zeit ge recht zu werden. — In Allem giebt R. Menge, welcher seit einer Reibe von Iabren selbst als Lekre, Erfahrungen in der Ertheilung des KunstunterriÄsts gewonnen, bestimmte Ratbscklägc. Er zielst dem Gc biete weise Schranken, bezeichnet die lehrreichsten Gc sickstspuncte, den Lcbrplan und die Lehrmittel, unter welchen er hauptsächlich die Scemann'schen kunst historischen Bilderbogen anempnehlt, erörtert die Art der Unterweisung bis in das Einzelne. Er prüft seine Rathschläge vom pädagogischen Standpunkte mit den Gesetzen, die berliorragenoc Männer, zumal Herbart,dcr Sckule »orgezeichnct haben, und glaubt, daß derKunstunter-rickt aller, Anforderungen der modernen Pädagogik genugthue, daß er auSneb mend erziehend ist, „mehr viclleiHst, als irgend ein Fach". Die letztere Aeußerung ist die einzige der Schrift, die ebenso gebieterisch, wie in allem Anden: mein Beifall gefordert wird, meinen Widerspruch der vorruft. Der versasscr, welcher sonst so maßvoll zu Wege gebt, mußte sich vor einer Uebertrcibung hüten, die bedenklich ist. Die größte Macht aller sittlichen Erzrcbung rubt unstreitig in dem Worte, in der Sprache, in fencr Begabung, durch welche sich der Mensch als vernünftiges Wesen von allen übrigen unterscheidet und auch allein zur Entfaltung dksSckönen in der bildlichen Darstellung gelangen konnte. Auch die letztere verkörpert m der sinnlichen Form etwas Geistiges. Damit die sinnliche Schönheit entsteh,, muß zuvor der Geist ,nächtig geworden sein. Menge, welcher, wie ich zu wiffen glaube, den Eindruck eines großen Dichters, wie z. B. de» Homer, auf seine Scküler durch den eignen veledenden Unterricht selbst am besten kennt, muß es einsehen, wie sebr in der bildenden Macht der Sprache der Kern aller Lehre zu suchen sei. Hätte er mßl jener Bobailptung Reckt, dann wäre di« Schule bisher nicht allein mangelhaft, sondern sie wäre so mangelhaft ge wesen, baß sie kaum den Namen einer Schule der diente. Ihre Hauptaufgabe wird immer sein müssen, die großen Denkmäler der Sprache rum Berstandtziffe der Scküler reden zu lassen, daS Alterthum. welches einen mächtigen Geistesinhalt in der sch-nsten Sprackionn verlebendigte, dann aber auch neuere SprachsckSpfer und namentlich die großen Dichter des eigenen Volkes der Jagend erwecklich zu nädern. Der nationale Sinn muß jetzt, »a wir ein Volk geworden sind und nach ernem freien Bürgergeistc streben, vor Allem auf der Sckule ge pflegt werden. In ibr liegt die Bedingung unserer Zukunft; wenn wir kräftig aufleben sollen, so muß sie vor Allem sich verjüngen. Zu solcher Verjüngung bringt auch Menge's Ratb keinen schwächlichen Weck ruf. Wie viele erfreuliche Keime durch die Be trachtung der bildenden Kunst auf unserer Schule erwachen können, tritt aus der kleinen Schrift leb Haft entgegen. W. Bnn.
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