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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1880
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1880-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18800110014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1880011001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1880011001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
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Milte Beilagezum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^so Sonnabend den 10. Januar 1880. 74. Neues Theater. Leipzig, 9. Januar. Julius Wcrlbcr.der Tirector tcs Mannheimer Tbealcrs und Verfasser mehrerer hier mil gutem Erfolg ausgeführkcr Stücke, des Trauerspiels „Pvmbal" und des Schau spiels „Ter Kriegsplan", bat ein neues Drama „Weite Getvissen" versagt, welches gestern hier, unseres Wissens überhaupt zum erstem Male, in Scene ging und eine nicht unfreundliche Aus nahme fand. Die „Weiten Gewusen" sind allerdings ein Thema, welches bei einem Sittengcmalde der Ge genwart seine volle Berechtigung hat. Auch macht -r' sich der Ticbter zum Anwalt einer sittlichen Tcn- f » -iz, welche der Zeit den Spiegel vorhält. Das i,. anzucrkennen. Im Grunde ist es dabei gleich gültig. an welchem äußeren Stoff sich diese sitl tichc Tendenz entwickelt. Ter Dichter hat den Bau einer neuen Eisenbahn zur Unterlage seiner Handlung gewählt; allerdings hat dies Thema modernster Realpolitik doppelte Gefahren. Ein mal geht eS nicht ab ohne eingehende technische Auseinandersetzungen, und dann wird das Publi cum, welches mehr aus Zeitsragen als auf sittliche Tendenzen achtet, leicht zu der Ansicht verführt, das Stück habe den Zweck, die Vorzüge des Staatseisenbahnsvstems gegenüber dem System der Privatbahnen zu verherrlichen, und da die Muse ihre Preise meistens an Hymcn'S Altar crtbeilt, so wurde auch deshalb am Schlug dem präteslinirteu Chef-Ingenieur der Slaatsbahn der Preis in Gestalt der Braut zu Theil. Das lag dem Dichter fern; auch müßte die Poesie noch erfunden werde», die solche Fragen in ein dichterisches Gewand kleiden könnte. Das Interesse der Handlung kann nur ein pfnchelv- gischcs sein; hier aber stoßen wir allerdings aus schwerwiegende Bedenken. Ter Mann mil dem „weitesten Gewissen" in der ^bcrleitcr der Pri vatbalm, Freiherr von Linden: er hält cs für sachgemäß und zweckentsprechend, die Tochter des Vandcspräsideutcn zu heiralhe», und auch dieser meint der guten Sache der Propin; zu dienen, wen» er seine Zustimmung nicht persagt. Des Zwangs bedarf es nicht. Eleonore, die sich an Schopenhauer und Richard Wagner gebildet hat, in sehr gleichgültig, was die Wahl des künftigen Galten betrifft, sie geht von der Ansicht auS, daß ge heiratbet werden muß und daß eS nicht sonderlich daraus ankommt, waS für eine Schildwache im Schilderhaus«: der Ehe steht. Die Verlobung wird erklärt. Wenn taS Stück Fortgang haben soll, muß natürlich eine wahrhafte Neigung in der Brust unserer Heldin erwachen. Dies geschieht: zwar kein Lebensretter, aber ein junger Mann, der, als sic bei einsamer Bergwanderung sich verirrt, sie übers Wasser trägt und später ihr Kleid losnestell und so in ungezwungener Weise dazu kommt, vor ihr niedcrzukniecn. erweckt in ihr diesen Funken der Liebe. Ter junge Manu ist ein Techniker. Freund dcS Bräutigams, und dieser trägt kein Bedenken, die Sachkenntnisse dcS Freundes für sich in Anspruch zu nehmen und sich mit fremden Fe dern zu schmücken. Beite coucurriren gleichzeitig mit ihrem Eisenbahnplan bei dem Präsidenten. DaS Plagiat ist offenbar; eS fragt sich nur, wer von Beiden der Plagiator ist? Aus diesen Prämissen ließ sich wohl eine spannende dramatische Handlung entwickeln; der Antor bat aber jede Spannung mil dem Schluß deS zweiten Actes hinweggenommen. Indem die Braut ihren Bräutigam für einen „Schurken" erklärt, hat sie sich vor dem Publieum feierlich von ihm losgesagt. Die weiteren Sccncn zwischen Beiden haben gar kein Interesse mehr und berühren nur abstoßend. Eine Verstärkung in der Motivirung der Abnei gung Eleonorens durch die kleine Ertratour, die Herr von finden mit der Baronin Amvlic tanzt, war ganz überflüssig: er war ja für die Braut schon verschüttet. ehe das Felsgewölbe über ihm zusammenbrach. Tic Bahn war nämlich so schlecht gebaut, daß dies Unglück schon sehr früh passirte. Der Ingenieur rettet den treulosen Freund, seinen gegenwärtigen Todfeind, und das gewinnt ihm gänzlich Eleonores Herz. Im lebten Act wird Freiherr von Linden von Staats wegen beseitigt und auch der Vandcspräfitcnt, Graf von Reicken- scld, zieht einen bürgerlichen Schwiegersohn, der sich aus den Eiscnbahnbau versteht, einem adeligen vor, der sich als sehr leichtsinniger Ingenieur com promittirt hat und allerdings auch seine Ehe auf sehr wackeligen Unterlagen ausbauen wollte. Ter erste Act enthält eine lebendige Erposilion; im zweiten hat die Scene zwischen Lcvnorc und der» Vater dramatisches Leben: im vierten spricht besonders die Scene zwischen Freiherr» von finden und Toblacher. in welcher mit feiner Ironie auch diesem Ehrenmanne ein weites Gewissen nacbgc- wirscn wird, für daS oft bewährte Talent des Ver fassers. Im Ucbrigcn ist die Ausführung zu breit; wir zählten in einem Act wohl vier Monologe. Die Dictivn ist gebildet und gewandt, nur hier und dort etwas zu prunkhast und pathetisch für ein Eonvcrsationsnück. Der am besten gezeichnete Charakter ist der des Freiberrn von finden; er ist ein schlechter Mensch, aber ein guter Kopf, dabei nicht ohne Mutb und von einer unzerstörbaren Seelenruhe allen Schick salsschlägen gegenüber. Herr Conrad traf den Ton und TnpuS dieses Charakters ganz gut, bc sonders in den Scenen mit dem Präsidenten im zweiten und mit Toblacher im lebten Act, unk wird die Rotte noch bester spielen, wenn er sie mit voller Sicherheit beherrscht. Die Eleonore des Frl. K i r cb hbsfcr genügte in den Momenten des Afsekces, be sonders im zweiten Ael dem Vater gegenüber; im .lcbrigen liest sich die Rolle noch seiner aus- arbciten. Sie bietet manche.Klippen für die Dar stellung : wie oft ruft Eleonore den Ingenieur, der forlgeben will, im dritten und vierten Act zurück! Darin lasten sich keine Nuancen anbringen: daS bleibt immer die etwas emancipirte Dame, die mit den Cotillonschleisen herum läuft, um sie dem AnS- erwählten, olme viel zu fragen, an den Frack zn stecken. Ter Tritte im Bunde der Hauptpersonen ist der Ingenieur Rudorf, der einzige im Stücke, dessen Gewissen die normale Beschaffenheit bat und an einem Aneurysma leidet. Solche Tugcndbclden und Vertreter des kategorischen Imperativs sind indcß nicht leicht tarzuslcttcn: Herr Bergmann gab seinem Rudorf den Ton männlicher Tüchtig keil und bei keui Aufruf in dritten Act entschlof senc Kraft. Ter Gras von Reichenfeld wurde von Herrn Johannes als wohlmeinender und vor- urtbeilssreier Beamter gut repräscntirt. Frl. Smutek (Amvlie) fand sich nicht unglücklich mit ihrer etwas demimonderischen Rolle ab. Treff lich war Herr Eichenwald als Toblacher: das war die bmilunumw mit dem weiten Gewissen, wie wir sie oft im Leben treffen. Tie andern gesell schaftlichen Illustrationen. die Actien Zeichner aus allen Ständen, wurden von den Herren Pohl, Tieb, Eichenwald, Stürmer, Paulik. Broda angemessen dargestellt, ebenso der Haupt ausseker von Herrn S ommerslorf. Auch die Eisenbahn, um die sich alle Verwicklungen drehen, präi'entirte sich im dritten Act in glaubwürdiger Gestalt. Rud. von Gottschall. I)r. Förster in Magdeburg. Ueber das kürzlich statlgefuntenc Gastspiel des Herrn kW. August Förster am Stadt Theater zu Magdeburg bringen fämmtliche Magdeburger Zeitungen die anerkennendsten Berichte. Wir lasten hier zum Belege einige Auszüge folgen. Tic „Magdebnrgische Zeitung" schreibt: „So wie verr Fersler den Lesung'scheii Nathan in Dialog und Spiel hall, gerade jo, denken wir uns, würde der grobe MenschcndarstcUer Fr. Schröder, un gksäkr so wird ihn unser F. L. Schmidt gehalten haben: eine wahrhaft keusche Scbcu vor allem bloS komödiantischen oder Teclamatorifchen, dagegen eine bewundernswerlhe Achtung vor dem, was Laube mit Reck» als das oberste (Hebel aller schauspielerischen Kunst aitsieht: Einfachheit, Natur, Wahrheit der Rede und Action — das bezeichnet die Methode oder.den (Heist, in welchem unser (Hast die Lesnng'fche (Heslalt ausfubrl. Dieser 'Nathan blendet und rletHlsirt nicht, aber er fesselt und überzeugt, denn ,edcr Iug im Spiele, jeder Accent und jede Instexion in der Rede tragen den Stempel der Echtheit und Wahrheit. Nickns erinnert an die Buhne, Alles siebt wie (.'eben und Natur aus. Die (Heftall ist i.n Aufriß wie m allem Einzelnen durchaus individuell, selbst der leise besondere, d. h. semitische Anhauch der Rede in einzelnen Wendungen scheint nicht unabsichtlich zu sein. Wie er für den überlegenen Geist und Humor, der in der ersten Halste waltet, den treffenden Ausdruck bereit hat (wir denken z. B. an II., 5: „Groß! Groß und abscheulich! —"), so agirte er, so zu sagen, die Fermate in dem Monolog Act IV, n, vor dem „Das war's!" mil bewundernswenher Ueberlcgenheit, leistete in dem Märchen von den Ringen ein Meisterstück edler Beredisamtcit und wußte in der Erzählung (IV, 7- durcb den Ausdruck warmen, starten Empfindens bis zu Thräncu zu rühren. Wir brauchen iilckst zu per stchern, daß das trotz erhöhter Preise ausverkaufte Haus »i andäck'liger Stimmung folgte und nach den ^cenen- und Anschlüssen seiner Dankbarkeit durch allgemeinen Hervorruf Ausdruck gab." Aehulich 'prichl sich der Berichterstatter der „Elb- lind Havel Zeitung" ans: „Herrn I»e. Försters Nathan ist eine bis in die kleinsten Details vollendete Meisterschöpsung. Wir haben seiner Zeit Theodor Döring'ü etwas abweichende Auffassung gesehen und tragen Ml kein Bedenken, Herr» Förster's 'Nathan dem des verstorbenen Berliner Hofschauspielers vollkommen gleich, wenn nickst über denfelben zu stellen. Tie ganze Persönlichkeit des Künstlers eignet fick, vorzüglich zur Darstellung dieses Charakters: das Behäbige, Gemülhliche, Maßvolle, zumal im Wrsen des reichen jüdischen Kaufherrn bringt er in Wort und Bewegung fast unübertrefflich zur Geltung. Reichlicher Bestall des nahezu ausver kauften Hauses sprach dem gefeierten Gaste den Dank für seine schöne Leistung nach jedem Actfchlusse aus; bei der meisterlich vorgetragenen Erzählung von den drei Ringen hielt man den stürmischen Applaus auch bei offener Scene nickst zurück." Diesen anerkennenden Besprechungen fügen wir noch die des „Magdeburger Tageblattes" an: „Herr l>r. Förster konnte sich auch bei Denen, die ibn noch nicht gesehen, unmöglich besser entfuhren, als inil seinem Nathan in Lessing's „Nathan dcr Weise", der in seiner Art unerrrickst bastelst und kaum fkmals wieder erreicht werden dürfte. Wer nur die landläufigen idealen Nathans unserer kleineren und größeren Bühnen kennt, ist, wenn ihm der Förfter'sche entgegentrilt, zuerst vielleicht etwas »rap- pirl über diesen fich fast zu einfach und zu realistisch zu geben scheinenden Philosophen. Aber dieser Ein druck hält nickst länger als ein paar Augenblicke Stand. Alsdann beginnen innerhalb der Grenzen, welche sich die Kunst der Selbstbeschränkung des Meisters gesteckt bat, so viele Vorzüge der Darstellung ihr Reckst gellend zu machen, daß unsere Bewunderung von Scene zn Scene steigen und dcr Wunsch immer lebendiger in uns werden muß, auch selbst nickst die geringste Aeußerluhkeit des Spiels uns entgehen zu lassen und womöglich jeden Tonfall der wunderbar verständigen Tiction dem Gedäctstniß einzuprägcn odcr wenigstens andachtsvoll entgcgenzunchmcn. Selbst verständlich war der Beifall, desien sich dcr Gast — auch verschiedene Male bei offener Scene — zu er freuen batte, ein ganz ungewöhnltch begeisterter und warmer. Die Thätigkeil der ^cipnger Fischer beim Hochwasser am :Z. Januar. Nachdem sich nunmehr die Finthen des Hochwassers wieder so ziemlich verlaufen haben und über dieselbe nachträglich noch manche Einzelheiten zur kenniniß gelangen, möchten wir auch einmal der Thätigkeil lliiserer wackeren Leipziger Fischer gedenken. Unsere Stadt selbst ist. Gott fei Dank, vom Hochwasser nie bedroht, wohl aber das Stadtseckel, insofern, als das Hochfluthwasser den städtischen Wehren und Brücken, überhaupt Wasserbauten, leickst Schaden zunigt. Es war daher auch beim Eintritt des Hochwassers, resp. Eisganges, seitens des Raches unserer Stadt alle Aufmerksamkeit auf die städtischen Wasserbauten gerichtet worden, und zwar waren sofort die Leipziger Fischer ausgcfordcrt worden, die Brücken, Wehre :c. zu überwachen, daß dieselben keinen Schaden erlitten. Tie Fischer folgten auch sofort dieser Aufforderung, und gleich einer „Wafferwehr Eom pagnie", angethan mit den hohen Wasserstiefeln und bewaffnet mit Eisäxten und langen mit spitzen Eiten versehenen Stangen und daneben reich lichem ^ Schießmaterial, nämlich Kanoncnschlägen zum Sprengen des Eises, traten sie an. Sie lalten fick, gleichsam in Sectionen getbeilt, und einem der Meister war das Tbercoinmando über tragen worden. Der von ilmen zu leistende Dienst au dem entfesselten tosenden Element erstreckte fick, auf Tag und Nacht, und als Löhnung erhielt jeder Fischer 4 für den Tag und t ./«! für die Nacht. So fand man denn diese Leute überall am Platze, wo Gefahr zu befürchten war, und besonders an den Brücken und 'Wehren. Am bedenk!lck'sten war das Hochwasser mit feinem Eisgang unterhalb Connewitz, wo sich am Sctsteußiger Wege 2 Webre (das kirschwehr und Kopfweh«» und >'» Brücken «kirschwehrbrücke» kopswehrbrücke und der lauge Brückensteg über das 'Wildstulbbeil bei der Schrebergärtenanlage) befinden. Außerdem befinden sich hier bekanntlich auch 2 Badeanstalten, das städ tische Freibad und das Fi scher bad. Die an eben genannten Puncten stauonirlen Fischer haben unstreitig den schwersten und anstrengendsten Dienst gehalst. Die Wehre hier, besonders das Kopf wehr, waren stark eingefroren, und diese Eisschichten mußten gesprengt werden. Nächstdem galt es aber auch die Bäder anszue»en, und seiner ein Capital von einigen Tausend Mark zu bergen, nämlich Fischergouteln, die bei den Bädern auf dem klier rande lagen. Denn ergriff die Hochfluth »ut ihrem Elsgelriebc diese Gondel», dann hätte man höchstens nur Trümmer von denselben ausfischen können. Am Sonnabend Vormittag kamen der Tberingeuicur vom Städtischen Bauamte, dcr Ralbsbau Inspector und der Wasserbau Inspector, um Besichtigung zu Hallen und Anordnung zu treffen. Es wurde den Fischern ausgegeben, an den Wehren die Schütze zu ziehen. Da sagten die Fischer: das genügt bei dem kopswelir nickst, hier müssen auch die Selzps osten heraus oder — Wehr und Brücke gehen fort. Die Herren vom Rathsbauamr ließen denn auch die Fischer gewähren, und jedenfalls hatten sich die Fischer nicht geirrt. Der Eisgang auf der Pleiße von Eonnc wil; herunter sollte am Sonnabend Nachmittag em ganz gewaltiger werden. Im sogenannten Brühl hatte sich das Eis merk würdiger Weise festgesetzt, sich zn einem Eisfeld ge stallet. War eS doch, als ob sich hier die Eismassen concentrirenwollten, um dann aus einmal sortzuflulhen und dabei Alleswegzureißeu, was etwa iln eBahn hemmte. Es war gegen st Uhr Nachmittags, als fich die un Brühl angcstaueten Eismassen m Bewegung fetzten. Jetzt galt es, aus dem Posten zu sein, die mächtigen gegen die Brücken anströmendcn Eisschollen zu zerstoßen oder niit Kanonenschlägen zu sprenge». Das war ein Krachen, ein Rauschen und Dröhnen, und die Fischer arbeiteten, daß ihnen der Schweiß aus dcr Stirn stand. Ein „Eisbrecher" vor der klrscbwehr brücke wurde von dem Eis wie ein Stab unter die Brücke geschoben. Tie Brücke über den Kopfwchrgrabcu zeigte sich alsbald nicht hoch genug für die anbrausende Flulh,welche bis zur zweiten Balkenlage der Brücke stieg und das Wasser würgte sich gleichsam unter dieser Brücke durch. Dabei galt cs natürlich immer, das Eis mit durchzubugsircn, und hätte man Dies am Brückensteg des Wildfluthbettes nicht mit besonderer Energie geübt, den Steg hätte das Eis mit sortgenomnien. In den Fluthcanal und die Wildfluthbetten gelangt, konnte fick» dann das treibende Eis mehr ausbreilen, und bei Plagwitz wurde es wieder von den dort auf der sogen. Weißen Brücke stauonirten Fischern empfan- en, um zerstochen odcr gesprengt und durch die Brücke ugsirt zu werden. Einen gleichfalls nicht leichten Posten hatten die Fischer auch auf dcr H eiligen Brücke über die Elster, wo der interimistische Eis breckier sehr bald vom Eis weggerissen war. Tic Leipziger Fischer find überall recht wacker thä- tig gewesen, und wie fleißig sie auch „geschossen" haben, daS kann jedenfalls Herr kunstseuerwerkcr Knöskl am besten bestätigen; denn Derselbe mußte während des Eisganges mit seinen zahlreiche» Ar beitern, ununterbrochen hei Tag und 'Nackt Kanonen schläge fertigen. II. l. Nalhschliige für Eltern und Verwandte zukünftiger Seeleute. Als Mann, dcr ein langes erfahrungsreiches Sec leben hinter sich hat, auf schiffen der hervorragend sten Nationen gefahren ist, sich nickst in den gewöhn licken glatten Verhältnissen des seemännische» Lebens bewegt, sondern so zu sagen von der Pike aus dienend heraus gearbeitet hat, crlauhe ick niir, nachstehenden Artikel zu veröffentlichen, dcr für manche Eltern, welche die Absicht haben, ihre Söhne zur See zu senden, und auch für Viele, die um das Schicksal eines lieben Angehörigen da draußen aus dem großen blauen Waffer besorgt sind, von Interesse sein dürfte. Meine Absicht gebt dahin, den Ellern, die ihre Löhne dem Beruf des Seemanns anvertrauen wollen, Winke zu geben, wie sic dieselben auf dem praktisch sten und schnellsten Wege zum Fiele führen können, sowie auch sonst, den sich dafür Intcressirenden den beiten Weg zu zeigen, das Schicksal ihrer Verwandten zu erfahren. Eltern, welckc das obengenannte Fiel bezüglich ihrer Sölme im Auge haben, sollten fchon im Voraus darauf bedacht sein, denselben eine Grundlage sür das künftige Examen zu sichern, was jetzt, da hier im Binneulaiide geringere Kenniniß dcr Seefahrt vorhanden, selten geschieht. Der Junge wird mit einer „Ausrüstung" (Eguipirung) zu irgend einer Seereise geschickt, sucht seinen Weg im Leben, aber findet höchst selten den richtigen. Besser situirtc Leute senden den angehenden See mann in sogenannte Vorbereitungs-Anstalten und lassen denselben mehrere Jahre die Ansangsgründe des Seelchens studiren. — Wenn dann der junge Seemann, der größtenthcils noch nie Salzwasser ge sehen, als Schiffsjunge oder gar als Leichtmatrose seinem Beruf entgcgengelst, vermeint Derselbe schließ lich besser nn Seesack hantieren zu können, als alle bewährte Seeleute. Der Grund hiervon ist vielfach darin zu suchen, daß die jungen Leute in theoretischer und mitunter wohl auch in praktischer Hinsicht Dinge erlernen, welche sie in den ersten Jahren gar nickst gebrauchen können; kommen sie nun an Bord eines Schiffes mit einem gewöhnliche» Matrosen, dem zwar eine bessere theoretische Ausbildung abgelst, der aber 'ei alledem vielfach ein tüchtiger Seemann ist, zu- ammcn, so glauben sie Mehr als er zu wissen, sehen ilni, wie es eben junge Leute machen, über die Achsel an, bis der ZeNpuncl eintritt, wo es heißt, als Mann dazustehen und seine Pflicht zu erfülle». Nun er kennen sic, daß dock Mehr dazu gehört, Seemann zu werden, als Jahre lang auf dem Lande im Seecostüm herum zu laufen und in romantischen Ideen zu schwelgen. Die Wahrheit des soeben Erwähnten be gründet fick schon darauf, daß diese Jünger dcr Sce- wisscnscbast, wenn sie erst Salzwasser gekostet und die Freuden des Seelebens kennen gelernt haben, von der ganzen Vorbereitung 'Nichts mehr wiffen wollen, und olles Mögliche ausbiclen, ihre früheren Studien zu verheimliche» und in Vergessenheit zu begraben. Nack den« oben Gesagten bä te ick es bei dem jetzigen Stande der Seefahrt für das Beste, daß Ellern, Vormünder u. s. w. ihre Söhne oder Anver- lrauten dem Seefacb direct ohne weitere Vorbereitung übergeben. Das Geld, welches gewissermaßen zweck los sür eine solche geopfert wird, kann für daS später zu absolvirende Examen verwendet werden, und dabei wird dcr Junge noch ein besserer praktischer Seemann. Daß die Praxis mehr ausrickstet wie die bloße Theorie, findet sich im Seelcbe» so reckt bewahrheitet. Wie viele theoretisch gebildete Menschen haben im Leben da draußen in schweren Momenten ratklos da gestanden und fick von praktischen durck'wetterlcn Leuten den Ausweg zeigen lassen müssen'. Deswegen laßt Eure Jungen erst das praktische tüchtige ser lebe» lernen, dann kann cs nickt schaden, die Theorien einzuheimscn. Es wird so viel über die Rohheit der Seeleute gegenüber den Jungen geschrieben, erzählt und — gelogen, daß ick cs sür geeignet finde, einige Worte über diesen Gegenstand einflicßen zu lasten. Die Jungen, die der Seestand aus dem Binncnlandc rekrutirt, sind vielfach solche, mit denen die Angehö rigen, die Lehrer und sonstigen Vorgesetzten mit dem besten Willen Nichts anfangen können. Dieselben haben keinen Rcspecl vor Eltern, Alter odcr Kennt nissen. Ich selbst habe schon junge Grafen und Jünglinge aus den besten Ständen an Bord gehabt; dieselben kamen allerdings mil Ideen an Bord des Schiffes, daß sie hier eine große Lücke ausfüllcn würden, fanden sich aber sehr enttäuscht, da ihre An wesenheit nur benutzt wurde, uni untergeordnete Stellungen zu bekleiden. Wenn dann ein solch junges Bürschchen seine Mucken, die am Lande ihre Wir kungen hervorbracksten, anwenden wollte und er, um diese Mucken ausgetrieben zu bekommen, bei der strengen Disciplin, die nun einmal an Bord eines Schiffes noth- wcndig ist, vielleicht einmal das Tauende kosten mußte, dannwurdecin jammernder Brief über Mißhandlungen, die er an Bord erlitten, abgesendet, und der Inhalt wälzte fick schließlich lawinenartig im Lande fort. Ick, dcr persönlich als kleiner Junge diese Sacken durcb- gemackst, und obaleicb schnell und fix, dock manchmal dem drohenden Tauende nicht entronnen und dabei im Seesack ziemlich sattelfest geworden bin, kann mir nach zwanzigjährigem Seelchen ein Urtheil erlauben und »ehe allerdings nicht ein, daß Seeleute, Führer und Lbersteuerleute der Schiffe sich mit solcher jungen Generation, mil der man am Lande nicht fertig wird, ab plagen sollen, um dieselben lzu Männern auszuziehcn und nachträglich noch einen schlechten Ruf dafür zu bekom men.—Analoge Beispiele finden sich am Lande genug. Wenn Jemand einen durchaus gebildetenHauskneckt oder Diener engagirte, der alle möglichen Kenntnisse hätte, nur die seiner eigenen Pflichten nickst, würde er den selben in seinen Diensten behalten? Aebnlich gebt es auf der See zu: nur kann man dort die sich als unbrauchbar erweisenden Leute nickst entlassen, denn groß ist dcr Sccan —, weit die Reise, die größte Distanz, die man auf dem Schiffe gehen kann, und das nicht immer, ein paar hundert Fuß. Man muß also die Leute, d. h. die Jungen, brauchbar herau- bilden, um sie i», Nothfalle nützlich zu macken. Ist dann dcr Junge stink und willig, wird er sehr wenig von den Rohbelten dcr Seeleute erzählen können, und freudig dem mitunter harten Leben inS Auge blicken. Tie gewöhnliche Feit eines Schiffsjungen, ehe er als Leichtmatrose fahren kann, dauert meist gegen zwei Jahre. Wenn sie groß und stark geworden, ris- kiren cs wohl einige nach kürzerer Reise als Leicht matrose auszugehen — Tie haben es auch danach! Tenn verächtlich ist beim Seemann Derjenige, der sich in einer Stelle verheuert (engagirl), die er nickt aus- füllen kann und sich, da Jeder an Bord noihwcndig ist, in Folge deren Anstrengungen durch einen Andern ersetzen lassen muß. Durchschnittlichwird eine vierjährige Fahrzeit als zum Vollmatrosen befähigend gerechnet, um nach sieben- bis achtiäbrigem Fahren zur See die Navigationsschule zu besuchen, welche nach Ab- solvircn des vom Staate beaufsichtigten Examens das Patent zum zweiten Steuermann erfolgen läßt. Da nach ist eine gesetzlich sestgrstellte Fahrzeit von zwei Jahre» als zweiter Steuermann erforderlich, um daü Eapiiains- oder Schiffer-Examen zu bestehen. Wer dieses Examen bestanden, fährt dann zunächst als Tbrrsteucrniann, um je nach Umstünden zum Capitai,» zu avancircn. Tics dcr gewöhnliche Verlaut einer Scccarriör-' Kausiahrllhetschissen Tollte also Jemand seinen ' zur Sec schicken wollen, so kommt er am b
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