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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.06.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060626025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906062602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906062602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-26
- Monat1906-06
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Finanzielle Anzeigen, Geschäftsanzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Tarifs Für da» Erscheinen au bestinunten Tagen u. Platz« wird keine Garantie übernommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur in der Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhr. Anzeigen-Annahme: AugnftnSplatz 8, Ecke Jodannisgasse. Haupt-Filiale Berlin: EarlDuucker,Hrrzgl.Bayr.Hojbuchhaudlg.. Lützowsiraß« 10 lFernfprecher Amt Vl Str. 46031 SUial-ikrVedition:DreSden.Marlenslr.34. Dienstag 26. Juni 1906. 190. Jahrgang. Var ttNMigrir vom Lage. * König Friedrich August von Sachsen setzte heute früh von Bad Elster aus seine Reise im Vogtland fort. (Siehe Sachsen.) * In der ungarischen Delegation wurden leb- hafte Angriffe auf G o l u ch o w s k i,s äußerePoli- t i k gerichtet. (Siehe Tagesschau.) * Im englischen Unterhaus lehnte dec Staatssekretär des Auswärtigen die gemeinsame Ab sendung einer Protestnote an Ruhland wegen der Iudienmetzeleien durch England, Frankreich und Deutschland ab. (Siehe Ausland.) politische Lagerrcha«. . Leipzig, 26. Juni. Trotha- Abschied. Mit einer sehr bemerkenswerten Rede hat General von Trotha sich am Sonnabend von den Herren der Kolonial verwaltung verabschiedet, die ihm zu Ehren im Kaiserkeller ein AbschiedSefsen veranstaltet hatten. Nachdem der Erb- Prinz zu Hohenlohe dem früheren Höchstkommandierendea in Süvwest DankeS- und Abschiedsworte gewidmet, hielt General von Trotha eine Rede, die nach dem „Deutschen Boten folgenden Wortlaut hatte: „Ihre Einladung, meine Herr«, und Ew. Durchlaucht liebens würdige Worte sind für mich ehreuvoll und hab« mich hocherfreut. Ich bin der älteste deutsche Offizier und eioer der ältesten Beamten der Kolouialabteklung und trag« den Khoki-Rock und den Tropenhut in verschiedenen Formen und mit einigen Unterbrechungen seit 12 Jabren. Das dieser Rock auch mein Sterbehemd werden würde, dessen war ich mir bewußt, als ich zum dritten Mal im Mai 1904 hinaus« ging. Au- welch« Gründen er die» geworden ist, zu erörtern, siegt außerhalb von Zett mrd Ort de» Augenblicks. Mir genügt mein Bewußtsein, al» Soldat and Beamter meine Schuldigkeit getan zu haben, mrd da» sichere Empfind«, au» allen 3 Phasen meiner überseeisch« Laufbahn mtt weißer Weste zurück- gekehrt zu sein. Die Geschichte wird sprechen, ob ich da» Richtig« traf. Die Geschichte wird vielleicht einmal auch ohne Indiskretion meine Be- richte vom Jahre 1897 und die der letzt verfloss«« Jahre zur Veröffentlichung bring« und es beweisen, daß ich fast alles so vorausgesagt, wie es gekommen und wahrscheinlich auch noch kommen wird. Die Geschichte wird darüber ihr Urteil fällen, ob ich grundlos der grausame Kriegsführer war, und ob dieser Krieg aus andere Weise endgültig zu beendigen ist. Es ist und bleibt ein Raffenkamps, an dem alle Völker der Erde interessiert find, die das schwarze Erbe wirtschaftlich anzutreten bereit sind. Bor Beendigung dieses Krieges die Pslugschoar anzu- legen, ist vergebliches Bemühen. Das lehrt uns das Studium der Kolonialgrschichte aller Völker. Die 50 Jahre, die diesem Rassen- kämpf vorausging«, waren nur das Präludium, die das schwarze Volk brauchte, um sich der Wirklichkeit bewußt zu werden, lieber die Berechtigung dieser Wirklichkeit nach der einen oder anderen Seite zu politisieren oder zu polemisieren, ist ein eitles Unter sangen. Die Entwicklung der Erde und ihrer Staatenbilduug wird weiter vor sich gehen und das eiserne Rad der Zeit wird die Redner und Volkstribune mit ihren Partei-Jnteressen zermalmen. Solche Jahre aber, wie die verflossenen 1904 und 1905 durch- lebt unter Hunger und Gefahr, triefend von Schweiß und Blut, schaffen neuen Kitt zwischen den Mitarbeitern, der nicht mehr bricht, und der auch allen Animositäten gegenüber standhält. So fühle ich mich mit Ihnen verkittet und verbunden, Ihr Glück ist mein Glück, Ihre Zukunft ist die meine. Ich leere mein Glas auf Deutschlands Kolonien, auf deren Leiter und auf seine Truppen. Das Zentrum und die Kolonialpoluik. Der demokratische Zentrumsflügel ist unter der Füh rung des Herrn Erzberger sichtlich zu den schärfsten An griffe auf die Kolonialabteilung entschlossen. Nachdem das Stuttgarter Zentrumsorgan jüngst angedeutet hat, daß die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen Gouverneur von Puttkamer deshalb unterbleibe, weil er zu viel wisse, und daß es bei der Gehaltszahlung an den Erbprinzen von Hohenlohe nicht mit rechten Dingen zu gehe, schleudert das Karlsruher Zentrumsblatt eine ganze Reihe der schwersten Anschuldigungen wider die Kolonialverwaltung. Ta wird zunächst die Behauptung von angeblich in Südwestafrika begangenen Unter schleifen wiederholt. Es handelt sich hierbei um mili tärische Ausrüstungsstücke, die später in Argentinien ver kauft worden sind, die aber nach einer dein Reichstage von der Regierung erteilten Auskunft auf die Beraubung eines gestrandeten Schiffes zurückgeführt wurden. Nach dem „Badischen Beobachter" soll das gestrandete Schiff jene Ausrüstungsstücke gar nicht an Bord gehabt haben. Der „Bad. Beob." geht aber noch viel weiter: er läßt das „gesamte Rechnungswesen" in Südwestafrika „total zu sammengebrochen" sein, eine Kontrolle darüber, ob die von der Reichshauptrasse bezahlten Waren auch geliefert seien, fehle vollständig. Nicht besser als die Zwilver- waltung kommt die Schutztruppe bei dem „Bad. Beob." loeg. Unter Berufung auf Soldatenbriefe behauptet das Zentrumsblatt, daß die Truppen herumlägen, nichts zu tun hätten und entarteten; die Gefängnisse seien mit Weißen überfüllt; unter den Offizieren seien „vielfach" solche, die infolge von Schulden und anderen Vorkomm nissen vor dem Abschied standen. Gegenüber derartigen Anschuldigungen dürfen sich die verantwortlichen Stellen nicht Passiv verhalten. Entweder sind die Angaben des „Bad. Beob." vollkommen falsch oder Aufbauschungen von Kleinigkeiten oder begründet. Ist letzteres, wie wir nicht glauben, der Fall, dann ist es die Pflicht der Re gierung, der Oeffentlichkeit eine authentische Aufklärung darüber zu geben, daß die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen und die Mißstände beseitigt wurden. Liegen den Angriffen des Karlsruher Zentrumsblattes aber, wie wir annehmen, reine Erfindungen oder tendenziöse Entstellungen zugrunde, dann hat die Staatsanwalt schaft einzuschreiten. Unter dem Schutze der parlamen tarischen Immunität bleibt mancher Anwurf ungesllhnt; um so notwendiger ist es, daß ein Verholten, welches das Vertrauen zur Intaktheit unseres Beamtentums systematisch untergräbt und dem deutschen Volke die Kolonialpolitik verekelt, nicht ungestraft fortgesetzt wird. Die Ungarn und Goluchowskis äußere Politik. Goluchowskis äußere Politik fand gestern in der un garischen Delegation, die ihre erste Plenarsitzung abhielt, eine scharfe Kritik. Während der Budgetausschuß dieser Delegation noch recht glimpflich mit ihm verfahren war, forderte im Plenum einer der Delegierten unter lebhafter Zustimmung seiner Kompatrioten den Minister klipp und klar auf, abzudanken, weil er sich zum Nachteile Ungarns in die ungarische Krisis eingemischt habe. Besonders er bost war der Vertreter der Magyaren, weil der Pole Goluchowski sich der ungarischen Delegation gegenüber nicht der ungarischen, sondern der deutschen Sprache be- dient hatte; er meinte, man könne von dem gemeinsamen Minister doch erwarten, daß er des Ungarischen mächtig sei. Ein anderer bezeichnete das Expose Goluchowskis als phrasenhaft :.nd sagte höhnisch, er wisse nichl, ob es als Spott oder Unorientiertheit aufzufassen sei, daß der Minister erklärt habe, der griechisch-rumänische Konflikt sei auf dem besten Wege, beigelegt zu werden. Weiter wurde Goluchowski wegen seiner Haltung in der Marokkoangslegenheit angegriffen. Wie erinnerlich hatte der Minister seine Stellungnahme an der Seite Deutsch lands mit den Handelsinteressen Oesterreich-Ungarns be gründet. Demgegenüber suchte der Abg. Teleki nachzu weisen, daß Oesterreich-Ungarn in Marokko keine Han- delsinteressen habe, nur der Trabant Deutschlands ge- Wesen sei und keine Ursache habe, sich im Interesse Deutschlands in einen großen Krieg verwickeln zu lassen. Daß, wie Goluchowski erst kürzlich betonte, Oesterreich- Ungarn nur deshalb die Vermittlerrolle übernommen hatte, um einen Krieg zu verhüten, ist also ganz spurlos an den Ohren des Herrn Teleki vorübergegangen, der nicht umhin konnte, anscheinend sehr befriedigt, es als außer jedem Zweifel zu erklären, daß Deutschland in Algeciras eine Niederlage erlitten habe. Die;e Leute verlangen also, daß Oesterreich-Ungarn, geradeso wie Italien, zu der angeblichenNiederlage der deutschenDiplo- matie in Algeciras hätte beitragen sollen und sic meinen, daß sich durch eine solche Haltung ein großer Krieg besser vermeiden lasse, als durch eine auf gegenseitige Verstän digung abzielende Vermittelung. Ungarische Logik! Ein anderer Redner bemäkelte es, daß das Expose das Ver hältnis zu Deutschland ein enges nenne und sich Italien gegenüber eines weniger freundschaftlichen Tones be diene, was geeignet sei, das Verhältnis zu diesem Lande zu trüben. Dann wurde noch die Balkanpolitik des Ministers getadelt, die scharfen Ausdrücke gegen Serbien gerügt, die hohen Militärlasten und die Vernachlässigung der volkswirtschaftlichen Interessen beklagt, kurz an dem Minister wenig Gutes gelassen. Scllbst ein so gemäßigter und im allgemeinen recht verständiger Politiker wie Vatthyani erklärte, er könne dem Minister das Ver trauen nicht votieren. Aber er konnte doch nicht anders, als das Vorgehen des Ministers in Algeciras „in ge wissem Maße" billigen. Denn, sagte er, solange Oester reich-Ungarn im Bündnisse mit Deutschland stehe, sei es verpflichtet, seinen Bundesgenossen innerhalb der Grenzen des eigenen Jnteresses(I I) zu unterstützen. Der Fehler des Ministers bestehe darin, daß er das befolgte Vorgehen schlecht motiviert habe. Vatthyani besprach sodann die Politik gegen Serbien und äußerte, der Minister möge die Bestellung der Kanonen bei den Skoda-Werken nicht forcieren, sondern auf andere Konzessionen sehen. In die Zukunft scheint Vatthyani mit recht wenig Ver trauen zu blicken. Er sagte, es sei dringend zu wünschen, Lmtz Italien der dritte im Bunde bleibe. Oesterreich- Ungarn diirfe nicht allein mit Deutschland im Bunde bleiben, da es sonst von dem Ringe, der sich immer enger um Deutschland ziehe, zerdrückt werden würde. Er sagte schließlich, in Ungarn habe die Begeisterung für den Drei bund in letzter Zeit abgenommen, namentlich wegen der großen Heeresausgaben, von welchen man in Ungarn glaube, daß sie größtenteils wegen des Dreibundes ge macht würden. Die letzte Behauptung machen sämtliche Dreibunds gegner, die natürlich den zahlenmäßigen Gegen beweis, wie er dieser Tage im Budgetausschuß der österreichischen Delegation vom gemeinsamen Kriegs minister geführt wurde, einfach ignorieren. Nach dessen Angaben ist in Oesterreich-Ungarn das Verhältnis des Rekrutenkontingents zur Bevölkerung seit 1869 auf 2,8 Prozent gegen 4,8 in Deutschland stehen geblieben und die für Wehrzwecke gewidmeten Mittel betragen in Oesterreich-Ungarn ein Sechstel der Gesamtausgaben, während sie in D e u t s ch l a n d die Hälfte und in Frankreich ein Drittel ausmachen. Wenn also das „Zerdrücken" des Dreibundes wirklich einmal losgeht, so hat Deutschland auf jeden Fall das Seinige getan, un: diese, nebenbei bemerkt, doch wohl etwas un wahrscheinliche Prozedur den Herren „ringsum" so schwer wie öglich zu machen, während die Bundes genossen in dieser Hinsicht vielleicht manches zu wünschen übrig lassen, sofern sie überhaupt sich ihrer Bundes pflichten dann noch erinnern sollten. Goluchowski wird übrigens den ungarischen Herr schaften wohl noch Rede und Antwort stehen. Deutsches Keich. Leipzig, 26. Juni. * Zur Puttkamer-Assäre. lieber diese Angelegenheit sind eine Menge unrichtiger Meldungen und irriger Voraus setzungen im Umlauf. Das Disziplinarverfahren gegen den bisherigen Gouverneur von Kamerun würde, wie der „In formation" mitgeteilt wird, auch eingeleitet worden sein, wenn Herr von Puttkamer das Verfahren nicht selbst gegen sich beantragt hätte. Auch ist zu berücksichtigen, daß der viel- genannte und vielbesprochene Bericht, dessen Veröffentlichung zu einem strafrechtlichen Ermittelunasversahren gegen Be amte der Kolonialabteilung Veranlassung gegeben hat. nicht den Abschluß des Schriftwechsels in dieser Sache, sondern nur einen Teil der eingeforderter Aufklärungen bildet. * Die Personentarisresorm. Minister v. Marschall hat, wie aus einem Schreiben an den Vorsitzenden der Budget kommission der badischen Zweiten Kammer, Landtagsabg. Gueßler, hervorgeht, dem preußischen Minister der öffent lichen Arbeiten mitgeteilt, die Großherzoglichc Regierung müsse von dem ihr durch Artikel 7 des Staatsvertrages über die Vereinfachung der Main—Neckarbahn zugestandenen Rechte der Festsetzung der Tarife Gebrauch machen und für den Fall des Zustandekommens der Tarifresorm den Fahr preis der dritten Klasse in den Personenzngen auf dem badischen Gebiet dieser Bahn auf 2 Pfg. per Kilometer sest- setzen. * Die badische SchalLorlage. In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer stand aie Schulvorlage zur Beratung. Abg. Rohrhurst führt als Berichterstatter aus, nur schweren Herzens und im Interesse des Zustandekommens der Vor lage habe man den Beschlüssen der Ersten Kammer zuge- sttmmt. Staatsminister v. DuLch erklärt, die Regierung könne dem Festleaen der Gemeindedeiträge nicht stimmen; er bitte, die Vorlage an die Kommission zuruckzuverweisen. Würde die Vorlage in dieser Form angenommen, so würde die Regierung die Vorlage zurückziehen. Nach daraus folgender Debatte wurde die Vorlage an die Kommission gegen die Stimmen der Sozialdemokraten zurl'.ckverwiesen. * Truppenverftärkungen an der Oftgrenze. Die Meldung der „Times" von einem geplanten militärischen Eingreifen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zur Unterdrückung einer Revolution in Rußland hat ohne Zweifel ihren Ur sprung in der Absicht, die Garnisonen an der russischen Grenze zu verstärken. Die meist Hit unterrichtete Wiener „Allgemeine Korrespondenz" schreibt nämlich: „Wie man uns mitteilt, werden in nächster Zeit di« Garnisonen an der östereichisch-rossischen Grenz« in ent sprechender Weise verstärkt werden, da die Vorgänge in Rußland vom militärischen Standpunkte diele Vor sichtsmaßregel als notwendig erscheinen lassen. Die gleichen Vorkehrungen würden seitens der deutschen Militärverwaltung an der deutsch-russischen Grenze ge troffen werden. Hierüber sei auch eine Verständigum, ge legentlich der Anwesenheit des Kaisers Wil helm in Wien erfolgt." * Althoss schwer erk.ankt. Wie aus Kissingen verlautet, liegt der vielgenannte Ministerialdirektor Älthoff an einem schweren Leiden darnieder. Die Erkrankung ist so ernst, daß nur geringe Hoffnung besteht, daß Althoss sein« Amts tätigkeit wieder ausnimmt. * Fanfare hier — Ehamadc dort. Mit vollen Backen ließ der „Vorwärts" Siegessanfaren über das Ergebnis der Reichslagsersatzwahl in Hannover vernehmen; eine Ehamade dagegen wird über dasselbe Thema in der „Säch sischen Arbeiterzeitung" zu Gehör gebracht. Sie schreibt „Das Wahlergebnis müßte... als ein bedenkliches bezeichnet werden, wenn man die Stimmentwickelung der Parteien für die nächstfolgende Wahl in entsprechenden Zahlen voraus- ahnen wollte. Dann würden wir zwar weitere Zunahme haben, aber die Gegner hätten eine erheblich bedeutendere Zunahme und könnten eine Stichwahl herbeiführen... Diese Tatsachen zeigen, daß die Gegner es mehr als früher gelernt haben, die Wähler gegen die Sozialdemokratie an die Urne zu bringen . . . und daß die bevorstehenden Kämpfe lbei den Wahlen. Red.f schärfer und schwerer sein werden denn je." Hoffentlich kommt es ganz allgemein so, wie die „Sächs. Aro.-Ztg." prophezeit. * Gegen die russischen Judenmetzeleien. Gestern sand in Berlin in der Tonhalle ein« große Vvlksverfamlung statt, die gegen die russischen Massacres protestierte. 'Den mit stürmi schem Beifall aufgcnommenen Vortrog hielt der bekannte Feuilleton. Doch sinck krauenllänen Qar wunckerliche Dinger. Lckelsteine, Die eine güt'ge fiee mit stiller Usnck Von Zug' unck Wange sammelt, einen liranr, 'nen ätrahlenlcranr ru flechten eurem Haupt, Dafl rührencker unck schöner ihr nur schaut. 0, lAanneatrSnen flnck ganr snckrer Tlrh 8>e bleiben ungeweint unck sinken tief, tlleich Kieseln kalt unck schwer rum Uerrensgrunck. Dort liegen sie. ein starrer, eisiger 8chutt, Lin Lis, ckas friflt unck sengt, wie Leuerbranck. IVtlpelm von Polenr. Turner. Von Frank Freund lLondon). Man ist gewohnt, dann und wann von großen und be deutsamen Kuktstsunden aus alter, grauer Zeit irgendwo in einem ägyptischen Grabe oder aus einer Insel des Archi- pelagos, unter Schutt und Asche zu hören; kaum aber durfte cs bisher vorgekommen sein, daß 21 Bilder, darunter viele von einzigartiger Bedeutung, eines vor wenig mehr als 5,0 Jahren geschiedenen Künstlers plötzlich und ganz unver hofft ans Tageslicht gezogen werden, um in strahlender Frische von den Lichtträumen eines der Großen im Reiche der Kunst zu zeugen. Das aber ist vor nicht langer Zeit in London mrt Turners Bildern geschehen, die nun in der Täte Gallery, der „Nationalaalerie englischer Kunst", m einem eigenen Saale zur Ausstellung gelonot sind Wer Turner, der bei unS nur durch die allerdings trefflichen Photographien Hanfstängl», vornehmlich seinen „T»m6raire", bekannt ist, nun wirklich kennen lernen will, darf sich nicht mehr auf den Saal der National Gallery beschränken, der sein „Vermächtnis" an die Nation umschließt, er wird nun mehr zur Täte Gallery hinauspilgern müssen. Aber die Mühe wird sich bezahlt machen, denn während die alten Bilder durch zu frühes Firnissen und allerlei andere Ur- achen teilweise schon stark gelitten haben und nachgedunkelt ind, haben sich die neuentdeckten Bilder trotz der verächi- ichen Behandlung, der sie über 50 Jahre ausgesetzt waren, doch ganz wunderbar erhalten und strahlen nun nach iorg- sältiger Reinigung und Ausbesserung von Teilen der seuchl- gcwordenen Leinwand so „herrlich wie am ersten Tag". Turners Entwickelungsgang, sein Anlehnen an hol ländische, dann an französische Künstler, war ia längst be kannt und trat in den bisher sichtbaren Bildern klar genug zutage. So können unter den in der Täte Gallery ausge stellten Stücken Bilder, wie „Ä Harvest Home" und „River Szene", dieses stark an Cuyp erinnernd, nicht weiter über- rcychcn. Was aber die neuausgesuudenen Bilder für unsere Kenntnis und Schätzung Turners bedeuten, ist nicht mehr und nicht weniger, als eine Art Ehrenrettung seiner späten, so ost als Niedergang beklagten und verurteilten Malperiodc Hier zum ersten Male tritt rein und fügend- frisch vor uns hin, was er gewollt, was er ersehnt, was er, der damals schon stark alternde Mann, innerlich geschaut, soweit er imstande war, den Traum seiner Seele mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln sichtbar zu machen, ihm Gestalt zu verleihen. Denn das Letzte, das Höchste, das, was sein Hirn und sein Herz wie Feucrslammcn durckizuckte, die wunderbarsten Ekstasen mystischen Schauens, ihnen konnte er ja keinen Ausdruck geben. Zwischen Auge (äußerem wie innerem! und Pinsel geht ja doch ebensoviel verloren, wie zwischen bewegendem Geist und Feder, und jeder hat sich zu bescheiden. Aber in diesen Bildern wurde die Vision, die sie geboren, nicht über das Stadium der Geburt hinausge zogen. Kein allmähliches, lang sich hinzichcndes, zusagendes, wegnehmendes Aendern und handwerkliches Fertigstellcn brachte sie zur „Ausstcllunasreife". Sie sind wie in mysti scher Raserei hingesctzt, solange das innere Feuer währte, dann, sobald dieses ebbte, sobald des äußeren Lebens raube Stunde von außen wieder anklopste, wurden sie weagestellt. Der Meister hatte aetan. waS er gemußt, er wandt« sich, wie einst Lionardo. in solchen Fällen anderem zu. So sind sie „unfertig" geblieben, diese Bilder, und doch verraten sie mehr als die sogenannten „fertiggestellten" Werke. Aus ihnen spricht es deutlich: Es gab eine Zeit, da sah Turner nur noch in sich hinein; dort hatte er m langen Jabren all die herrlichsten Bilder aus Erden ausgespcicbert, uno nun schuf er aus der Erinnerung, nicht mehr bestimmte Landschaften, diese oder jene Szene, sondern Stücke des Weltalls, das sich ihm ofsenbarte. Er wurde der Maler des Chaos und Kosmos der Maler der Elemente, die sich ewig verbinden, sich wieder bekämpfen, umschmeicheln, endlich in untrenn bare Einhest zerfließen. Ueber allen aber leuchtet das Licht, dos ewig währende Licht. Es gießt seine Strahlen aus bis in die äußersten Winkel, alles erhält sein Leben von ihm, es reinigt alles, entsündigt alles. Und einmal malt er einen Engel, der mitten in der Sonne steht, die Arme weithin breitend, und es ist, als hörte man die Worte: Es werde Licht! Es ward Licht. Man hat Turner immer nachaesagt, auch er habe mit seiner Kunst, wie die meisten englischen Künstler, „moralisch" wirken wollen. Faßt man das „moralisch' weit genug, entkleidet man cs jeglichen puri tanischen Beigeschmackes, so hat man recht mit diesem Aus spruch. In Turner hatte sich die Gottheit, die sich ja alle wahren Künstler zu ihren Propheten erkürt, einen Verkünder der Herrlichkeit des Lichtes geschaffen. Er sah und stellte dar den ersten Teil des Schöpfunasdramas, das einst ein Milton — Milton, der für die englische Kunst einigermaßen das darstellt, was Dante für die italienische bedeutet — vor ihm in Versen geschildert, und als er von dannen ging, war schon sein eiaenilichcr Nachfolger im Geist an der Arbeit, der den letzten Teil des Dramas behandeln sollte, Watts, der von der Schöpfung des Menschen, seinem Fall und seinen Sünden zeugte. Was Turner für die Welt der Elemente getan, tat Watts für die Welt des Menschen. Turner ah in mystischem Schauen Kampf und Liebe und heiliges Gesetz des Weltalls, Watts das der moralischen, der menschlichen Welt. Geht man aus diesem neuen Turncrsaal hinüber in den Wattssaal der gleichen Galerie, so ist es, als erlebte man das oanzc Wrltendrama mit, Anfang und Ende, und man begreift, daß hier Heiligstes und Größtes zusammen- gekommen. — Zu solcher Tätigkeit mußte ein „Landschafter" > (unter welcher Rubrik Turner ja gewöhnlich figuriert) kom men, der nicht bloß mit äußerem Auge und einer Freude an der Wirklichkeit, sondern mit innerem Auge schaute, und dem alles Seiende aus einem Quell stammte und eine Qssen- barung war. In wie vielem Watts seiner Wesensart nach Turner verwandt war, wie sehr sich dies im Schassen und natürlich auch der Scbasfensart der beiden kundtut, wie Watts aber, der viel mehr bewußte Geist — diese Bewußtheit gibt sich künstlerisch in seinem Hiuneiaen zu statutarischer Kunstanschauung zu erkennen — nach der Richtung der Dar stellung des moralischen Reiches sich entwickeln mußte, wie ferner daraus sich bei zunehmendem Alter, das das innere Schauen nicht trüben kann, in Turner das Stärkerwerden der Sehnsucht und Liebe zum alles belebenden Licht, in Watts aber mehr und mehr zur zukunfttragenden, sicgver- hcißenden Jugend iscin Sonnenrciter, seine Statue „Energie", der kühne Eroberer auf dem gewaltigen Roß) erklärt — all das hier darzulegen, würde zu weit führen. Uns soll nur noch eines hier beschäftigen, Turners Stellung zu den sogenannten Impressionisten. Man Hot sich gewöhnt, das Wort Impressionismus in sehr weitem Sinne zu gebrauchen, cs nicht mehr aus eine ganz bestimmie Schule anzuwendcn. Im Sinne einer Kunst, die aus momentane Be wegung, aus die die scsten Formen ^uslösende Tätigten der Lust und des Lichtes gerichtet ist, darf man den Ausdruck Impressionismus aus gar manche Schöpfung Turners sicher- ich anwcndcn. Man lebe sich nur mal in dem neuen Saal eine Scaelbootrennen daraufhin an, die überhaupt ganz ebcncrfiillte große Meisterwerke sind: wie mit gesteigerter Konzentration alle Mittel angewandt sind, eines das andere immer bebend und steigernd, das Thema, eben die über die Wellen dahinsauscndc Bewegung der Boote, wiedcrzugcben. Aber dieser Impressionismus ist bei Turner nur eine Be gleiterscheinung, kein Ziel, dem er nachstrebt, das seiner Kunst Wollen umschließt. Und nun gar den eigentlichen französischen Impressionisten, die diesen Namen ja süc sich selbst wählten, ihnen steht er in seiner Wesensart geradezu diametral gegenüber. Was er wollte, besser was er m » ß t c, haben wir gesellen. Was nun wollten die Franzosen. ein Monet, ein Pissarro, ein Sisley uiw.? Denn von einem Mussen, einem innerlichen Müssen, ist bei ihnen, da fühlt man, nicht die Rede^ wenn es auch bei ihnen um eine ganz lo-ische und daher sich natürlich ergebende Folge hau-
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