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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.11.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061101011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906110101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906110101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-11
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/ Leipzig «L Soroct«. I» der Huup-, Lpedttion »der deren »nSgabestelle« ad- IhoU «oaatttch: Anlgabe L lt «al täglich) kO Vs., »«»-ab« L (2 mal täglich) 80 W„ Lei Zustellang in» Haag AnSgab« 8V P^. l»o«cObe L l Marl. Durch u»i«« aus- wLrttgeu AnSgadeftelle» and durch di» Poft bezogen (1 wal täglich) für Deutschland «ad Oesterreich monatlich l Mark, für dir übrige» Länder lent Aeitunarprettlist». Dies» Aunuuer kostet ans ä än ätz> S allen Babnhvfen nnd bet III ste» fteitaagä^Berkänirrn I" Aebattta» »ns »rpeputuur IohamliSgasse Televdrm Nr. UL dir. LL. Kr. U7S. Berliner AepeWovS-Burea»: Berlin dkV. 7, Prinz Louis Kerdinand- Etraße l. LÄephon I. dir. «7b. NipMrTagMM Handelszeitung. ÄmLsvlatt des Nates «ad des Nolizeiamles der Ltadt Leipzig. L«" «SdSK Anzeichen-Preis di« 6 gespaltene PeMzett« sür Geschäft«» Inserate an« Leipzig und Umgebung W Pf„ Familien-, Wohnung»-«. Stellen-Lazeigen, sowie An- und Verläufe 30 Pf, flmmztellr Anzeige» 30 Pf., für Inserate von auswärts SO Pf. Reklamen 75 Pf„ auswärts l Marl. Beilage- gebüdr 4 Mark p.-Tausend rzll. Postgebühr. Grschäftsanzeigrn an bevorzugter Stelle iw Preis« erhöht. Rabatt nach Tarif. Aareigea-Aunahme. Auguftusplutz 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annoueeu» Elveditionea des In- und Auslandes. ür das Erlcheinen an bestimmten Tagen u. ilätzeu wird krtue Garantie übernommen. Haupt-Filiale Verliu: CarlDuncl e r, Herzgl.Bapr.Hofbuchhandlg., Liiyoiviiraße lO lTrlephou Vi, Nr. 4603). Ftlial--Erpeditton.Tresdeu.Marirnslr.A4. Nr. SN. Donnerstag I. November I9ÜS. Var Wchtigrtt vs« rage. * König Friedrich August von Sachsen hat uvr seiner Abreise von Cannes ein Telegramm an den Präsidenten der französischen Republik ge richtet, worauf dieser antwortete. fS. Dtschr. R. und Letzte Dep.) . * AuS Deutsch-Südwestafrika wird von dem stellvertretenden Gouverneur gemeldet: Am 4. Oktober wurde» 10 Kilometer nördlich von Keetm an Shoop der Farmer Schütte, sowie die Buren tzanekam und Pot- greter von Prehräuberu erschossen. * Der Berliner chinesische Gesandte wird wahrscheinlich seinen Posten dauernd verlassen. sS. DtschS. R.) * Die StiftSoberin HeuSler wurde nach fünf tägiger Verhandlung vom Schwurgericht zu München frer- gesprocheu. lS. GerichttsaaL) * In Petersburg sind acht Teilnehmer an de« letzt«» Lombeu-Ätteutat hiugerichtet. lS. AuSl.) « Der Untergang deS Unterseebootes -Lutin" soll durch eine Meuterei der Mannschaft heroeigeführt worden sei». lS. AuSl.) * In Rußland haben >wei Drittel der dieS- fährige» Rekruten sich nicht gestellt. lS. AuSl.) oeben die Augen schloß, die Geschäfte Rußlands neben gab es in den Büchern der Panamaleute ein -Konto n- Die aufrichtige Abueigung gegen un«. heißt daS iu der Sprach« d«S einfachen MauneS: „Jc instweilen »ich., bek»mu»". in Geldsachen nicht, waS besonders für Rußland fatal, »en» Graf Witte, der doch gewiß mit mancherlei tig« tolle spielen al- Fürst Bülow. Den Russen ist eben ein P :emier vom Schlagt TlemeuceauS »och unbequemer alS and« n Leuten: denn er ist ein Starrkopf, der sich in sein Priustp verbeißt und mit de« dann »icht zu reden ist. Selbst iu Geldsachen »icht, waS besonders für Rußland fatal. Uud »en» Graf Witte, der doch gewiß mit mancherlei Dass, m gewaschen ist. ausdrücklich erkläre» läßt, sei» Aufent halt i l Paris hab« durchaus uichS mit der »e»eu Anleihe pr tun, ft heißt daS iu Ker Sprach« d«S einfachen MauneS: „2c kau» vrnttchlaml «ml hm eiewencean. Pichon, Herr Stephan Pichoir, Minister de» Auswärtige» der Republik Frankreich de- in der Souue ClemeaeeauS zum Großwürdenträger einer mächtige» Ratio» wuchs, sprach und hatte nach seiner Meinung gute» Grund dazu. Denn noch dieser ist eS dem deutschen Volke bei dem Gedanken an Clemenceau beklommen zumute geword-n, und io war eS Pflicht deS alten Ele» mencea», »nS zu versichern, daß pou heute aus morgen «in Minister d-s A-ußere» die politÄche» Konchinationea »icht ändern könne. Clemenceau ist, wie sei» Freund BrandeS irr den Kopenhagener -Politiken" treffend anSführt, „der stärkste Wille im Lande. Er front nicht um Rat, er will, und er weiß, waS er will." Gerade Frankreich ist aber daS Land Europas, in dem ein ausge sprochener, unbeugsamer Dille selten ist und sich am leich testen durchsetzt, sobald sein Träger erst an maßgebender Stelle steht. In Frankreich ist der Durchschnittsmensch Ovw rtu-ist: die, welche vou Anfang ihrer Laufbahn an, sich und ihrem Prinzip unentwegt treu blieben, kann man an den Fingern abzählen. Clemenceau gehört zu ihnen, und von Leuten seines Schlages werden die Franzosen sich stets tvran- nisieren und selbst in Abenteuer gefährlicher Sorte Hetzen lassen: sie ducken sich vor der Geißel. DaS wußten die Novo- leons, daS weiß George- Clemenceau. In Paris gerade spöttelt man so gern über daS deutsche Volk, das aus das Kommando eines einzigen Mannes stramm stehe, marschiere und halt mache. Und die guten Pariser merken nicht, daß das Lei ihnen nur deshalb nicht der Fall ist, weil die wirklich groß n Energien bei ihnen so selten sind. 2ie dritte Republik ist augenblicklich in einer guten Assi^te, bester als in den Jahren, do Herr von Mohrenheim, der .. I. ' " seiner eigenen, nicht immer sehr vornehmen, betrieb. Da mals gab es in den Büchern der Panamaleute ein „Konto M." Aber man sah in PeterSbura dem geschäftskundigen Botschafter viel nach, denn er betrieb die große Allianz, er wume, daß für den Zaren Milliarden in Paris zu holen warm, wenn man den guten Republikanern die Revanche untef russischer Beihilfe in hübscher Beleuchtung in der Feriie, über den Bergen deS WaSgenwaldeS zeigte. DaS war j die schlimmste Periode der Republik, wo alles nach Fäulnis roch, und der Schlamm in den Gasten der Politik knietief lag: wo d>e pminsss ristion zu einer Satrapie des Mos öwitertumS geworden war. 2saS hat sich geändert. Jene schlimmen Jehre hat Frank- hinter sich, wie Herr JSwolSky gemelkt haben wird, echt viele Schwerhörige am Quai tz'Orsay gefunden dürfte. Man braucht Rußland nichttmehr so dringend. reich der habe Höchs enS hält man mit ihm gut, weil man eS zur Beun- ruhii «ng deS deutschen Nachbars gebrauchen kann. Man hat ja he te England in der sntonto oovckiale. Aber eins ist aus der : eit Mohrenhermschrr Arbeit in Paris unverändert ge- blieb i ' f „ I E> ste kein Zufall, daß in gleicher Zeit Herr JSwolSki nach Pari > und Herr von Tschirschky nach Rom ging. Don beiden glaul t die Welt, daß sie Risse verkleistern solle», während die offizi llen Organe mit eherner Miene darauf Hinweisen, daß die lriden Akteure ja^ alte und unerschütterliche Allianzen Vorfi «ehr i . .. . . ... hei« iSvoll«« Raunen wurde »nS hocherfreuten Untertanen ktzth in Bi _ „ . DaS ging natürlich an die Adresse de- Herrn Clemenceau, denn ' " " unk mau den. An der Newa muß mau nicht recht zufrieden sein Mit den französischen Freunden: denn mit ge- ? - - » kundgetan, daß der Aufenthalt des Herr» JSwolSky rlin mit wichtigen politischen Dingen zusammenhänge. ging natürlich an die Adresse de- Herrn Clemenceau, der will nichts von einer neuen Rnstenanleihe wissen: denn PetruS »icht will, aeht «an zu Andreas — deukt n Rußland, und bändelt einmal wieder mit un- a». : von Mendelssohn wird für den russischen Minister in l aber im vorliegenden Falle mindesten- eine so wich» u als Fürst Bülow. Den Rusten ist eben nicht, denn er ist einer der Treuesten auS der liberalen Schule, die lediglich in einer Koalition der lateinischen Welt und Englands daS Heil für Frankreichs Größe und Wohlfahrt sieht. Die Traditionen deS Krim kriege- liegen ihm noch in lseraur sur Sem Lenlremrturm «nü «ieaer dineinr er in Wien war, ist daS ein Fehler. Das in Algeciras auf den Sand zu setzen ge- wenn Herr von Tscbirschkv im Ernst glaubt, freundliche^Ripstuag geben zu können, so kennt er hätten ayerss Grund, den Besuch Tittonis Berlin zu rwarten. Herr von Tschirschky den eckten Italienern höchstens als Petent, man zu Mllez ist falls er Konzessionen von Wert der Tasc e hat Schaukelpolitik zwischen enteritv eorssinl« mit Frankreich und abgestanden^ Dreibundliebe weiter treiben, bi- Oester- reich diesc n Gä ikelspiel eines Tages ein Ende macht. Und dann wirt man auch auf den Rest aller Dreibundpolitik in Italien p'-sifen und offen zu Frankreich übergehen. Heute wird man »ns ii Rom höchstens für die italienische Politik auf dem B lkan auszunützen suchen, um dann den Lohn des Mohren zn geb«,. DaS ist lnsre Situation gegen Herrn Clemenceau, denn dieser ist gegenwirtig gleichbedeutend mit Frankreichs Wille» und Macht. An ind für sich ist Clemenceau noch keine Ge fahr. Aber er kann eS über Nacht werden, wenn er den Ruhm seines Landes darin erblickt, daS alte Konto mit unS auSzugleichen. Unsere Offiziösen singen natürlich Wiegen lieder: Herr Clefnenceau kann uud will unS nicht- Böse tun, uno was er ßinst geschrieben und gesprochen bat, ist beute längst vergessen hnd verziehen. Sonst übt man die umge kehrte Praxis: aws de» Laten und Worten de- Manne- und Politiker- sucht mian seine Haltung als Minister zu verkün digen. Warn« bei Clemenceau nicht? Er macht auS seine« Herze» keine Mördergrube und wird unS vou einem Wahne, der gerade zur Zeit der Entlastung BiSmarckS in Berlin spukte, gründlich kuriere»: daß e- ei»e Möglichkeit der herz liche» Beziehungen zwischen Frankreich und »nS gebe. Da kann zwischen dem Deutschland und Frankreich der Kunst, Wissenschaft uud sozialen Fürsorge der Fall sein, -wischen Deutsche» uud Franzose« als Meuscheu gleicher Kultur — nicht aber -wischen der Republik uud dem Reiche iu der Politik. Clemenceau hat di« Lmmue d'Are" mit einem Landung-» korpS n«ch Lanqer qespndt, und seine Gegner schreien Zeter ob dieser Politik der Abenteuer. Hoffentlich haben sie un recht. Kommt eS aber zu einem neuen Konflikt zwischen Frankreich uud «nS, so darf »an sicher sein, daß die Diplo- MqtAGchSmiger zu tu» bekommen als die Generalstäbler. GS Reichstages « n PluS aufweisen zu können, nachdem sein den Knochen. Und England, das gerade Herrn Clemenceau, den „englischen Agenten", wie ihn seine Feinde einst nannten, kennt, wird die Macht Clemenceaus auSzunützen wissen. Mau denke dabei nicht, daß Georges Clemenceau eine Marionette sei und am englischen Drahte zapple. Aber England braucht diese» Maan gar nicht erst scharf zu machen gegen unS. Seine ganze politische Entwicklung uud sei» persönlicher Ge schmack richte» sich ohnehin gegen unS. ES fragt sich nur, ob die natürliche Veranlagung und Geistesrichtung bei einem Manne wie Clemenceau imstande sein wird, vor der politischen Erwägung und Besonnenheit zurückzutreteu. Und mit gutem Gewissen läßt sich das nicht bejahen. Wenn vordem selbst radikale Leute auf französischen Ministersesseln sich scheuten, offen von einem Bruch mit Deutschland zu reden, so geschah eS, weil keiner von Kiese» Dutzendpolitikern die Folgen einer solche» Politik aas sich zu »ehmen getraute. Clemenceau wirk sich »icht ducken, wie im vorigen Jahre Monsieur Deleastä, der als Eündenbock i» die Wüste gehen mußte, weil sich i« Ministerium Rouvier kein Manu sand, der vor den letzte» Konsequenzen einer Verstimmung mit Deutsch land »'cht zurückgeschreckt wäre. Herr Sarrien holte nach Alqeccraü den Kollege» Clemenceau auS der Kulisse, heute steht dieser dicht an der Rampe und spielt die erste Rolle, 'ftur England ist Clemenceau mehr wert als hundert Del- cassös Nnd argen wen sollte die englische Politik diese» starken Dillen und diese volitische Jatelligeuz nütze» als «egen ns? Natürlich -hlt e- »icht an Gemütern in Frankreich und bei uns. dce froh in der Hoffnung sind, der Vatikan werd« Clemenceau d n HalS brechen. Und in Deutschland gibt eS noch politische Abc-Schützen genug, die vou einem heftigen Konflikt der Republik mit dem Vatikan eine Stärkung der deutschen Pis 'ion gegen Frankreich erhoffen. Sie denken in ihrer Unjchald nicht an Stablewski und die Pole», sie denke-' » -dl voran do!r PiuS X. ein kranker Mann ist, und daß die Füße NonrpollaS wieder,vor der Tür stehen. Der eigenlliche So l«L denit wie Nampvlla — eS kau« Stuim nnd Uuwet. r i» Frankreich herrsche«. eS bleibt doch da- LieblingSkim, er Kirch«. Worin zudem die Stärkung der deutschen Politik durch den Vatikan bestehen sollte, ist uner findlich. Den kommende« Herrn in Oesterreich wird kein Nuntius zur Liebe gegen Wilhelm H. bekehren können und wolle», und in Frankreich die Stimmung des Volkes von der Kanzel und im Beichtstuhl für den Frieden mit Deutsch land und gegen eine etwaige deutschfeindliche Politik Clemeu- ceauS bearbeiten — das wäre gegen alle Regeln vatikanischer Taktik. Man wird sich mit dem Manne, der die Ide-' CombeS' durchführen will, katzbalaen, daß die Haare fliegen. Sobald aber dieser Mann den Heerbann gegen Deutschland ausbietet, wird man in Rom seinen Frieden mit ibm machen Und für den Sieg seiner Regimenter beten.« Darüber sollten wir «nS doch nicht mehr täuschen. Aber Her» von Tschirschky war in Rom und hat dort sicherlich der, Franzosenpolitik im Ouirinal und Vatikan Abbruch getan. So sprechen viele kindliche Gemüter es gläubig nach., Herrn von Tschirschky kann man es nach fühlen, daß er>das Bedürfnis hatte, beim Zusammentritt deS Reichstages t n PluS aufweisen zu können, nachdem sein Debüt »icht g rade glanzvoll war. Aber wenn er nach Rom ging, nachdem er in Wien war, ist daS ein Fehler. DaS wird lediglichfrcn Hochmut derer um Prinetti stärken, die uns so freundlich hachten Und «iuuvt, dem Kurs de« italienischen Politik eine dauernde deutsch freundliche Richtung geben zu können, so kennt er die Heuligen Stimmungen in Italien schlecht. Gerade wir in gilt den .... in Im übrigen wird man trotz Tittoni die w,e ne teves unternveivunasvermogeu zwischen Wortklaube reien und Tatsachen eingebüßt haben. Kaum eine Versamm lung trMtdeiner «»deren Partei ließe sich mit diesen seichten Scheingründen so an der Nase berumführeu, wie da- Herr Roeren in Trier mit den katholischen Mannen vermocht hat. „RauS an- den Kartoffeln — rin in die Kartoffeln!" Wenn «S nicht deutsch« Bürger unserer Zeit wären, mit denen so umgegange» wird, die Sach« wäre »um Lache». Führer, um die Wohler bei sieht man wieder einmal" waS Wablermasscn sich bieten lasse: War es nicht Dr. Bachem, der die Zentrumsmannen aus dem Turm herausführen wollte wegen der drinnen be- grenzten und draußen unbegrenzten Möglichkeiten? „So lange wir eine katholische Partei bleiben, können wir über die katholischen Wahlkreise nicht binausgelangen. Freilich gelingt es manchmal, auch in Kreisen mit katholischen Minderheiten zu siegen. Aber so töricht sind die Leute leider nicht überall. Also heraus aus dem Zentrumsturm!" L>o ungefähr deduzierte er. sand aber wenig Anklang bei den Turmdewohnera. Die fühlten sich sehr behaglich im Schutze der tonfelsionellen Mauern, über denen die schwarze Fahne webt. Fingen gar an zu murren über solche Zumutungen, über Verletzung geheiligter und probater Tradition. Das erlannte rechtzeitig der Abgeordnete von Merzig-Saarlouis, der Geheime Justiz-, auch OberlandesgerichtSrat Herman» Roereu, weshalb er auf dem Zentrumsparteitaae tn Trier kommandierte: „Hinein in den ZentrumSturm! Hier wird an da- schwierigste Problem deS Zentrums gerührt, an die konfessionelle Frage. Tatsächlich ist d»e Ant wort längst gegeben. Sie ist nie streitig gewesen. Dar Zentrum istckatholisch. ES wird katholisch sein, oder eS wird nicht sein. Aber darum bandelt eS sich auch gar nicht, son dern um die Frage der Taktik: Soll die- zugegeben oder be stritten werden? Bisher lautete die Antwort stet-: Be streiten. Nun aber kommt Herr Roeren und sagt: Zugeben. Wie ist da- zugegangen? Nun, daran ist eben Herr Bachem schuld mit seinen hochflieqenden Plänen, Herr Bachem, der sich nichtgenügen lassen will an den sicheren, bequemen katho lischen Wählern, der auch d«S protestantischen Nachbarn Wähler begehrt. Dafür wird er nun von seinem Fraktions kollegen Roeren böS mitgenommen. Versteht sich, nicht etwa in direktem Angriff oder auch nur mit Nennung seines NamenS. Nein, solche Taktlosigkeiten, die do- Volk stutzig machen können, vermeidet man im Schoße d«S Zentrums, wo man auf leichten Sohlen zu gehen lernt. Nur so ganz im allgemeinen sagte Herr Roeren: „ES ist einerlei, ob man unS als eine konfessionelle oder als eine nichtkonkessionelle Partei betrachtet. Ich ver st ehede-halb auch nicht, wie man auch auf katholi scher Seite sich abmüht, zu beweisen, daß wir keine kon fessionelle Partei sind. Gewiß, wir sind keine kovfffsiouelle Partei, indem wir so jedem, der sich zu unseren Grundsätzen bekennt, gern unsere Reih« öffnen, wenn sie nur kämen. Wir sind eS auch insofern nicht, als wir unS etwa darauf beschrankten, nur die Interessen des katholischen Volkes zu vertreten: wir haben ia die Inter essen des ganzen deutschen Volkes zu vertreten über nommen. Das zeigt unsere Vergangenheit und daS zeigt unser Programm. Das wissen unsere Gegner so gut, wie wir eS wissen. Und wenn sie eine gegenteilige Behauptung doch aufstellen, dann tun sie eS wider besseres Wissen, oder aber, weil sie es nicht wissen wollen. Und deshalb sollten wir unS für zn gut halten, immer und immer wieder diese unwahre Behrnvtung zu widerlegen. Tun wir dies auch nicht zu off, weil dadurch sehr leicht in die Reihen unserer eigenen Wähler Verwirrung hineingetragen werden kann, weil unsere Döbler leicht den unrechten Schluß ziehen könnten, daß das Zentrum es nicht mehr als seine Haupt aufgabe betrachte, gerade die Interessen des katholi schen Volkes zu vertreten. Mir gewähren gern den Angehörigen anderer Konfessionen einen Platz in unserer Partei, ober dos Zentrum muß sich in der gegenwärtigen Zeit bewußt bleiben, daß es ausschließlich vom katholischen Volke gewählt, daß das katholische Volk es allein ist, das ibm sein Vertrauen zur par lamentarischen Vertretung geschenkt hat, um die Inter essen des katholischen Volkes zu vertreten. Und wenn diese Ueberzeugung im katholischen Volke ge schwächt wird, dann schwindet die Begeisterung des katho lischen Volkes sür das Zentrum." Das Muster einer ultramontancn Beweisführung! Also zunächst: „Weshalb wehren wir uns dagegen, eine konfessio nelle Partei zu sein?" Herr Roeren versteht es nicht. „Trotzdem sind wir natürlich keine konfessionelle Partei. Denn: gesetzt den Fall, es wäre einer so dumm, zu uns zu kommen, ohne katholisch zu sein — so würden wir ihn auf nehmen. Aber es kommt eben keiner." Aber obwohl wir keine konfessionelle Partei sind, haben wir nur Katholiken als Wähler und ist es unsere Hauptaufgabe, die Interessen des katholischen Volkes zu vertreten. Wer nun noch nicht da- von überzeugt ist, daß dos Zentrum keine konfessionelle Partei ist, der ist das „wider besseres Wissen". O heiliger JgnatiuS, wie weit reicht doch heute noch deine Macht und wie gelehrig sind deine Schüler! Nur ist leider auch der Unglauben gewaltig gewachsen und die Ehrfurcht vor dem Wortgeklingel erschrecklich gesunken. Um aus diesem Wirrwarr endlich berauSzukommen, wollen wir mit dürren Worten sagen, was ist. Das Zentrum ist eine konfessionelle Partei. Herr Roeren weiß das, Herr Rachem weiß das, alle Welt weiß das. In gewissen Situa tionen aber, besonders im Parlament, wenn daS Zentrum sich gern zum Mandatar von allgemeinen VolkSinteressen auswersen möchte, ist ihm dies Faktum unbequem. Und da her von jeher die Flunkerei, das Zentrum sei nicht kon fessionell und habe nur zufällig einen katholischen Zuschnitt. Herr Bachem wollte größerer Pläne halber versuchen, auch nichtkatholische Wähler vor den Zentrumswagen zu spannen. Deshalb wollte er mit der Fiktion der Jnterkonfessionalität Ernst machen oder wenigstens den Anschein solchen Ernstes erwecken. DaS genügte aber schon, nm die ZentrumSwählcr nachdenklich zn machen. Do eS aber die erste Pflicht der ZentrnmSföhrer ist, do- Volk vor dem Nachdenken zu be wahren, so hielt Herr Roeren seine Trierer Rede mit dem Bekenntnis vom Zentrum al» konfessionelle Partei, die nicht konfessionell ist. Also: Hinein in den ZentrumSturm! Wir verwahren unS ausdrücklich dagegen, diese Deduktio nen über ZentrumSdvgmatik als wichtig sür die deutsche Politik i« ihrer Gesamtheit anzusehen. Wa« hier vor sich geht, sind rein innerparteiliche Auseinandersetzungen de- ZentrumS, Mübewaltuuaen der Führer, um die Wohler bei der Menge zu halten. Aber interessant sind diese Vorgänge, hochinteressant. Vor allem sieht man wieder einmal, was diese ultramonton erzogenen Wablermasscn sich bieten lassen, w,e sie iedeS NnterscheidunaSvermögen zwischen Wortklaube- lung irgyndeiner a»deren Partei ließe sich mi Scheingrünben so an der Nase berumführeu 100. Jahrgang. Privatport. Vor mehreren Tagen brachten wir folgende Notiz: Ein findiger Geschäftsmann hat sich in Magdeburg eine Lücke im Postgesetz zunutze gemachr, um dort unter der Firma „Privalpost Courier, G. m. b. H." eine neue private Ärlesbcsorverung ms Leben zu ruseo, die jür ein- fache Briefe und Karten nur 2!-s verlangt. Da das Gesetz vom 20. Dezember 1899 in Artikel 3 nur Stücke mit Aufschrift bestimmter Empfänger von der privaten Beförde rung ausschließt, hat der schlaue Magdeburger Herr eine Einrichtung erfunden, wonach die Adressen nicht auf den Sendungen selbst, sondern auf besonderen Formularen mederzuschrelven sind. Ob er damit durchkommen wird? Hierzu wird uns geschrieben: Nein, der findige Kauf mann wird damit aller Voraussicht nach nicht durch kommen. Zunächst kann es sich bei den „einfachen Briesen" in vorstehender Meldung wohl nur um unver schlossene Briese handeln, denn sür verschlossene Briefe ist die Rechtslage völlig klar: verschlossene Briefe dürfen »m allgemeinen weder nach außerhalb, noch im Orte selbst gegen Bezahlung auf andere Wesse alS durch die Post befördert werden svgl. 8 1 deS PostgesetzeS vom 28. Oktober 1871 und 8 In, emaefügt durch Artikel 2 der Novelle zum Postgesetz vom 20. Dezember 18SS>. In AuS- nähme hiervon ist nur die Beförderung solcher Brief« durch besondere (bezahlt ei Boten gestattet, und zwar nach außerhalb nur dann, wenn diese von einem Absender abgesandt sind und dem Postzwang unterliegende Gegenstände weder von anderen mitneyme», noch für andere zuruckbringen, im Orte ohne diese Einschränkungen, ledoch nur dnrch Boten, welche weder die Einsammlung von Briesen, Karten, Druck sachen, Zeitungen und Zeitschriften oder Warenproben gewerbsmäßig betreiben, noch im Dienste einer PrivatbeförderungS- an st alt stehen (Artikel 2 der Novelle vom 20. Dezem ber 1899). Die Tätigkeit deS Kaufmanns in Magdeburg charakterisiert sich aber ohne weiteres als gewerbsmäßig. Mit verschlossenen Briesen kann er al'o von vorn- herein kein Geschäft machen, ohne mit den postgesetzlichen Bestimmungen sogleich in unzweideutiger Weise in Konflikt zu kommen. Wie steht eS nun mit den «»verschlossenen Briefen, Karter, usw.? Der in Betragt kom,norde Artikel 3 der bezeichneten Gesetznovelle bestimmt: „An stalten zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung oder Verteilung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen und Warenproben, die mit der Auffchrift be stimmter Empfänger versehen sind, dürfen vom 1. April 19V'> ah nicht betrieben werden." Danach wäre allerdings der Kaufmann auf den ersten Blick im Rechte: Die von ihm beförderten Karten usw. tragen nicht die Aufschrift bestimmter Empfänger, unter liegen also auch anscheinend den vorstehenden gesetzlichen Be stimmungen nicht. Man überlege sich aber: ist es etwa- andere?, wenn 100 Karten mit bestimmten Aufschriften ver teilt werden oder 100 Karten ohne Aufschriften an der Land eines Verzeichnisses, daS die Adressen der Empfänger enthält? Dem Buchstaben nach allerdings, aber im Grunde genommen ist doch der Sachverhalt derselbe, die Tätigkeit de? Kaufmanns bleibt dob tatsächlich immer eine gewerbsmäßige Einsammlung, Beförderung und Der- teilung von Sendunaen, die mit der Aufschrift bestimmter Empfänger versehen sind: ob die Aufschriften auf den Sen dungen selbst oder in einem beigegebenen Verzeichnis ent halten sind, erscst-i'nt nebenläcblim. Es kommt dm Willcns- erklärung des Absenders bezüglich der Aushändigung d?r Sendung hierbei nur in etwas anderer Form zum Ausdruck. Das Verfahren des Kaufmanns in Magdeburg wird hier- nach kaum mit den angezogenen gesetzlichen Vorschriften in Einklang zu brinaen sein. Auch bei dem gerichtlichen Ver fahren, zu dem die Angelegenheit führen dürste, wird der Richter in Auslegung obigen Paragrapbs kaum zu einer anderen Entscheidung kommen: denn der Sinn, nicht allein der Buchstabe des Gesetzes kommt in Betracht. Lange wird also die bewiesene Findigkeit dem Kaufmann kaum von Nutzen sein. — NebripenS bedroht Artikel 3 der angeführten Novelle Zuwiderhandlungen dieser Art mit Geldstrafe bis 1500 oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten. Deutsches Keich. Leipzig, 1. November. * TrS Königs Friedrich August Tank. AuS Cannes wird vom gestrigen Tage gemelvet: Der König von Sachsen sauvte hcute vormittag vor der Abreise an den P r ä s i d e n t e n FalliäreS folgendes Telegramm: „Äm Begriffe von dieser schönen Küste ru scheiden, bitte ich Sie, Herr Präsident, für die mir von Ihnen und von der Regierung der Republik während meines Aufenthalts in so reichem Maße erwieseue» Aufmerksamkeiten meinen aufrichtigsten Dank eutgegenzunehmeu und an me>ne lebbcsst emviundene Sympathie für Ihre Person und für die sranrösische Nation zu glauben." * Der deutsche Kronprinz in Janer. Der Kronprinz traf gestern vormittag in Jauer ein, nm der Feier des 250jährigen Bestehens der Friedenskirch« beizuwoynen. Am Bahnhof fand offizieller Empfang statt. Der Kronprinz fuhr dann nach dem Rathaus, wo ihm Bürgermeister Grone berg rm Namen der.Stadt Jauer den Willkommengruß ent bot und dem Dank der Stadt dafür Ausdruck gab, daß der Kaiser den Kronprinzen als seinen Vertreter zur gestrigen Feier entsandt habe. Der Kronprinz donkte in kurzen Worten. Von dort begab sich der Kronprinz in die Friedens kirche, wo er von der Geistlichkeit cmvfangen wurde. Die Festpredigt hielt Pastor Maurer. Mit Choraesang und Orgelspiel begann und schloß die Feier. Aus dem ganzen Dege bildeten Kriegervereine, sowie andere Vereine und 1400 Schulkinder Spalier. Die Kircheugemeinde erhielt ei» kaiserliches Gnadengeschenk von 1b000 zur Wiederher stellung der Kirch«. Nach der Feier begab sich der Kron prinz nach Rohnstock, wo beim Grafen Hochberg Frühstücks- täfel statssand. Alsdann kehrt: der Kronprinz im Sonder zug nach Jauer zurück, von wo auS er die Weitersahrt mit de« fahrplanmäßigen Auge nach Berlin antrat. * DeS deutsch« Heer in englischer Beleuchtung. Der eng- lisch« KriegSminister hat abermals die Vorzüge des deutschen HeereS anerlannt. Im Birbeck College führt« er folgen- d«S a,S: , In der militärischen UnSdruckSweise werd« di« ein« alS
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