Die Zeit Abraham Werners in Freiberg Die Geschichte des geistigen Lebens der Stadt Freiberg erreicht in ihrem Verlauf drei Gipfelpunkte, in denen hier Werte von solcher Bedeu tung entstehen, daß sie in der großen deutschen Kulturgeschichte ehrenvoll verzeichnet sind. Es ist die romanische Kunst um 1230, deren Wahrzeichen die Goldene Pforte ist, die Zeit um 1500 mit der spätgotischen Holzschnitzer schule, dem Dom und den hier wirkenden Humanisten Johannes Rhagius und Petrus Mosellanus, und endlich die Zeit von 1775 bis 1817, in der Abra ham Gottlob Werner Freiberg zu einem Brennpunkte des deutschen Gei steslebens machte, dem sich Goethe eng verbunden fühlte, der die Roman tiker anzog. Jedesmal handelt es sich nicht um vereinzelte Hochleistungen, sondern um Blütezeiten der Freiberger Kultur überhaupt. Und jedesmal fallen sie zusammen mit hohen Zeiten des Bergbaus. Erhöhte Unternehmungslust brachte seit 1747 schönsten Lohn in „Him melsfürst“ bei Erbisdorf und „Beschert Glück“ in Zug. Dreißig Jahre nach Gründung der Bergakademie, 1795, stand das Freiberger Silberausbringen auf einer früher nie erreichten Höhe, und es stieg noch weiter. Die Bevölkerungszahl Freibergs betrug, als Werner sein Lehramt an trat, 8500. Sie hatte den Rückgang des 7 jährigen Krieges noch nicht aus geglichen und stieg langsam um 1000 [25, S. 300]. Als Baudenkmal aus dieser Zeit sei der klassizistische Sarkophag auf dem alten Donatsfriedhof, das Grabmal des 1811 auf „Himmelfahrt“ verunglückten Bergstudenten Ham mersdörfer, genannt [27, S. 131], ein edles Werk Franz Pettrichs in Dresden. Die Leistung der dritten Blütezeit liegt aber nicht in der bildenden Kunst, sondern in der Dichtung und Musik und besonders auf dem Gebiet der Wissenschaft. — In Freiberg gab es seit 1790 ein Schauspielhaus, das schon 1791 von der Stadt übernommen und sehr gut ausgestattet wurde. Außer Dresden und Leipzig besaß damals und auf lange hinaus keine säch sische Stadt eine solche Kulturstätte. Lessings und Schillers Dramen er schienen hier kurz nach den Uraufführungen, von Goethe wurde wenigstens „Clavigo“, „Der Bürgergeneral“ und „Die Mitschuldigen“ aufgeführt. Von Shakespeare kamen sechs Trauerspiele auf die Bühne. Mozarts Opern ge hörten zum festen Bestand. Der vierzehnjährige Carl Maria von Weber kam im September 1800 für einige Monate mit seinem Vater nach Freiberg und komponierte hier seine erste Oper „Das Waldmärchen“. Sie wurde am 24. No vember hier zuerst aufgeführt [28]. Abraham Gottlob WERNER war ein Nachkomme Joh. Christoph Wer ners, der im Anfang des 16. Jh. eine Eisenhütte bei Weida besaß. In sechs Generationen hatten seine Vorfahren Eisenhütten geleitet [61]. Sein Vater war Inspektor der Werke in Wehrau am Queis. So gedachte der am 25. Sep tember 1749 geborene Sohn, denselben Weg zu gehen, besonders als er, nach dem Besuch der Schule in Lauban, 1764 als Hüttenschreiber eingetre ten war mit Aussicht auf die Nachfolge seines Vaters. Da führte eine Krank-