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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190602043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19060204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19060204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-04
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Vezuqs-Prei- tzl Lee HanpSexpedttt», d«« stelle, adqehoU: vtertrtjührllch L40, b<t täglich zweimaliger Anftellmia t»1 Han» vierteljährlich ^1 8.—. Dnrch mijerr an»> wärttgea Ausgabestelle, »nd Lurch di« Post bezogen für DeutfchlauL und Oesterreich vierteijührlich 4ÜXl für die übrig« Länder laut AeÜungSpreiSlistr. Dies, Kummer kästet «of 4 /d (N? allen va-ndvfr» «id bei » de» Zeftnagr-Verkänfer» i NetzaMo» uns Er»editt»«r JohauutSgasse k Lelephon Nr. tüst» Str. ML, Nr. 117L. Berliner NetzaMo«»-vnrea»r Berlin öiW 7, Dorotheenüratz« Stz. Lei. Nr. VL7Ü. Dresdner NevatttonS-Bureaur DreSdeu-A„ Könnerttzstr-LS, Tel.1, Nr-4b8tz. KlpZM Tageblatt Handelszeitung. Ämlovlaft des Nates und -es Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Mnzelgen.Pret- Li» Sgefvalteu» Petitzest» für Leipzig mck Umgebung Ld Pf., für auSwLrt» SO Pfg. Familien- Wohnung»- und Stellen» Anzeigen SO Pf. FinanzlelleAnzrtgen, Geschäftsanzeigen nnler Text oder an besonderer Stelle nach Taris. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird kein« Garantie übernommen Anzeige» and Extrabeilagen nur in der Visrgen-Ausgabr Schluß Le« Annahme nachmittag» 4 Ubr Anzeigen-Annahme: AugnftnSplatz ti, Eck» JodanniSgasse. Haupt-Filiale Berlin! IarlDuack«r,Hrrzgl.Baru^ofbuchhandlg., Lützowstroße lO lFerufprecher Amt VI Nr. 4603b KMal-Erpedtttam Drr»de«,Matttnstr.34. Nr. 6L Sonntag 4. Februar 1906. lOO. Jahrgang. Var Wichtiger vom Lage. " Die „Nord. Allg. Ztg." teilt mit, daß die Kron prinzessin Cecilie im Laufe deS Sommers einem frohen Ereignis entgegensieht. * An Stelle des verhinderten Prinzen Heinrich wurde durch den Herzog von Ratibor gestern die Inter nationale Automobilausstellung Berlin 1906 eröffnet. (S. Sport.) * Amtlich wird bekannt gegeben, daß der König von Rumänien an leichter Arterienverkal kung in Verbindung mit allgemeiner Gicht leidet. * Nach einer Meldung aus Tanger trifft der Prä tendent Bu Hamara ernste Vorbereitungen, sich der Stadt Said a zu bemächtigen. Er erließ eine Ankündigung, wonach der Sultan nur noch zwei Monate in Fez geduldet werden würde. * In Fellin in Esthland wurden 53 Aufrührer kriegsrechtlich erschossen. (Siehe Ausland.) LentrtiMkiinrtr. Auch wenn jemand einen klaren Einblick in daS Wesen deS UltramontanismuS in Deutschland, seine Motive, seine Kampfesmittel und seine verborge nen Minengänge gewonnen zu haben glaubt, wird er doch zugestchen müssen, daß die Mannigfaltigkeit seiner Lebensäuberungen unübersehbar ist, dah immer neue Nuancen seiner Politik sichtbar werden und dah er an Wandlungsfähigkeit, an Gestaltungsmöglichkeit und an Mut der Inkonsequenz verblüffend reich ist. So burlesk die Proklamierung der religiösen Toleranz von der innerlich wie äußerlich unduldsamsten aller Rich tungen auch wirken muß, daS Zentrum riskiert diese wahrhaft selbstverhöhnende Tat und verficht feinen Toleranzantrag mit einem Ernst, den nur der Hinweis auf seine bisherigen Erfolge rechtfertigt. Dabei kann gar nicht bestritten werden, daß es ein geradezu genialer Schachzug ist, Vorteile auf Grund von Prinzipien zu verlangen, die man selbst nicht im Geringsten anerkennt. Man ist auch durchaus nicht etwa geneigt, diese Tole ranz von sich auS, gewissermaßen als Ergänzung der ge forderten staatlichen Duldsamkeit zu konzedieren. Wer das in naiver Befangenheit vielleicht geglaubt hat, der lese recht aufmerksam die Rede des Zentrumsführers Spahn in der Mittwochssihung des Reichstages. Sie muh auf jeden, der den Kern deS UltramontanismuS noch nicht begriffen hat, wie eine Offenbarung wirken. Besonders die in ihr liegende rücksichtslose Desavouie rung des Frbrn v. Hertling mit seinen pseudowissen schaftlichen Anwandlungen ist sehr wichtig, weil sie so deutlich zeigt, waS alle die Beteuerungen von der Modernisierung der ultramontanen Anschauungen, von der Möglichkeit einer „katholischen Wissenschaft" für einen Wert haben. Freiherr v. Hertling, ein Mann, dessen ganzes Wesen ihn zum Reformkatholizismus drängt, der schwer um seine Existenz zu kämpfen hat, begab sich auf daS Glatteis der Logik. Schon hierin zeigt sich sein völlig weltfremdes Gemüt. An Logik liegt dem UltramontanismuS aber auch gar nichts, und wo er Induktionen absolut nicht entbehren kann, da hilft er sich mit Kasuistik. Bei jedem Worte deckte deshalb der ehrliche Frhr. v. Hertling, dem man die eigenen Zweifel und seelischen Kompromisse vom Gesicht ablesen kann, neue Blößen der Zentrumsposition auf, ohne die Macht zu haben, diese Blößen auch nur zu decken. Er bean sprucht allen Ernstes Glauben für seine Behauptung, daS Zentrum sei selbst tolerant geworden. Daß der Katholizismus früher intolerant gewesen, muß er zu geben, weil seine ehrliche Natur es nicht fertig bringt, daS zu leugnen. „Aber wir haben unS gewandelt", sagt er, „wir sind tolerant geworden. DaS sehen Sie doch an unserem Toleranzantrag." Und wenn ihm jemand erwidert, ob er auch das Austragen liberaler Zeitungen für eine Sünde halte, ob er die GewissenS- bedrängnis der in gemischter Ehe Lebenden für tolerant halte, dann weiß er, der selbst alle diese Fanatikertaten innerlich mißbilligt, vielleicht verachtet, nichts anzu führen, als die Behauptung, solche Dinge gehörten nicht vor eine politische Körperschaft, sondern seien Reservate des Dogmas. Da nun bekanntlich der katholische KleruS nie darauf verzichtet hat, alle Lebensäußerungen seiner Schäflein zu überwachen, so ist eS nach dieser Methode schlechterdings unmöglich, Beweise für die Unduldsamkeit der Ultramontanen zu erbringen. Man braucht nur zu sagen, auch dieser Fall scheidet auS, denn er muß nach dem Dogma und nicht nach weltlichen Anschauungen ent schieden werden. Wie schwach eine solche Verteidigung mit halben Zugeständnissen und innerlicher Unsicherheit wirken muß, daS sahen die ZentrumSmannen denn schließlich selber ein, und deshalb wurde als letzter Red ner «in ganz anderer Kämpe vorgeschickt, ein starker Mann und geschickter Fechter, einer, der sich nicht lange bei der Verteidigung aufhält, der auf Logik und Gründe, wenn eS sein muß, keinen Pfifferling gibt, der feste um sich haut und mit schmetternden Tönen zum Angriff übergeht. * Herr Spahn war der Retter in der Not. Schon lange muß eS in ihm gezuckt haben, als er die verzwick ten Versuche mit ansehen mußte, wie sein gelehrter Fraktionsgenosse Frhr. v. Hertling, den Gegnern wissen- fchastllch »u kommen versucht». Er machte di« Sach« anders. Jawohl, sagte er, wir fordern Toleranz, denn wir gestehen dem Staate nicht das Recht zu, uns zu be hindern. Aber es fällt uns gar nicht ein, auf religiösem Gebiete selber tolerant zu sein. Das haben wir nicht nötig. Darum hat sich der Staat überhaupt nicht zu kümmern und andere Leute haben es erst recht nicht zu tun. Herr Spahn hat unzweifelhaft Recht mit dieser Auffassung, so lange sie sich nämlich die anderen Leute gefallen lassen. Und praktisch und bequem ist sie. Da gibt es keine Unklarheit, kein Paktieren, kein Zurück gehen wie beim Frhrn v. Hertling. Da wird nicht re nommiert mit modernen Anwandlungen eigener Tole ranz. Durchaus nicht. Wir wollen gar nicht tolerant sein, heißt cs da, aber von euch verlangen wir es. Herr Spahn hätte hinzufügen müssen: wir dürfen und können gar nicht tolerant sein, unscrm ganzen Wesen würde das widersprechen. Das tat er nun freilich nicht, aber dafür beschuldigte er den Abgeordneten Müller-Meiningen der Kulturkampfgelüste. Herr Müller habe das Einschreiten des Staates gegen die Kirche gefordert. „Kein anstän diger Mensch wird es billigen." Köstlich, diese Per- quickung von Politik und Moral! Herr Müller wehrte sich verzweifelt. Nicht gegen die Kirche sollte der Staat vorgehen, sondern gegen die bösartige und boshafte Herabsetzung seiner eigenen Einrichtungen durch kleri- kale Unduldsamkeit. Nützt alles nichts. „Kein anstän diger Mensch wird es billigen." Unter diesem Schlacht ruf wird die Rede des Abgeordneten Spahn, des Vertei digers des bedrängten UltramontanismuS, alle seine Anhänger zum Kampfe entflammen, und der in tolerante Liberalismus wird verbrannt werden. Ge schieht ihm schon recht. Warum läßt er sich auf Argu mente im Kampfe mit den Ultramontancn ein. Erst lerne er deren Waffen führen, verzichte auf Logik, eigene Läuterung und ähnlichen Ballast. Und dann reite er seine Attacken — doch wird er wahrscheinlich bei dem Be- mühen inzwischen selber ultramontan geworden fein. Kein treffenderes Wort ist am Mittwoch gesprochen worden als daS, in Bayern könne ja das Zentrum ein mal die Probe auf das Toleranzexempel machen. Es wird sich hüten. Nur lachen würden die Machthaber dc r bayerischen Kammer über die Gimpel, die Toleranz vo r der herrschenden Partei verlangen. Aus dieser Erkennt nis rührt auch die Sympathie der Sozialdemokraten für den Antrag. Auch sie verlangen vom Staate immer Toleranz, für sich aber die Freiheit, den Staat umzu bringen. „Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein." Herr Spahn verstößt nicht gegen die Strafgesetze, denn er ist ein erfahrener Jurist, er erklärt seine Gegner nur für unanständige Menschen, wenn sie den Staat auffordern, sich seiner Haut zu wehren. Unser gesamte« öffentliches Leben im Deutschen Reiche scheint unter der Drohung des bösen Wortes zu stehen: Hui manxe 6u pup« en mneurt. Kein RegierungS- Vertreter wagt es mehr, dem Klerikalismus entgegenzu treten, nicht einmal mehr theoretisch. In der Praxis ist man schon an die Grenze der äußersten Willfährigkeit gegangen. Die Parteien als solche haben es aufgcgeben, wider den ultramontanen Stachel zu löken. Nur einige Heißsporne scheuen die Wunden nicht, ohne doch viel ausrichten zu können. Inzwischen wächst die Macht des Radikalismus der äußersten Linken wie des Zentrums. Und der Grund der Aussichtslosigkeit des Kampfes, den der Staat eines TageS doch aus Selbsterhaltungstrieb führen muß, ist die Unklarheit, die Zwiespältigkeit der Staatsseele. So lange der Staat sich nicht auf seine Aufgabe beschränkt, so lange er seinerseits die indi viduelle geistige Freiheit beengt, so lange er selbst auf religiösem Gebiete schulmeistern will, so lange er sich christlich nennt, ohne es doch sein zu können, so lange wird er mit stumpfem Schwerte fechten. Erst wenn er die Bekenntnisse sich selbst überläßt und nicht mit der einen Hand schützen und mit der anderen wehren will, wird er Sieger bleiben. Es mag noch weit sein auf dem Wege zur Trennung von Staat und Kirche im Deutschen Reiche. Aber wenn je diese Trennung für ein Staats wesen Lebensbedürfnis war, so ist sie eS für das glaubenszerrissene deutsche Land. Nicht eher wird Deutschland wirklich einig werden und seine gesamte Kraft entfalten können, al« bis die Bekenntnisse den ewigen und natürlichen Streit ihrer Interessen nicht mehr auf staatlichem Gebiete austragen können. Des- halb mag der Weg zu diesem Ziele auch noch so weit sein — wir müssen ihn gehen. Und se eher sich die Er kenntnis dieser Notwendigkeit im Volke Bahn bricht, desto besser. Und in der Trennungsstunde wird der deutsche Liberalismus neu geboren werden. ver hanclrl kuropar mit Marokko. AuS Paris wird unS geschrieben: Die Sieqesgewißheit, mit der Frankreich in Algeciras einzoq, ist ja längst verraucht, Europa denkt nicht daran, der Republik do- Sultanat einfach zu Füßen zu legen. Aber, wenn auch Li« Aussichten nicht so rosig sind, wie man voraus gesetzt hatte, so läßt man doch nicht ab, neu« Beweisstücke zu sammeln, um die französischen Ansprüche zu verteidigen. Heute ist wisder der „TempS" mit einem Artikel auf dem Plane, der die Frage von der HandelSseite bespricht. DaS Blatt lehnt sich an eine Veröffentlichung deS Na- tionalamteS für auswärtig«« Handel an, in dem „zufälliger" Weise gerade der provisorische Thef der Zollkontrolle in Ma rokko daß Wort ergreift. ES handelt sich um die Entwicklung de» Handel» in Marokko während der Jahre 1908 und 1904 und ist, wie der „TempS" versichert, eine wertvolle Studie für da» schon im Gelbbuch behandelte Kapitel der französi schen Kolonialgeschichte. Die Reformen, di« Frankreich 1904 vorgrnommen hat, tva«, lediglich, s» sagt d«r v«rß>ss«r, L«rch da» Juteressr Marokkos geboten. Seit 1903 hatten die Anarchie im Innern und die Unfähigkeit des Maghzen gegen den Roghi, kurz, die zunehmende Unsicherheit den Europahandel mit dem Sultanat fühlbar vermindert. Der Handel über dieHäfen hatte sich zwar um 7 Millionen gehoben, aber von Algier aus war er g cs u n k e n, d. h. also, dah der fran zösische, nicht der Europas, der doch über die Häsen geht, gesunken ist. Der Handel mit Algier ergab noch >m Jahre 1902 volle 16 Millionen, sank dann von Jahr zu Jahr auf 11 und auf 10 Millionen, — das sink dieselben Millionen, die der Hafenhandel gewonnen hat, die Marokkaner haben eben lieber nicht mehr bei Frankreich gekauft. So ist denn auch im Jahre 1904 und 1905 ein weiterer Rückgang zu ver zeichnen, nur noch 8s4 Millionen sind erreicht, ein volles Drittel ist in drei Jahren ei»gebüßt worden. Auch der Seehandel ist in dem letzten Jahre von 99 auf 90 Mil lionen zurückgegangen, allein der Hasen Laroche ist nur mit 9 anstatt mit 16 Millionen vertreten, weil die Karawanen nicht sicher nach Fez passieren können. Auch Casablanca ist um zwei resp. eine Million gesunken, in Ein» und Ausfuhr. Und das allein — so macht der „Temps" wiederholt aufmerk sam —, weil Frankreich die Reformen nicht durchsetzt, die in deutschen Blättern, als lediglich im Interesse Frankreichs liegend, zurückgewiesen werden. Ueber die Beteiligung der einzelnen Staaten an dem Handel Marokkos im Jahre 1903 und 1904 erfahren wir, daß England in der Hasenbewegung obenan steht. Es hat auch seinen Anteil an der allgemeinen Abnahme, aber sein Anteil ist nur von 41 aus 40 Prozent gefallen. Frank reich, das trotz der «Grenznachbarschaft an zweiter Stelle rangiert, also starken Landhandel besitzt, setzte im Jahre 1903 34 Millionen, 1904 noch 29s4 Millionen um, das sind 30 Prozent des Gesamthandels. Daraus folgert der „Temps", daß, da der französische Handel den britischen nicht geschädigt habe, auch die Befürchtung einer „gewissen Macht" wegen der Verdrängung des sonstigen Handels nicht am Platze seien. Man kann sich leicht denken, daß die Franzosen den Ententenbruder, der ja den Schaum von dem Marokko handel bereits in Faschoda abgeschöpft hat, mit Glacshand- schuhen anfassen, damit er nicht nach britischem Gebrauch um schlägt und dem Kontrahenten überläßt, selbst zu seinem Vor teil zu kommen. Weir h.nter England und Frankreich kommen Deutsch- land un0 Spanien, obgleich man nicht verkennen lang, dah Deutschland an dem allgemeinen Rückgang nicht teil nimmt, sondern allein im Fortschreiten be griffen ist. Dafür muh der französische OfsiziofuS selber die Daten aus der amtlichen Veröffentlichung seine- HandelsamteS entnehmen. Mit bittersüßer Miene gesteht er «in, daß Deutschland 1902: 9 Millionen, 1906: 10 Mil lionen, 1904: 10,9 Millionen erzielt hat, somit ist der deutsche Handel im Wachse», der englische und der französische im Abnehmen. Er ist auch prozentual gestiegen von 9 Pro- zent des Gesamthandels im Jahre 1906 auf 11 Prozent im Jahre 1904. Das sind noch keine 40 und 30, aber der deutsche Kaufmann, so sagt der „Temps", hat in allen Teilen der Erde bewiesen, daß er Manns genug ist, gegen die Kon kurrenten aller andern Länder außzukommen. Dabei kom men den Deutschen ihre Schiffahrtslinien sehr zunutze. Was Spanien anbetrifft, so ist es von 8 Millionen auf 7 zurückgegangea, es sieht aber diese Summe bei der Kleinheit seines Handelsbudgets und der bequemen Lage des Sultanats als wertvoll an. Der „Temps" fügt wieder gunst haschend hinzu, daß Spanien wohl wisse, daß ihm nicht von Frankreich, sondern von Deutschland Konkurrenz drohe. Da bei vergißt der „TempS", daß gerade jetzt der Streit wegen des Roghi den spanischen Handel bedrückt, und den Roghi hält Frankreich. „Wenn Deutschland seine Position nicht ausgeben will", sagt der „TempS" weiter, „so ist daS ihm nicht zu verdenken, aber es ist nicht einzusehen, wie eS di« französische Politik als Streben nach einem Monopol im Scherifischen Reiche be trachten konnte. In der Abmachung, sowohl mit England als mit Spanien, ist daS Prinzip der offenen Tür anerkannt, Frankreich verteidigt eS auch auf der Konferenz. Und das ist in der Tat daS Vorteilhafteste für die Republik, denn bei der freien Konkurrenz hat sie immer di« Vorzüge der Grenz nachbarschaft voraus, einige Artikel, wie Drogen und Zucker, sind sogar in dem letzten Jahre der abnehmenden Einfuhr noch gestiegen, somit sind die Aussichten Frankreichs zurzeit günstiger." So sind die Meinungen deS „TempS". aber sie zeigen wenig kaufmännisches Urteil. Daß Frankreich mit seiner Nachbarschaft nicht an erster Stelle steht, daß John Bull zurückgeht, das ist ein Beweis, dah die Marokkaner selbst einen Unterschied beim Einkauf machen, Laß sie lieber von dmn deutschen Kaufmann nehmen, der sich ihrem Geschmack« anpaht, als von dem Briten, der alles nach seiner „eigenen Elle", genannt Bard, mißt. endgültige Annahme des Gesetzes zu Anfang Mai etwa er warten. * Afrikanische Verlustliste. Am Typhus gestorben: Reiter Karl Klumpp, geb, zu Metzingen, früher 20. König!. Bayerisches Infanterie-Regiment, zuletzt beim Bezirkskommando Stockach in Baden, 27. Januar in der Krankensammelstelle Koe. Gefreiter Ernst Volkner, geb. zu Jeseritz, früher Kulmer Infanterie-Regiment Nr. 141, 29. Januar in Otjosondu. * Von der Volkszählung. Vom Statistischen Bureau der Herzogtümer Koburg-Gotha wird jeüt für letztere das Ergebnis der Volkszählung am 1. Dezember 1905 bekannt ge geben. Danach betrug die Bevölkerung 242 292 Personen gegen 229 550 am 1. Dezember 1900, al o eine Zunahme in der Zählperiode 1900/05 von 12 742 Personen oder 5,6 Proz Das Herzogtum Gotha hatte am 1. Dezember 1905 170 7l8, am 1. Dezember 1900 162 786, also zusammen 8037 oder 4,9 Prozent. Das Herzogtum Koburg zählte am 1. Dezember 1905 71519, am 1. Dezember 1900 66 814, da- ist eine Zu nahme von 4704 Personen oder 7 Prozent. * Zn Stephanus Verhaftung. Nach Mitteilungen, die daS Züricher „Volksrecht", offenbar von sozialdemokratischer Seite, aus dem Elsaß erhält, sollen die Akten, die Stephani unterschlagen habe, nur aus Kopien zweier Briefe bestehen, durch die ein Arzt einen Kollegen unerlaubter Handlungen selbst denunziert. Die deutschen Behörden behaupten, daß auch andere Akten unterschlagen wurden. Di« Züricher Poli zei hat korrekt gehandelt, da die gesetzlichen Vorschriften und der Auslieferungsoertraa zu Verhandlungen nötigten. Nach dem Rekurs Stephanys ist, wie schon berichtet, di« Angelegen- heit beim Bundesgericht anhängig, welches über die Aus lieferung entscheidet. * Tie Remscheider vrlSkrankenkaffe ist schon früher duich ihren Streit mit den Aerzten bekannt geworden. Jetzt bat sie ihr Schicksal erreicht. Der Oberbürgermeister von Rem- «cheid macht als Leiter der Aufsichtsbehörde über die dortige allgemeine Ortskrankenkasse bekannt, daß di« Aufsichtsbehörde gemäß ß 45 deü Krankenversicherun.zSgesetzeS die Befugnisse und Obliegenheiten de- Kaffenvorstandes übernommen hat, d. h. die Kaffe ist nach Enthebung de» Vorstandes unter Zwang-verwaltung gestellt, und zwar au« solgeudru Grüaden: Ersten» ist, wie e» in der Bekanntmachung heißt, „eine große Anzahl von Tatsachen ermittelt worden, die eine grobe Unzuverläs sigkeit und geseywtvrige GeschästSführvng der dir Kaff« beherrschenden M.hlkeit des Vorstand»» erweisen." Zweiten» hat sich der Kaffen vorstand fortgesetzt geweigert, dir bei verschiedenen Revisionen der Kaffrnführung festgestellte» Mängel abznfielleo; e» stud s»lche sogar neuerding» wieder in erheblichem Maße festgrstrllt worden. ES ist ein recht lange« Sündenregister, da» der Oberbürgermeister dem Remscheider Kaffenvorstand« vorhält. Nur da- Gröbste sei heraus- gehoben. Tin Hetldiener namrn» Elrmen» war der Aufsichtsbehörde von der Kaffe al» Heilgehilfe gemeldet; trotzdem wurden ihm er krankte Kaffenmitglirder za« selbständigen tzeilbehandlnna überwiesen. Um dir» zu verschleiern, hat der Vorstand eine« ihm gefügigen Arzt dazu kommandiert, di« bi» auf dir ärztlich« Unterschrift von Clrmen» au»g,fertigten, für di» Erhebung de« »ranken- grlves voraefchriebenrn Krankenscheine zu unterschreiben. Dir Arzt tat dies, obwohl er die von Tlemen» behandelte» Kranken gar nicht gesehen baue. Clemens erhielt für rtneu wöchentlichen «prechnachmittag 30M IahreSgrhalt, allo 60 für den Sprech- nachmitlag. Es wurden weiter mehr Kassenbeamte angeiielll als nölig waren, nur um „Bersorgungsstellen für bewährte Mitglieder der wztalbemokratischen Partei" zu beschaffen. Im Interesse dieser politischen Partei wurde» auch Kasseneinrichlungen benutzt; aus demselben Grunde wurden KassinbrauUr beurlaubt. Schließlich ist festgrstcllt worden, daß die Dienstgeschäfte ganz ungenügend erledigt wurden. Ta» ist nicht verwunderlich, wenn man hört, daß bei der Anstellung von Kaffenbeamten nicht deren Befähigung, sondern ihre „gute Gesinnung" ausschlaggebend war. DaS sind böse Anklagen gegen die sozialdemokratische Kaffenverwaltung. Man kann sich nicht wunder», wenn in Rücksicht auf sie die Bläue verstärkt werden, die auf eine Brschneldung der Selbstverwaltung der Kaffen hinautzlausen Sollten sie verwirklicht und damit die Rechte der Arbeiter beschnitten werden, so können sich diese bei der Sozialdemo kratie dafür bedanken, die durch ihre Ausnutzung einer sozial trefflichen Einrichtung zu egoistischen Partcizwecken die Arbeiter in ihren Rechten schädigt. Und die nicht mehr neue Erkenntnis wird damit bekräftigt, daß Vie Sosialdemolratic in ihren Wirkungen nicht arbeitersreundlich sondern aideiter- seiadiich ist. * Altersgrenze für Professoren? Zu unserer Notiz in Nr. 59 über preußische Professorensrageu wird uns geschrieben: Daß einem Universitätsprofessor, der sich noch arbeitsfähig fühlt und dessen Lehrtätigkeit noch Beifall und Erfolg hat, bloß weil er etwa 70 Jahre alt geworden ist, untersagt werden soll, weitere Vorlesungen und Hebungen zu halten, wird jedermann als ein mecha- nischeS Verfahren und als Härte empfinden: vielleicht denkt auch in maßgebenden Kreisen niemand daran Aber ebenso klar ist, welche Ucbclstände es mit sich bringt, wenn cs im allgemeinen dein einzelnen Hochschullehrer völlig überlassen bleibt, selbst zu bestimme«, wen» er sich Deutsches Keich. Leipzig, 4 Februar. * Der Arbeitsplan der Vudgetkommission de- Reichstag». Di« Budgetkommi sion de- Reichstags wird mit Rücksicht darauf, daß an eine Plenarberatuna der Milirärpensions- gesetzt in zweiter und dritter Lesung vor Ostern nicht mehr zu denken ist, La die EtatKberatunq die ganze Zeit absorbiert, zunächst die Kolonialetat- mit den Nachtragsetat- zu End« beraten, im Anschluß daran den Etat deS Reich-kolonial- amteS lUmwandlung der Kolonialabteilung in ein selbstän diges Kolonialamis behandeln und die restierenden EtatS Milrtär-, Marineetaß Auswärtige« Amt, Reichsschuld, RelchSinvalidenfondS, Finanzierung! zum Schluß aufarbei ten. Man hofft mit dieser Arbeit dir zum 22. Fevruar fertig zu werden. Dann soll sofort die Beratung de- Flottrngesetze« und de- MilitärpensionSgesetze« folgen, so daß die Kommis- non biS «egen Mitte März vollauf zu tun Haven wird. Der Bericht über die MilitärpensionSgesetzr soll so gefördert wer den, daß er noch vor Eintritt der Osterferien den Mitalie- dern dorlieat. In einflußreichen Kreisen wirtd darauf hin- gearbeitet. die endgültige Erledigung der DensionSaesetze, die bekanntlich rückwirkend« Kraft bi- 1. April1905 haben, aleich nach Ostern vorzunebmen, ba dieser Gesetzentwurf daraus Anspruch machen kann, vor allen anderen Gesetzen behandelt M werde». Man dürft«, fall- di«s« Absicht dun-dringt, di« zurückzichen will. Einer von diesen Uebclständcn läßt sich nun sehr leicht beseitigen, nämlich der, daß bei einem in der Tat alt gewordenen und nicht mehr auf der Höhe stehenden Dozenten doch immer noch Kollegien belegt und z. T. auch gehört tverden, lediglich, weil er — Exa minator ist. Abgesehen von der Ilnwürdigkeit des Ver hältnisse- an sich, es vergeudet dabei der Student seine Zeit, wenn er das Kolleg wirklich hört, und in jedem Falle lernt er leicht mit dem Mann zugleich verkehrter Weise das Fach gering schätzen. Examinierte er nicht mehr, so würde der Besuch seiner Vorlesungen bald ge nug aussterben: ob die Behörde dann auch formell ihm einen Nachfolger geben oder sich damit begnügen will, daß — wie eS an jeder größeren Universität niit allen Fächern der Fall ist — über denselben Gegenstand ja noch andere lesen, deren Kollegs nun wirklich besucht werden, kann ihr ja überlassen werden. In jedem Falle gilt: wir freuen unS, daß manche deutsche Professoren von Weltruf noch ihre akademische Tätigkeit auSiiben und ihre Schüler begeistern, auch nachdem sie die 70 über schritten haben, und wer überhaupt als Lehrer noch im Alter fruchtbar wirken kann, der soll es tun, der wird cs aber auch tun, auch wenn er nicht mebr examiniert; aber niemals kann «S von unersetzlichem Wert sein, daß ein
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