01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070508014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907050801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907050801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-08
- Monat1907-05
- Jahr1907
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Var wichtigste vom läge. * Der Kaiser stattete gestern in Karlsruhe den großhcrzoglichen Herrschaften einen Besuch ab. * Der Reichstag verbandelte gestern «nach der Wieder wahl des Abg Kämpf zum zweiten Vizepräsidenten über das provisorische Handelsabkommen mit Amerika und den Marineetat und erklärt« dann im Gegensatz zu dem Antrag der Wahlkommission die Wahl des A b g. von Richt Hofen für gültig. (S. Art. und Parlaments- bericht 2. Beil.) Der Reichstag wird sich voraussichtlich schon am 1b. Mai vertagen. fS. Dtschs. RI * Der Streik im mitteldeutschen Braun kohlenrevier gilt als beendet. * Gestern nachmittag unternahmen die Mitglieder des Nates und des Stadtverordnetenkolle giums eine Rundfahrt um Leipzig zur Besichtigung der neuen Bauten uni» Gleisanlagen. (S. Leipz. Angel.! * Im I uhi lä um s-Bade n i a-Ja gd r en n e n zu Mannheim (50 000 ging Ltn. A- d'Hengelieres br. St. „Liebschaft" mit Ltn. Fürst Wrede im Sattel als erste durchs Ziel. fS. Sport.) Ver vloclr u«0 Sie?kSr!üenten«>abI. „Die Gefährdung der Redefreiheit im Reichstag" ist ein Leitartikelthema geworden, weil Herr Kaempf den Abgeord neten Ledebour dreimal zur Ordnung gerufen hat. In bürgerlich-demokratischen Blättern kann man sie lesen. Und freisinnige Blätter drücken ihre nur wenig verhüllte Sym pathie mit denen aus, die gegen Herrn Kaempf votierten und Herrn Ledebour weitersprechen liehen. Um zur vollen Wür digung dieser Haltung zu gelangen, ist zunächst die Kenntnis der an dem Vorfall beteiligten Personen und der Verhält nisse im Parlament nötig. Da ist Herr Ledebour. Ter Typus des Fanatikers, des Rabulisten, des Wortklaubers. Wenn an Bebel die Stärke des Temperaments, an Heine die Paarung von Eleganz und Klugheit, an Singer die Sachlich keit, an Vollmar die Verständigkeit versöhnende oder wenigstens mildernde Qualitäten bilden — an Ledebour ist nichts Derartiges zu entdecken. Zelotismus ist von jeher eine der übelsten menschlichen Eigenschaften gewesen. Und nun stelle man sich vor, daß kaum ein Parlamentstag ver geht, ohne daß der Schreckensruf ertönt: Ledebour will sprechen. Und wenn dann der von allen neun Musen ver lassene Mann die Tribüne erklimmt und stundenlang den weiten Raum mit dem Klang seines durchdringenden Organs in langsamster, gezogener Sprechweise erfüllt, dann ist das Motto: sarrvs qrrr pent! Herr Kaempf ist der andere. Ein sehr disziplinierter Mann guter kauf männischer Schule und liberaler Zuverlässigkeit, der sich in der kurzen Zeit seit seiner Wahl ohne irgendwelche Präten tion, durch Ruhe, Sachkunde und Schlagfertigkeit, Sym pathien und Achtung erworben hat. Er braucht den Ver gleich mit seinen Präsidialkollegen nicht zu fürchten. Und worin bestand nun die durch ihn herbeigeführte Ge fährdung der parlamentarischen Redefreiheit? Er hat Herrn Ledebour nach Recht und Pflicht dreimal hintereinander zur Ordnung gerufen. Er hat es getan, weil er gar nicht anders konnte. Wenn ein Abgeordneter andere Volksvertreter albern und moralische Heuchler nennt, so mag es Politiker geben, die den Geschmack besitzen, das wie jedes andere Schimpfwort zulässig zu finden. Dann mögen sie sich gegen die Geschäftsordnung ereifern. Daß solche Worte aber nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstages mit einem Ordnungsruf zu rügen sind, das muß auch der wildeste Demokrat zugeben. Und daß es eine persönliche Beleidigung schwerster Art darstellt, wenn Herr Ledebour erklärt, so etwas könne nur unter einem liberalen Präsidenten passieren, wird nicht einmal Herr Ledebour selbst bestreiten wollen. Er wollte den Präsidenten beleidigen und hat ihn beleidigt. Und dafür ist er zum dritten Male zur Ordnung gerufen worden. Wenn nun des Hauses Zusallsmajorität Herrn Ledebour nicht das Wort entzog, so hat sie mit Ab- sicht den Sinn des dritten Ordnungsrufes mißachtet. Denn so ist nach Entstehung und Tradition der dritte Ordnungs ruf zu deuten: der Präsident hat das Haus zu fragen, ob es den zur Ordnung gerufenen Redner weitersprechen lassen will. Der Appell an das Haus ist nur eine Kontrolle, eine Garantie, daß der Präsident keinen Amtsmißbrauch treibe. Die Weitergewährung des Wortes ist also ein gegen den Präsidenten gerichtetes Votum. Deshalb gerade ist der Vorgang so bedeutungsvoll. Und nebenbei zeigt er auch mit durchaus wünschenswerter Deutlichkeit die Tendenzen des Antiblockes. Nicht für Herrn Ledebour, nicht für die Freiheit des mißbrauchten Wortes hat das Zentrum ge stimmt, sondern gegen den freisinnigen Präsidenten, gegen den Vertrauensmann des Blockes. Daß einige Mitglieder der bürgerlichen Linken diesen Zusammenhang nicht begriffen, oder daß sie gar trotz vollen Verständnisses für die Vorgänge ihren Radikalismus alle anderen Erwägungen besiegen ließen, ist ein schlechtes Zeichen für die Festigkeit des Blockes. Tenn es ist nicht zutreffend, baß diese Abgeordneten etwa aus bloßer Lust am Jux, um des eigenartigen Genuß der Ledebourschen Rede zu ver- läugeru, iu der Harmlosigkeit deS parlamentarischen Neu Mittwoch 8 Mai 1907. Isis. Jahrgang. lings dem Präsidenten die Blamage zugefüg^ haben sollen. Männer wie Storz und Naumann lassen sich nicht von solchen Beweggründen leiten. Es bleibt also doch wohl dabei, daß diese Politiker den Block aufs Spiel setzten und den freisinnigen Präsidenten desavouierten aus einer Art Radikalismus heraus. Ob man das bedauert oder nicht, ist weniger wichtig als die Vermutung, daß ein solches Verhalten sich nicht bei einer persönlichen Angelegenheit, sondern bei einer sachlichen Frage jeden Tag wiederholen kann. Und das wäre das Ende des Blockes. * * * Ueber die Vorgänge bei der Wiederwahl des Abgcord- neten Kaempf zum zweiten Vizepräsidenten und die weiteren gestrigen Verl>andlungen im Reichstag erhalten wir fol gende Meldung: Berlin, 7. Mai. (Privattelegramm.s Die Wiederwahl des zweiien Vizepräsidenten Kaempf vollzog sich am Dienstag in den einfachsten For men und giücttlcherwelie ohne sede Ueberraichung. In namentlicher Abstimmung bei einer Prälenz von ;vi3 Ab- geordneten wurden für Herrn Kaempf 192 Stimmen abgegeben, nebenbei nur eine Stimme weniger a!s seiner zeit bei der ersten Wahl auf ihn gefallen sind. Auch die Einigkeit im linksliberalen Lager war wicderhergestellt. Die Linke stimmte geschlossen für ihren bisherigen P r ä s i d i a l v e r t r e t e r. Es soll also kein persönliches Mißtrauensvotum gewesen sein, daß auch einzelne liberale Abgeordnete am Sonn abend Herrn Ledebour haben weiter reden lassen. Vier Scherzbolde hatten für den Rekordbrecher in ^rdnungs- ruien, Herrn Ledebour, gestimmt, und der Reichstag quit tierte darüber mit der gewohnten Heiterkeit. Ach, er ist so gern heiter, der Reichstag, daher der Name: hohes Haus. Herr Kaemvf nahm an, und der Schaden war repariert. Hossentlich hält die Reparatur. Bei der nun folgenden Beratung des provisori schen Handelsabkommens mit Amerika zeigte sich eine sehr erfreuliche Uebereinstlmmung des Hauses in der Beurteilung der Vorlage. Tie von Amerika gewährten rein formellen Zugeständnisse wurden allgemein als zu ge- ring angesehen, und nur unter Betonung des provisorischen Charakters des Uebereinkommens wird die Vorlage in der Kommission von 28 Mitgliedern eine Mehrheit sirdcn. Natürlich sind die Motive der einzelnen Parteien gründlich verschieden. Die Konservativen finden, daß wir zu viel geben, die Liberalen, daß Amerika zu wenig gibt. Das ist nicht dasselbe, denn die Rech e hat vor allem Jmpoetiurer essen, die Linke aber auch Exportintercsfen, , ud beide sind nicht befriedigt. Besonders der Aba. Tr. S l r e s e m a n n drückte namens der Nationallibcralen die großen und be rechtigten Bedenken gegen das Abkommen aus. Nur als kleineres Nebel und als Provisorium kann es überhaupt akzeptiert werden. Man sollte aber doch meinen, daß cs Zeit sei, mit den Herren Amerikanern eine energischere Sprache zu führen. Es will uns überlraupt gar nicht ge- 'allen, daß wir als einziges Abkommcnsguthaben die Ver- sicherung zukünftiger Schlkanenlosiakeit zeigen *>mren. So etwas muß Voraussetzung sein, als Vertragsobjekt har es wirklich nur einen Sentimentswerr. denn wer garantiert uns denn die Loyalität der Aankees, wenn sie selbst diese Loyalität als Handelsobjekt betrachten. Dann wird in flotter Arbeit der Marineetat er ledigt, ebenso der Etat für die Expedition nach Oslaiicn und die Vorlage wegen der Verbreiterung des Nordoftsectanals. Bei der Abstimmung über die Wahl des Abgeordneten v. Richtho'en, die von der Kommission infolge lücken hafter Besetzung und ungenügender Information für un- gültig erklärt worden war, gab es dann ein ausgezeichnetes Blockererzieren. Ter Block mit Einschluß sämtlicher Frei- sinnigen erhob sich wie ein Mann für die Gültigkeit der Wahl Richthosen s. Scharf zeichneten sich im dichtbesetzten Saale die Blockgrenzen ab. Es war ein vlastischer Anschauungsunterricht, und Las Resultat, die Ab stimmung, wurde mit donnerndem Bravo begrüßt. Auch der Nest der Tagesordnung wurde glatt erledigt, und schon um 5 Uhr konnte das Haus Schluß machen. Var neue ungarische Liollrszchulgrserr. Eine Mitteilung des ungarischen Telegraphen-Korrcspon- denzbureaus ging kürzlich durch die reichsdculsche Presse, daß das neue Volksscbulgescb lediglich geschaffen wäre, um die konfessionellen Schulen — diese allein haben noch deutichc Unterrichtssprache — aus Staatsmitteln zu unter stützen, ihre Disziplin zu sichern und „die Aufnahme der ungarischen Sprache als L e h r g e g c n st a n d" durchzu führen. Bald brachte der ungarische Unterrichtsminisler Graf Apponyi selbst einen Artikel in die deutsche Presse, in dem die von deutscher Seite vorgebrachten Beschwerden gegen das Gesetz lediglich als „grundlose Agitation" lsin- gcstellt werden. Er betont darin die Fürsorge des unga rischen Staates für seine Schüler, die konfessionelle Frei heit, die ihnen gegönnt sei, und die Notwendigkeit, Vergehen gegen den Staat disziplinarisch zu bestrafen, gleitet icdoch über die Sprachcnfrage, die uns als Deutsche am meisten interessieren muß, mit zwei Andeutungen hinweg. Tie eine hebt in unschuldigster Weise die Notwendigkeit hervor, „daß in den Volksschulen rechte Gelegenheit geboten werde, die Staatssprache mindestens in dem Maße sich anzueignen, daß jedes Kind von nicht ungarischer Muttersprache auch unga risch sich verständigen könne". Tie andere sagt, in der Be stimmung der Unterrichtssprache bleibe „den nicht staatlichen Schulehaltern ein Maß von Freiheit und Selbstbestimmung, wie es in keinem anderen europäischen Staate besteht." Es fragt sich, wie weit diese osiziösen und offiziellen Be schwichtigungen den Tatsachen entsprechen. Dorausgeschickt sei, daß es sich um die Sprache von 2'4 Millionen deutscher Landsleute handelt, die als loyale Untertanen der unga rischen Krone leben, ohne jemals an politische Absonderung auch nur gedacht zu haben: daß im Jahre 1901 die konfessio nellen Volksschulen in Ungarn 78,13 Prozent und die staat- lichen — in dielen herrscht bereits durchaus magyarische Unterrichtssprache — nur 9,82 Prozent ausmachten: endlich daß das ungarische Grundgesetz über die Nationalitäten vom Jahre 1868 den Gemeinden ausdrücklich das Recht gibt. Schulen jeglicher Art in der Muttersprache ihrer Ange hörigen zu errichten, ia im 8 17 den Unterrichtsmimster geradezu verpflichtet, für deren Ausbildung in der Mutter sprache zu sorgen. Tie dem ungarischen Parlament im Februar unter breitete Regierungsvorlage bietet den konfessionellen Schulen Staarsgelder und konfessionelle Freiheit an, um sie zur An nahme der magyarischen Unterrichtssprache zu veranlassen, und sieht, falls diese Lockungen versagen sollten, drastische Zwangsmittel vor. Uebersteigt die staatliche Unterstützung jährlich 200 Kronen, so hängt bereits die Erneuerung des Lehrers von der Genehmigung des Ministers ab. Geht die Unterstützung über die Hälfte des Gehaltes hinaus, so steht dem Minister die Erneuerung des Lehrers unbedingt zu. Nur die Konfession des Lehrers hat der Gemeinde zu ent sprechen. Wenn der Lehrer im magyarischen Sprachunter richt das gesetzlich bezeichnete Ziel „nicht erreicht", so ver fällt er der Disziplinaruntersuchung. Wenn ihn der Minister seiner Stelle enthebt, io kann zugleich die Schule vom Minister aufgehoben und durch eine staatliche ersetzt werden. Ergibt sich bei der Untersuchung, daß der Fehler durch eine nichtstaatliche Schulbehörde herbeigeführt wurde, so können alle von dieser Behörde erhaltenen Schulen gesperrt werden. Diese Bestimmung gewährt dem Minister Macht über jeden Lehrer und jede Schule, wenn ein Kind, das in seiner Um gebung selten ein magyarisches Wort gehört hat, in den wenigen Unterrichtsjahren seine Gedanken nicht magyarisch so ausdrücken lernt, wie cs der Gesetzentwurf sin 88 16, 19, 20s verlangt. Ueberdies kann der Lehrer auch wegen „Be- folgung einer staatsfeindlichen Richtung" diszipliniert wer den, wobei zu beachten ist, daß ungarische Gerichte schon wiederholt die bloße Aufforderung von Nichtmagyaren, ihre Muttersprache zu pflegen, für staatsfeindlich erklärt und mit Gefängnisstrafe geahndet haben. Diese Regierungsvorlage wurde aber in den ersten Märztagen von der chauvinistischen Mehrheit des Abgeord netenhauses bedeutend verschärft. Es wurden u. a. folgende Bestimmungen ausgenommen: II Wenn 20 Prozent der ein geschriebenen Schüler magyarisch als Muttersprache an geben oder magyarisch sprechen können, so ist zum Teil magyarische Unterrichtssprache einzuführen. 2> Wenn die Hälfte der Kinder magyarisch sprechen kann, so muß ausschließlich in magyarischer Sprache unterrichtet werden. 81 Ist einmal magyarische Unterrichtssprache eingeführt, so kann dies nie mehr rückgängig gemacht werden. 4> Bei den Wiederhvlungskursen sämtlicher Volksschulen ist die Unter- '-ichtstprache ausschließlich magyarisch. Ob der Zweck der Fortbildungskurse in nichtmagvarischcn Gegenden völlig ver- -stelt wird, scheint gegenüber der nationalistischen Tendenz rnberü.sichtigt zu bleiben. Endlich sollen die wegen der weiter nicht dcfiniericn „staatsfeindlichen Umi-iebc" gemaß regelten Lehrer 5 Jahre lang an keiner Schule mehr ange stellt werden. — Als besondere Feinheit muß die Bestim mung empfunden werden, daß die magyarische Unterrichts sprache eingesührt werden muß, sobald auch nur 20 Prozent der Kinder magyarisch radebrechen. Tas heißt doch, daß gleich die ersten Früchte des magyarischen Sprachunterrichts genügen sollen als Vorwand, um den Deutschen eine Schule, die sie aus eigenen Mitteln bezahlen, entreißen zu können. Es ist wunderschön: wird das Ziel des magyarischen Sprach unterrichtes nicht erreicht, so gibt es einen Tisziplinar- vrozcß. Wird cS erreicht, so erfolgt die Magyarisierung. Tut nichts, der Jude wird verbrannt. In solcher Fassung liegt jetzr der Gesetzentwurf dem Mon archen zur Bestätigung vor. Wir hoffen bis zum letzien Augenblick, daß wenigstens die Verschärfungen des unheil vollen Gesetzes durch die Chauvinisten des Parlaments die landesherrliche Bestätigung nicht finden werden. 8ss sslmaü irrt sieere. Sobald das Frühjahr und die Zeit der sportlichen Be tätigung im Freien hcrankommt, taucht mit großer Regel mäßigkeit in der Militärlitcratur und in der politischen Tagespreise unserer Nachbarstaaten der Vorschlag zur wei teren Ausgestaltung des Radfahrerwesens im Heere auf und wird zumeist in der Weise behandelt, als ob von der Ein richtung womöglich ständiger Nadfahrerorganisalionen das Wohl des Vaterlandes abbiuge. Es ist bekannt, daß unsere Heeresverwaltung selbst zu jener Zeit, als das Zweirad auf der Höbe seiner Erfolge und seiner Popularität stand, sich dem Gedanken gegenüber ablehnend verhalten bat, die von Italien zuerst begonnene, später in Frankreich mit Emphase auigenommenc Errichtung von ständigen Radfahrcrtruppen unserer militärischen Organisation einzugliedern. Im kleinen Rahmen benutzt man auch bei uns den auf guten Straßen, bei nicht allzuschlechtcm Wetter und für Sonderausgaben ganz brauchbaren Stahlrvßreiter. Weiter wird man aber auch in Zukunft kaum geben, zumal der Siegeslauf des Kraftwagens und seine erheblich größere und stetig steigende Leislungssähigkeit als Truppen-Be'ördcrungsmittel und zu verlässiger Nachrichtenträger das Fahrrad für viele militä rische Zwecke mehr und mehr auslchalten dürfte. Bis zum Jahre 1870 zurück geht die erste Verwendung Les Rades im Heere. Schon vor 37 Jahren benutzte man in Italien vereinzelt Radfahrer für die Befehlsübermitte lung innerhalb der Standorte und machte die ersten größeren Versuche mir den damals noch recht unbeholfenen Maschinen bei den picmontesischcn Herbstübungen des Jahres 1875. Am schnellsten und am gründlichsten sand die italienische Idee Ausnahme und Eingang im französischen stehenden Heere und seitens der Freiwilligen-Organiiationcn in Großbritan nien und in den englischen Kolonien. Ter Franzose, wie der Angelsachse, scheint eine gewisse natürliche Veranlagung zum Radfahrer zu haben; es ist daher verständlich, daß über die militärischerseitS angeordneten und gewollten Versuche hinaus die französische Heeresverwaltung von der Kammer Anregungen erhielt, denen sie wohl oder übel und, ohne ge- nügende Rücksicht auf das wirklich militärische Bedürfnis, gelegentlich Hal nachgeben müssen. Trotzdem vor 2 Jahren der französische Kriegsminister und der Cbef des General- stabeS der Armee vor übertriebenen Erwartungen auf die Verwendungsmöglichkeit von Radsahrertruppen warnten und die damals in Frankreich — bei einzelnen Jägerbataillo- nen — bestehenden 5 Radfahrerkompagnien als ausreichend bezeichneten, war der Druck der von dem Parlament getrage- nen öffentlichen Meinung so stark, daß im August 1905 ein selbstständige? Radsabrerbataillon unter dem Erfinder des Klapprades, Major Gerard, ausgestellt wurde. Italien hatte damals 8, Belgien 5 solcher Kompagnien; beide Staaten sollen im Mobilmachungssalle die Ausstellung weiterer Rad- fahrer-Neserveernheiteu vorbereitet haben. Noch weiter ist dann ein Vorschlag des französischen Ge nerals Langlois gegangen, dessen Meinung als früheres Mit glied des Obersten Kriegsrates jenseits der Vogesen viel gilt. General Langlois führte aus, daß die deutsche Fcchlart die „brutale Offensive" sei, verbunden mit Umgehung eines Flügels. Demgegenüber brauche der Franzose ein gleich wertiges Gegenmittel, das gleichfalls seinem Volkscharakter entspreche, und als solches bezeichnete er eine Reserve von genügender Feuerkraft und äußerster Beweglichkeit, die, so wie die Umgehungsrichtung der Deutschen erkannt sei, schleunigst den Umgchungstruppcn entgegengeworsen werden könne. Dazu gäbe es keine geeignetere Truppe als Rad fahrer. Infanterie sei zu langsam, Kavallerie werde durch die für Handpferde und deren Schutz erforderlichen Mann schaften über Gebühr geschwächt, und Artillerie allein könne die Ausgabe auch nicht übernehmen. Tie Radfahrer dagegen besäßen die Schnelligkeit der Kavallerie, ohne einen einzigen ihrer Nachteile. General Langlois schlug daher vor, jedem mobilen Korps ein Nadsahrerbataillon zuzuteilen. Inner halb des Verbandes einer Armee sollten dann diese Rad- fahrcrbataillone nebst einigen reitenden Batterien als „be wegliche Reserve" zusammengezogen werden. Man habe so eine bedeutende Feuerkraft als geeignetes Gegenmittel gegen die deutsche Offensive mit ihrem Universalmittel der Um gehung, und zwar ein Mittel, das jedem Franzosen äußerst sympathisch sei. Außerdem wollte General Langlois die Radfahrer mit Pionierwerkzeug ausrüsten und sie zum Sperren der möglichen Umgchungswcge verwenden. Tie „United Service Gazette", ein vielgelesenes englisches Fachblatt, das ernst genommen zu werden verlangt, hat un längst die beschränkte Verwendung, die wir Deutschen trotz der französischen Fahrradpropaganda in unserer Armee von diesem Beförderungs- und Kampfmittel machen, der „Ani mosität" zugeschriebcn, die der oberste Kriegsherr gegen den Gebrauch des Nades haben soll. Es ist bezeichnend kür die in einem Teil der englischen Presse jetzt systematisch be triebene Diskreditierung alles dessen, was von unserem Kaiser kommt, daß es in jener „Vereinigten Heereszeitung" heißt, Kaiser Wilhelm „setze der kriegsmäßigen Verwendung des Fahrrads im Manöver jedes mögliche Hindernis in den Weg (!>, weil er bei seiner großen Vorliebe für die Kavallerie fürchte, die reiterliche Präponderanz zu schwächen". Dieie Behauptung ist sachlich ebenso unrichtig, wie sie inhaltlich von falschen Voraussetzungen ausgeht. Es waren noch in den Kaiscrmanövern im Taunus s1905) und bei Liegnitz (19061 den beiden gegnerischen Kavallerie-Tivisionen kleine ge schloffene Abteilungen von Radfahrern -ugewiesen; von be sonders günstigen Erfahrungen verlautete jedoch dort ebenso wenig wie von weiteren Versuchen im größeren Maßstabe. Lediglich w-hlerwog-'ne militärische Rücksichten haben a'so die Stellur.a bestimmt, die von unseren leitenden Kreisen in der Verwendung der Fahrräder beim deutschen Heere einge nommen wird, und deren enge Grenzen sich schon darin zeigen, daß pro Kompaanie Fußtruppen durchschnittlich nur zwei Leute des zweiten Jahrganges im seldmäßigen Gebrauch des Nades ausgebildet werden. veutscves 8eicv. Leipzig, 8. Mai. * Ter Kaiser in Karlsruhe. Die Vermutung, der Kaiser werde sciii:ii Besuch inKartsiuh.' aus verschiedenen Gründen ausoebcii, zu eene» namentl'ch Geiuudkeilsrücksickten in der grcßherzoolicben Familie gehörien, hat sich erfreulicher Weste inchl bestätig«. Der Kauer traf vielmehr gestern rorm.llag 10'/, Ubr m l Gefolge mittels Sonderzuges auf dem Karts ruber Hauptbabilhoie ein. Zum Empfange waren erschienen der Großberzog, der Erbgroscherzog, der tommandierenbe General des 14. Armeekorps, General der Infanterie v. Bock und Po ack uuv der preußische Gesandte v. Eisendecher. Der Kaiser und ter Großkcriog küßien sich wiederholt aus beide Wangen. Nach der Begrüßung fuhren der Kaiser und der Großberrog im offenen Waien nach dem Staktschloß. Der Kauer uno der Gioßherzog wurden von der Bevölkerung allenthalben mit herzlichen Zurusen begrüßt. Bei der An- lunsi im großherzoglicheu Schlöffe wurde der Kaiier von der G>oßher:ogin, der Erbgroßherzogin und dem Prinzen Wilhelm von Schweden begrüßt. Mittags war FamUientafel und gleichzeitig Marschalltasel sür das Gefolge. Hieraus hielt der Kaiier Cercle ab. * In Vcr BuSgelkommtssion VeS Reichstages wurde der Etat sür Südwestasrika beraten. Im Lause der Dekane lübrte KolonialeireNor Ternburg aus, von einer zu schnellen Eihöbuug der Zölle, welche die Kaufleute unvorbereitet de- trosfen, löune keine Rede sein, und weiter führte Dernburg aus, wenn letzt auch noch 4000 Mann Schutziruvpen nötig seien, so gehe doch daS Streben tat) n, unter Släikung der Pvlizeitruppen die Schutziruppcnzahl weiter herabzufetzen. Im weiteren Verlauf der Sitzung gelangte ein Antrag des Frhrn. v. Richihosen zur Annahme, der die Erwartung aus- spilcht, datz die vom 1. Ostober d. 2. ab noch im Schutz gebiete verbleibenden Truppen nach Maßgabe des Fort schrittes des Bahnbaues vermindert werden. Darauf wurde der Ciat bewilligt. * Ter Lcniorciikoiivcnt VeS Reichstages beschloß, auf die Tagesordnung vom Monlag dce Interpellation Hompesch (Zentrum), betreffend daS Grubenunglück in Lothringen, zu fetzen. Die Resolutionen betreffs Braustcuer, Zuckersl-uer und Mühlcnuuisatzsteuer sollen in dinem Tagungöad'chnilte nicht mehr zur Besprechung gelangen, sondern nur noch Re solutionen zum Etat. Auch eine erste Lesung soll nicht mehr vorgenommen werken. Am 15. Mai wird voraussicht lich der Schluß sein. Man war der Ansicht, daß cS angebracht erscheint, sich hinsichtlich ver Reken möglichste Beschränkung auszuerlegen. l>. Zum Ansprktcur Vcr FelVartiHerie an Stelle deS Generals vou Schmidt, der m Genehmigung 'eines Ab schiedsgesuchs mit dir gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt wirre, ist der Generalleutnant Schubert von der Armee zum Impckteur der Feldartillerie ernannt. Schubert ist kurz' Zeit Gouverneur der Festung Ulm gewesen, bat so dann die 39. Division in Colmar i. E befehligt. Er ist am 23. Juli 1868 Leutnant geworden, Hal iw Krieg 1870 71 das enerne Kreuz sich e,worden, wurde am 12. April 1877 Oberlcuinan», am 28. Ium 1881 Hauptmann. Am 17. April 1888 avancierte er zum Major, am 18. April 1893 zum
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