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Weißeritz-Zeitung : 11.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-192307118
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19230711
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19230711
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWeißeritz-Zeitung
- Jahr1923
- Monat1923-07
- Tag1923-07-11
- Monat1923-07
- Jahr1923
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 11.07.1923
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Aus -er Welt -er Wissenschaft. E^n dahingegangener Großer. — Di» , ?. Sterb chkeit inDeutschland. i Fr itz Ma u t i) n e r ist nach langem Kranksein im Alter von 74 Jahren dahingeschieden, ein Mann, der sich auf der Höhe des Lebens aus viel beachtetem journalistischen und dichterischen Wirken aus dem geräuschvollen Leben Berlins .und der ihn ablenkenden Tätigkeit zurückzog, um in der Muß« von Freiburg und später von Meersburg sich wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen. Was er in scherzhaft-humoristischer Weise in seiner Satire »Nach berühmten Mustern* in jungen Jahren angebahnt hatte, reiste in dieser Stille rastloser Arbeit zu einem philosophischen Riesenwerke heran, der „Kritik der Sprache*, einer großartig angelegten und in des Wesens Tiefe trachtenden Denkerbeichte, die dem Unvor bereiteten kaum eine Vorstellung von dem Reichtum des In halts der drei wuchtigen Bände gab, die „Zur Sprache und Psychologie*, „Zur Sprachwissenschaft* und „Zur Grammatik und Logik*. Und man glaubte nicht, daß der Nomanschrift- steiler dieses'Riesenwerk der Wissenschaft geschaffen habe, in dem ein Meister der Wortkunst unbarmherzig Gericht hielt über die kritischen Untersuchungen der philosophischen Köpfe, die ihm vorangegangen sind. Dem gewaltigen Sprachwerk folgte das in der Meersburger Einsamkeit vollendete ^Wörterbuch der Philosophie* und endlich die „Geschichte des Atheismus im Abendlande", die ein Kind der Revolution genannt werden kann, da er das Werk mit dieser wissenschaftlichen Rücksichtslosigkeit wohl nie- mals niederqeschrieben haben würde in einer Zeit, in der ihm die Zensur die Hände gebunden hätte. Das seit einiger Zeit Aufsehen erregende und an dieser Stelle auch schon erwähnte Mittel gegen die Zuckerkrankheit Insulin hat, wie wir Wiener Blättern entnehmen, die letzte Sitzung der „Gesellschaft der Aerzte* beschäftigt. Nach den Versuchen, die in Wiener Kliniken mit diesem „Insulin* gemacht wurden, wird im Falle eines starken Zuckerzustromes aus dem Darm eine Reihe von Einrichtungen in Gang ge setzt, welch« den Zucker dem Mute entnehmen und ihn an bestimmten Stellen speichern,- andererseits aber wir- bei ver mehrtem Bedarf des Organismus an Zucker, zum Beispiel bei Muskelarbeit, Zucker in den Geweben freigemacht und dem Blute übermittelt. Natürlich können diese Versuche noch nicht als abgeschlossen gelten, ebensowenig wie man sich trotz des anscheinend glänzenden Erfolges einzelner solcher Kuren ein abschließende» Urteil über das Mittel erlauben darf, da man bei der Kürze der Heilversuche nicht weiß, ob und welche üblen Folgen für den Organismus das Verfahren in sich schließt. Angeregt durch einen Dortrag des Or. L. Hamburger über die „Sterblichkeit in Deutschland seit dem Kriege* beschäftigte sich die Berliner Medi zinische Gesellschaft mit Bevölkerung», fragen. Seit dem Deutsch-Französischen Kriege wurden die gesundheitlichen Verhältnisse in Deutschland bekanntlich immer besser. Von 31,8 pro Mille Einwohnern im Jahre 1872 fiel die Sterblichkeit auf kaum die Hälfte, nämlich 15,8 pro Mille. Dann kam der Krieg mit seinem gewaltigen Sterben. Nach dem Kriege aber wurde die Sterbeziffer wieder besser, sogar niedriger als in den letzten Vorkriegsjahren. Im Jahre 1921 war sie 14,7, im dritten und vierten Quartal in den deutschen Städten sogar nur 10 und 12. Trotz der Geld- entwertung und trotz Wohnungsnot, so daß die Frage ent- steht, ob das Sinken der Sterblichkeit ein sicheres Zeichen ge besserter hygienischer Verhältnisse sei. Von jeher war für die Gesamtsterblichkeit eines Landes die Kindersterblichkeit von großer Bedeutung. Je geringer die jugendliche Altersklasse besetzt ist, desto kleiner wird die Zahl der Sterbefälle. Die Geburtenzahl nimmt auf die Sterbezahl den größten Einfluß, und die Geburtenzahl ist jetzt in Deutschland katastrophal niedrig. Darum also auch die allgemein niedrige Sterblich keit. Das sind also günstige Sterbeverhältnisse auf Kosten der Zukunft der Nation. Vor allem ist bemerkenswert die Zunahme des Wochenbettfiebers. 5000 Frauen erliegen jetzt jährlich dieser Krankheit, die an sich doch ver- meidbar ist und deren Zunahme wohl auf eine größere Achtlosigkeit in den Krankenhäusern zurückzuführen ist. Auch die Abfindung der unehelichen Kinder mit Kapital ist in unserer Zeit des stetig sinkenden Geldwertes ein großes Unrecht und mit schuld an dem Untergang der Unehelichen. 2. .1. W<w s r emem Haar hänqt. Es gibt Kri.mnalfölle, bei denen die Entdeckung buch stäblich „an einem Haar hängt*, und sie hängt daran fester unv sicherer, als mau wohl annehmen mag. Die mikroskopisch« Untersuchung der Haare hat sich mehr und mehr zu einem wichtigen Hilfsmittel der Kriminalistik entwickelt. Gegen- wärtig sind verschiedene Gelehrte damit beschäftigt, die Zu- sammensetzuug der kleinsten Teilchen des Haares mikroskopisch genau zu untersuchen. Man hofft dadurch die Methode noch zu vervollkommnen. Wenn ein Haar untersucht wird, wäh- rend es im Wasser liegt, so löst sich das Fett, das die äußer« Hülle des Haares umgibt, los und schwimmt in einer dünnen Wolke fort. Wenn man diese Teilchen nach ihrer Menge und ihrem Inhalt ganz genau bestimmen könnte, so würden dem mikroskopierenden Detektiv neue wertvolle Anhaltspunkte ge- geben sein. Ein einziges Haar, das von dem Verbrecher zurückgelassen Ist, kann ein sonst undurchdringliches Geheimnis aufhellen. Ist es das Haar eines Kindes, eines männlichen oder weib lichen Wesens, einer jungen oder alten Person? Ist es das Haar eines Weißen, eines Schwarzen oder Gelben? Ist es gefärbt? Ist es natürlich gekräuselt oder künstlich in Wellen gelegt? Ist es das Haar eines Menschen, der kurzgeschnitten oder langhaarig geht? Ist der Besitzer gesund oder krank? Auf alle diese Fragen und auch noch so manche andere gibt die mikroskopische Untersuchung die genaueste Auskunft, und wenn sich der Schuldige erst einmal „in seinem eigenen Haar* gefangen hat, dann ist er rasch überführt. Ein einziges dünnes Härchen kann heute genügen, um einen Mann dem Henkersbeil auszulsefern. Wird z. V. bei einem Morde ein Haar an einer Waffe gefunden, die einem Verdächtigen gehört, und erweist sich aus der Untersuchung, daß dieses Haar tatsächlich von den« Ermordeten stammt, so ist bereits ein wichtiger Schuldbeweis erbracht. Die Identität der Haare einer bestimmten Persönlichkeit läßt sich aus zahl reichen Einzelheiten mit ebensolcher Bestimmtheit erweisen, wie etwa die Fingerabdrücke die einzigen Merkmale eines Menschen aufweisen. Für diese sehr feinen Prüfungen wer den zwei besonders gearbeitete Mikroskope gebraucht. Der winzigste Teil eines Haares genügt bereits, um damit zu arbeiten. Vom Echwanengesang. Der Schwan, den wir als Ziervogel auf unseren Park- feen erblicken, ist der Höckerschwan, der schöner und anmutiger ist als der Singschwan, aber stumm. Wollen wir Schwanen- gesang erlauschen, so müssen wir uns an die Singschwäne halten, die weite Wanderungen machen und auf diesen auch durch Deutschland kommen. Die Laute, die hieser Schwan von sich gibt, sind in ihrer geheimnisvollen Melodik oft be schrieben worden und Hecken zu dem Ruf von der ergreifenden Schönheit des Schwanengesanges Anlaß gegeben. Dieser Schwanengesang der schönen Tiere, der meist als der Grabgesang gedeutet wird, istkeineSage, sondern beruht, was wenig bekannt ist, auf Wahrheit. Nähere Angaben über die Laute des Sinaschwans werden im „St. Hubertus" ge- macht. Die Töne klingen von weitem bald wie Aeols- Harfen, bald wiePosaunenundGeigen; manch- mal glaubt man Silberglocken zu hören. Da diese Laute am melodischsten wirken, wenn sie von weitem gehört werden, so ist besonders der Gesang der ziehenden Singschwäne von hohem Reiz. In der Nähe wirkt der Ruf gellend und sogar mißtönend. Nach der Schilderung von Schilling läßt der Singschwan die reinen Töne seiner Stimme bei jeder Veranlassung als - Lockton, Warnungsruf und zu eigener Unterhaltung erschallen. In größerer Gemeinschaft singen die Schwäne um die Wette. „Wenn bei starkeni Frostwetter die Gewässer der See mit Eis bedeckt und die Lieblingsstellen des Singschwans, die Untie fen, ihm dadurch verschlossen sind," sagt dieser Beobachter, „wenn die stattlichen Vögel zu Hunderten in dem noch offe nen Wasser der Strömung versammelt lieoen und aleichsam durch ihr melancholisches Geschrei ihr Mißgeschick beklagen, k daß sie aus der Tiefe das nötige Futter nicht erlangen können, ; dann habe ich die langen Winterabende und ganze Nächte l hindurch diese vielstimmigen Klagetöne in stun- ! denweiterEntfernung vielmals vernommen. Bald ! möchte man das singende Rufen mit Glockenläuten, bald mit j Tönen von Blaswerkzcugen vergleichen; allein sie sind beide ! nicht gleich, sondern übertreffen sie in mancher Hinsicht, eben ! weil sie von lebenden Wesen herrühren und unseren Sinnen ' näher verwandt sind als das tote Metall. Dieser eigentiim- I liche Gesang verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehal- ! tene Sage vom Schwanengesang, und oftmals ist er auch der j Grabgesang der schönen Tiere; denn da sie im tiefen Wasser j ihre Nahrung nicht zu ergründen vermögen, werden sie vom - Hunger derart ermattet, daß sie zum Weiterziehen nach milde ren Gegenden die Kraft nicht mehr besitzen und dann oft. auf dem Eise angefroren und verhungert, dem Tod« naye oder bereits tot aufgefunden werden. Aber bis ans Ende lassen sie ihre klagenden und doch Hellen Laute hören.* 'Der Sterbe- und Trauergesang des Sinaschwans, sein „Schwanengesang", ist also eine wirkliche Tatsache. Auch sonst läßt sich bei Bögeln beobachten, daß sie in großer Not und Erregung plötzlich zu singen anfangen, und dazu stimmt der Sterb ege sang, den die todwunden Singschwäne an- stimmen. Oer unsichtbar Harem. ! Während in der Türkei die Frau immer mehr aus dem Dunkel des Hauses heraustritt und sich schleierlos unter die Männer mischt, gibt es in anderen Teilen der Welt, deren Kultur sonst durchaus modern anmutet, noch immer Sitten und Gebräuche, die das weibliche Geschlecht in einer fast orientalischen Abaeschlossenheit halten. Der Haremsgeist mit seiner strengen Scheidung der Geschlechter wirkt,unsichtbar noch immer, in gewissem Sinne sogar in Südamerika, vielleicht als ein ferner Nachklang der maurischen Einflüsse in Spanien, die dann auch auf die spanischen Kolonien sich fortpflanzten. Die Argentinierin z. B., die in ihrer Toilette auf der Höhe der letzten, Pariser Moden ist, befindet sich in anderen Dingen noch um Hunderte von Jahren.zurück. Die Beschrän- ' kungen, die dem argentinischen Mädchen und der verheirate ten Frau im gesellschaftlichen Verkehr auferlegt werden, wür den den Europäer fast mittelalterlich anmuten. Die Frau erscheint tatsächlich überhaupt kaum in der Oef- fentlichkeit. Wenn heute ein Fremder mit Einführungs schreiben an verschiedene führende argentinische Familien an kommt, so wird er bemerken, daß alle diese Schreiben an die ^rren in ihren Bureaus adressiert sind. Er wird sehr liebenswürdig empfangen, zum Essen im Klub oder Restau rant eingeladen und anderen argentinischen Herren vorge stellt. Aber ob er nun drei Taae oder drei Monate in Bue nos Aires bleibt, so wird er doch wahrscheinlich nie in eine argentinische Häuslichkeit eingeladen werden. In einem argentinischen Privathause einen Besuch zu machen, würde als ein schwerer Berstoß gegen die Etikette angesehen werden. Selbst auf dem Lande, wo die Gesetze der Gastfreundlich keit so streng befolgt werden, sind die Damen des Hauses nicht von dieser Zurückhaltung befreit. Der Besucher reitet nach einer Estancia und wird von dem Besitzer am Torweg empfangen; man nimmt ihm das Pferd ab, führt ihn ins Haus, und ein hübsches Mädchen, die Tochter des Besitzers, erscheint mit einem Tablett voll Erfrischungen; sie wird dem Besucher vorgestellt, reicht ihm den Willkommenstrunk, ver schwindet und wird nicht mehr gesehen. Nicht in allen Ländern Südamerikas sind die Frauen so beengt, wie in Argentinien. In EhiIe z. B. bewegen sie sich freier. In dem eleganten Badeort Visa del Mar unter halten sich die chilenischen Damen mit Ausländern ganz un gezwungen, und die besten chilenischen Familien gestatten ihren Töchtern fast dieselben Freiheiten, wie sie heute die Engländerin genießt. Gel-abnützung. Unser Geld ist so minderwertig geworden, daß man sich die Frage vorlegen muß, ob nicht viele der kleineren Scheine, mit denen wir heute zahlen, mehr Geld kosten, als sie wert sind. Da das Papiergeld dem „Zahn derZeit" besonders stark unterworfen ist, so müssen sich bei uns gewaltige Men gen von Papiergeld abnützen, die sicher einen riesigen Betrag darstellen. In anderen Ländern, die sich auch noch im glück lichen Besitz von Hartgeld befinden, verschlingt die Geld- abnützung noch größere Werte. Genaue Ziffern gibt darüber für England N. G. Martin in einem Londoner Blatte. Die Banknoten, die in England, weil sic schmutzig geworden sind, aus dem Verkehr gezogen werden, belaufen sich wöchent lich auf etwa 5 Millionen Pfund Sterling. Dabei ist aller- dings zu bemerken, daß der Engländer sehr Hohe Anforde rungen an die Reinlichkeit des Papiergeldes stellt und daß schon Scheine aus dem Verkehr verschwinden, die bei uns noch lange umlaufen würden. Beim Hartgeld treten durch die Abnützung Verluste an Metall ein, die, wenn es sich um Gold und Silber handelt, sehr beträchtlich sind. Im Jahre 1919 wurden englische Silbermiinzen im Werte von 142,279 Pfund Sterling eingezogen; der Ver lust an Metall, den sie erlitten hatten, betrug mehr als 12,680 Pfund Sterling. Silbermiinzen verlieren während ihrer Lebenszeit etwa 8 Prozent von ihrem Gewicht. Ein Gelehrter hat ausgerechnet, daß eine Münze, Der Retter. Erzählung. (Schluß.) .Bah, ich bade keine Furcht vor seiner Eifersucht! Eifersucht — was sage ich. Dieses Wort ist zu edel für solchen Menschen.* Er öffnete ein Fach seines Schreibtisches und zeigte dem zitternden Mädchen eine Pistole. .Dieser doppelläufige Revolver wird mich heute Nacht vor Ueberraschungen schützen!* Marie sagte nichts mehr. Sie blieb den Tag über einsilbig und verstört und suchte mehrfach Vorwände, sich zu entfernen, aber Willmer lieh sie nicht aus den Augen. Er hatte Vorkehrungen getroffen, ihre Flucht zu verhindern. Erst später als es sonst seine Gewohnheit war begab er sich zur Ruhe. Den Revolver legte er neben sich auf den Nachttisch, fest entschlossen, falls Andreas einen Einbruch wagen sollte, den Schurken ohne Wlmperzucken niederzuschießen. Er schlief bald ein. Er träumte von dem Erlebten, von Marie und ihrer kleinen Tochter. Plötzlich wachte er auf. Es war ihm, als hätte er ein Geräusch vernommen. Er sah, wie in dem bleichen Licht des Vollmonds, das in das Zimmer fiel, sich von der Tür aus ein Schatten hin und her bewegte. Der Schatten nahm deutlich die Gestalt eines Mannes an. Andreas!' Er griff nach dem Revolver. Der Hahn knackte, aber der Schutz versagte. Ein unterdrücktes Lachen erscholl von der Tür her und eine Stimme, die Willmer wieder erkannte, flüsterte: .Gut gezielt! Jetzt kommt die Reihe an mich!' Und Willmer sah im Mondschein ein Messer blitzen. Er fühlte, dah er verloren sei und der Gedanke betäubte ihn — für wen! Der Retter war fetzt reif, selbst gerettet zu werden. Andreas trat näher und die beiden Feinde sahen sich Auge in Auge. Der Gedanke, einen Mord zu begehen, schien den Einbrecher doch zurückzoschrecken. Er sagte kaum hörbar: .Wollen Sie mir das Mädchen herausgeben — gutwillig?' .3a!* .Dann schlafen S,e weiter!' .Nein, lassen Sie mich aufstehen und zum letzten Mal mit Marie sprechen. Ich gebe Ihnen mein Wort, datz ich Sie beide ungehindert gehen lasse.' Andreas steckte sein Messer ein. Das Wort eines Ehren mannes schien bei ihm noch guten Kredit zu haben. Willmer warf hastig seine Kleider über und zündete das Licht an. Er ging voran, Andreas folgte ihm. Vor der Tür -es Fremdenzimmers machte Willmer Halt. Bitte warten Sie!' Er trat ins Zimmer. Marie satz vor dem Bett ihrer Tochter, den Kopf in die Kiffen gedrückt. Kein Laut war vernehmbar, außer dem leisen Atemholen des Kindes. Fräulein Harding!' flüsterte Willmer. Marie drehte sich erschreckt um und machte eine Geberde, als ob st« ein Gespenst erblickte. .Herr Willmer!* Wundern Sie sich, dah ich noch lebe?' Sie stürzte, wie vom Schlag« getroffen, zu Boden und um klammerte seine Knie. Elende! Sie haben mich töten wollen! Niemand als Die hat die Kugeln aus dem Lauf entfernt!' Da sie noch immer in ihrer Lage verharrte, fuhr er weiter fort: Und weshalb?* Sie erhob sich und antwortete tonlos: Weil ich ihn liebe!' Willmer prallte entsetzt zurück. Ihr Geliebter wartet. Gehen Sie!' Sie nahm schweigend das Kind aus den Kiffen, das ruhig weiter schlief und wankte mit ihrer Last zur Tür hinaus. Willmer lauschte gespannt einige Augenblicke. Kein Geräusch an der Haustür. Es war kein Zweifel. Andreas war vom Nach- barhos aus-eingebrochen. Seine Gedanken verwirrten sich. Er muhte sich sehen, um nicht umzufallen. War es möglich! Dieses Mädchen, welches die Bildung und die Manieren einer Weltdame besah, zog es unaufhaltsam in die niedrigste Gesellschaft. Den Falschspieler, der sie erst gestern eine Dirne nannte, liebte sie und folgte ihm willig in ein Leben zurück, das schlimmer als kein Leb«n war. Und dieses Mädchen hatte er rr.ien wollen! ZSuke Nacht, Menschenfreund, gute Nacht!' Seine Schläfen glühten, seine Pulse hämmerten — er fieberte- So fand ihn am frühen Morgen die alte Haushälterin. Sie schlug einmal über das andere die Hände zusammen und schrie: .Ich habe gewuht, dah es so kommen würde! Das miserable Frauenzimmer . . . das!' Dann gab sie ihrem Herrn, den st« über alles wert hielt, allerlei Hausmittelchen ein, bis er sich langsam wieder erholt«. ^vorbei! Vorbei!' Das war sein Schmerzensgruh an das Leben. Da, beim ersten Schimmer des wieder erwachten Bewußtseins fühlte er sich von zwei weichen Armen umschlungen und sah la zwei braune, treuherzige Kinderaugen. .Ich Hins!' sagte das Kind lächelnd. .Elly!' .Mama hat gesagt, ich soll bei Dir bleiben, Onkel!' Lange hielt Willmer das Kind umfangen. Dieses Erbstück einer toten Lebendigen wollte er heilig halten. Was hie Mutter verbrochen, sollte an -er unschuldigen Tochter nicht vergölte» werden. Ihr Leben war fortan mit dem sejnigen verbunden. Die Kleine drückte ihm einen Brief in die Hand. Er »ar voa Marie. Hastig erbrach Willmer das Siegel und laS: Mein teurer Freund! Es wirhi wenige Menschen geben, die Ihnen an Großherzigkeit gleichen. Dieses Urteil dürfen Sie ohne Geringschätzung von einem Mädchen entgegennehmen, da» besser Gelegenheit hatte, Sie zu würdigen, als es jemals eine andere wird tun können. Klagen Sie mich keines Verbrechen» an, sondern nur einer List, die mir die Verzweiflung etngab. Um meinetwillen soll kein Blut vergossen werden. Deshalb ver barg ich Ihre Kugeln, deshalb folge ich jenem Mann. Glaube» Sie mir, dah Ich ihn nicht liebe, niemals geliebt habe. Aber nur mit meiner Person kann ich die Gefahr beseitigen, welche sonst stündlich ihr Leben bedroht. Ich bin nicht wert, dah Sie sich für mich opfern. Was Sie noch an Barmherzigkeit für mich übrig haben, wenden Sie meiner Tochter zu. Sje wird mich niemals Wiedersehen. Ich trage den Tod im Herzen und meine größte Qual ist, dich ich keine Zeit mehr habe, meine Schuld z» sühnen. Ich lege Ellys Schicksal in Ihre Hand. Bewahren Sie mein armes Kind vor einem Ende, wie eS mir bevvrstehtt'
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