30 Heidrun Wozel Arbeits- und Lebensbedingungen Dresdner Handwerksgesellen nach dem Siebenjährigen Krieg - In den letzten Jahren hat sich die Volkskunde der DDR verstärkt der Lebensweise und Kultur werktätiger Klassen und Schichten in der Übergangsperiode vom Feudalismus zum Kapitalismus zugewandt. In diesem Zusammenhang soll besonders auf die von Rudolf Weinhold herausgege benen Studien verwiesen werden, die sich auf Sachkomplexe dieser Periode festlegten und für das Territorium Kursachsen und Nachbargebiete aufschlußreiche Ergebnisse erzielten. 1 Einige Er gebnisse von Untersuchungen zu einer ähnlichen Problematik 2 bilden die Grundlage der folgen den Darlegungen. Die Materialbasis bestand vorwiegend aus Archivalien des Stadtarchivs und des Staatsarchivs Dresden. Als besonders aussagekräftig erwiesen sich die Innungsakten der Bäcker, Schneider und Hutmacher. Zusammen mit weiteren Akten, insbesondere der Textilgewerbe sowie solchen, in denen Probleme des Handwerks tangiert wurden, gewähren sie ein relativ geschlossenes Bild von den Lebensbedingungen der Handwerksgesellen. Zusätzlicher Aussagewert kommt den Auto biographien, Reiseberichten und Briefen wandernder Gesellen zu. Zeitgenössische Vorschläge „Zur Verbesserung des Gewerbestandes“, Taschenbücher für Gesellen und Lehrlinge, Jahrbü cher sowie kameralistisch-ökonomische und topographische Literatur aus dem 18. und 19. Jahr hundert tragen zum „Zeitkolorit“ bei. Durch sie werden alltägliche Probleme und Sorgen der Ge sellen für uns verständlich; aber auch Beispiele solidarischen Handelns sind überliefert. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen in Dresden spiegeln sich vor allem auch dann konkret wider, wenn über Probleme der Unterkunft, Entlohnung und Beköstigung berichtet wird. Nach dem Siebenjährigen Krieg verstärkte sich die soziale Differenzierung unter den werktätigen Klassen und Schichten des Volkes. Hartmut Zwahr hat zu den Vorarbeiten für eine Geschichte der Konstituierung der deutschen Arbeiterklasse im Übergang vom 18. und im 19. Jahrhundert wesentliche Studien zur Klassendialektik beigetragen. Nur einem geringen Teil der Handwerker gelingt es in diesem Zeitraum in die Bourgeoisie aufzusteigen; die Masse der ruinierten Kleinmei ster und Gesellen wird dem Pauperisierungs- und Proletarisierungsprozeß unterworfen. Ausmaß und Tempo dieses Prozesses bestimmte die von fortschreitender Arbeitsteilung begleitete Aus dehnung der kapitalistischen Warenproduktion. „Der Verfall des Zunfthandwerks zwang eine rasch an wachsende Zahl von Gesellen, ihre Arbeitskraft außerhalb der kleinen Warenproduktion zu verkaufen. Das gelernte wie ungelernte Manufaktur- und Fabrikproletariat ging sozialökono misch in beträchtlichem Umfang aus Zunftgesellen und auch Zunftmeistern hervor.“ 3 Der damit angedeutete Wandel in der Lebensweise von Meistern, Gesellen und Lehrlingen ließ sich auch durch veränderte Innungsartikel nicht aufhalten. Eine große Rolle spielten im Untersu chungszeitraum die (erst) 1780 erschienenen General-Innungsartikel. Der Tod Augusts des Starken, neue politische Erfordernisse sowie die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges verzogenen die in