65 Rainer Richter Camillo Graf Marcolini und die Kunst in Sachsen zwischen 1768 und 1814* „Die Biographie des Grafen Marcolini ist die Geschichte Sachsens von 1768 bis 1814..Mit diesem bedeutsamen Satz beginnt Friedrich August Freiherr o’Byrn seine biographische Skizze über den Königlich Sächsischen Kabinettsminister, Oberstallmeister und Kämmerer Camillo Graf Marcolini. So absolut allerdings können wir diese Aussagen nicht übernehmen. O’Byrns Biographie gründet sich hauptsächlich auf die zweifellos vorhandenen Verdienste Marcolinis und auf das Vertrauen, welches ihm Friedrich August der Gerechte entgegenbrachte. Daß dieses Ver- trauen nicht grenzenlos war, erfahren wir aus Meiers Aufsatz „Aus dem Leben des Grafen Marco lini“ 2 , der sich auf ein Testament Friedrich Augusts III. aus dem Jahre 1787 bezieht. Der Kurfürst äußert sich darin über Marcolini folgendermaßen: „Hören Sie seinen Rath an, aber beschließen Sie selbst... Ich rathe Ihnen, die Direction dieses Departements (Etranger-Departement) keinem Anderen als einem Sachsens anzuvertrauen, weil sein Rath den größten Einfluß auf die politische Haltung Ihrer Lande haben kann und ein Ausländer nie den natürlichen Antheil an deren Wohl fahrt nehmen wird, die Sie von einem Sachsen erwarten können.. ,“ 3 Gleichwohl währte das gute Verhältnis zwischen Friedrich August und Marcolini über viele Jahr zehnte bis zu Marcolinis Tod. Den zahlreichen Spekulationen über den tatsächlichen Einfluß Marcolinis auf den Kurfürsten wollen wir keine weiteren hinzufügen. Was uns in diesem Zusam menhang interessiert, ist das Verhältnis des Grafen zur Kunst in Sachsen zwischen 1768, dem Jahr des Regierungsantritts Friedrich Augusts, und 1814, dem Sterbejahr Marcolinis. Da sich eine Reihe von Beiträgen dieses Colloquiums mit einzelnen Disziplinen der Künste in Sachsen zu dieser Zeit befaßt, werden hier Beispiele genannt, die unmittelbar mit Marcolini im Zusammenhang stehen. Es sind wenig Publikationen über Marcolini erschienen, Beiträge zum Meißner Porzellan der Marcolinizeit ausgenommen. Daher sind die folgenden Ausführungen auch nur als ein Versuch zu verstehen, der vielleicht hilft, das zukünftige Bild von den bislang wenig beachteten Leistun gen Marcolinis anders zu gestalten. Graf Marcolini wurde als jüngster Sohn des Peter Paul Marcolini am 2. April 1739 auf dem Fami liengut in Fano geboren. Sein Vater, der gute Beziehungen zum sächsischen Hof unterhielt, er langte, daß sein Sohn bereits mit zehn Jahren, am 16. Februar 1749, als Aspirant auf eine Silberpa genstelle in das Pagenbuch eingetragen wurde. 4 Nach Dresden kam der „Comte Camillo Marco lini“ allerdings erst 1752im Alter von dreizehn Jahren. Der Grund für Marcolinis späteren großen Aufstieg wurde 1763 gelegt, als der Silberpage zum Kammerpagen ernannt und zum Dienst bei dem noch unmündigen Kurfürsten Friedrich August verpflichtet wurde. Hier erwarb sich Mar colini bleibende Verdienste für die weitere Entwicklung des jungen Kurfürsten. Eduard Vehse