57 Gerald Heres Tendenzen der Aufklärung im Dresdner Museumswesen. Zu einer Denkschrift des Oberkammerherrn Graf Vitzthum von Eckstädt aus dem Jahre 1771 Der Siebenjährige Krieg brachte für die Dresdener Sammlungen eine Zeit schwerster Gefähr dung. Die Verluste an Kunstwerken blieben, sieht man von der Zerstörung der Marmorskulptu ren im Großen Garten ab, erfreulicherweise gering 1 . In den Kellern des Zeughauses und in den Gewölben der Festung Königstein waren Skulpturen und Gemälde vor preußischen Granaten, auch vor Diebstahl, geschützt, aber jahrelang der Einwirkung von Nässe oder Sonnenstrahlung preisgegeben. 2 Die Gebäude waren am Ende des Krieges fast alle beschädigt oder verwahrlost. 3 So ist es begreiflich, daß sich der Neuaufbau der Dresdener Sammlungen über viele Jahre hinzog. In der Gemäldegalerie waren bereits 1761 Fenster und Fußböden, 1762 Bilderrahmen repariert worden, so daß die Gemälde 1763 vom Königstein zurückgebracht und neu gehängt werden konnten. 4 Im selben Jahr waren auch die Antiken wieder zugänglich: Inspektor Wacker ließ sie in vier Pavillons des Großen Gartens aufstellen. Dies war jedoch von Anfang an nur ein Proviso rium; schon 1764 bat Wacker um Reparaturen, da sämtliche Dächer und Fenster defekt waren. 5 Nach Brühls Tod wurde das Amt des Oberkammerherrn wieder eingeführt; zunächst übernahm es Friedrich Carl Graf von Bose. Ihm wurde 1764 als „Director derer Künste und Kunstakade mien, auch Ober-Aufseher derer dahin gehörigen Cabinets als der Bilder-Galerie, der Sammlung derer Antiquen Statuen und des Kupferstich-Cabinets“ der Sammler und Kunstgelehrte Christian Ludwig von Hagedorn unterstellt. 6 Vorwegnehmend sei betont, daß Hagedorn auf die musealen Belange der drei Sammlungen nach Ausweis der Quellen kaum Einfluß nahm; der Oberkammer herr pflegte mit den Inspektoren direkt zu verhandeln. Graf Bose konnte beim Prinzen Xaver, der nach dem frühen Tod des Kurfürsten Friedrich Chri stian die Regentschaft für den unmündigen Friedrich August übernommen hatte und seine Kräfte auf eine kostspielige Militärreform konzentrierte, immerhin den Ankauf der Bünauschen und der Brühlschen Bibliothek durchsetzen. Die Eingliederung der insgesamt über 100 000 Bände und der Verkauf der Dubletten nahm zwei Jahrzehnte in Anspruch. 7 An weitere Neuerwerbungen war zunächst nicht zu denken. Als Friedrich August III. 1768, eben achtzehnjährig, die Regierung übernahm, wurde zum Ober- kammerherrn Ludwig Siegfried Graf Vitzthum von Eckstädt (1716-1777) berufen. 8 Diplomat von hoher Bildung und großer Erfahrung, hatte Vitzthum zuvor als Gesandter in Paris und Wien gewirkt. Dem Neuaufbau der Dresdener Sammlungen widmete er sich nunmehr mit Verständnis und Energie. Von dem, was Marcolini später vollenden konnte, hat Vitzthum in seiner zehnjähri gen Amtszeit vieles begonnen und vorangetrieben, vor allem den Ausbau des Japanischen Palais zum Museums- und Bibliotheksgebäude und die Restaurierung des Zwingers. Im Mai 1771 berichtete Vitzthum dem Kurfürsten über die Situation der Museen. Da er den jun gen Monarchen nicht nur über den aktuellen Stand informieren, sondern ihn auch für die Proble-