in den Dekorationen der Zeit anspielen. Tatsächlich vermag keine dieser Bezeichnungen alle künstlerischen Phänomene des auseinanderbrechenden Feudalsystems zu kennzeichnen. Man bedenke nur, daß gleichzeitig im deutschen Raum die Wiener und die Weimarer Klassik einsetz ten. Aber dies alles galt nur für die geistig führenden Gruppen der Oberklassen. Denn andererseits stiegen erst jetzt jene dekorativen Künste, zumal in Sachsen, in erstaunlicher Fülle auf, die an bäuerliche und kleinbürgerliche Schichten adressiert waren: bemalte Möbel und geschmücktes Gerät aus Zinn, Fayence und Steinzeug. Dies signalisiert uns, daß dort kulturelle Bedürfnisse, Wohn- und Lebensgewohnheiten einsetzen, die vorher gar nicht vorhanden gewesen waren. Lei der werden in diesem Kolloquium keine kulturhistorischen Erkenntnisse darüber vermittelt, denn das durch Dr. Weinhold abgesagte Referat konnte nicht kompensiert werden. Natürlich war diese Umstruktuierung mittelbar und unmittelbar sozial verursacht. Wir haben dafür Etiketten bereit: höfische und bürgerliche Kultur. In unserem Zeitraum löste eine die an dere ab, ohne daß wir feste Grenzwerte bestimmen können - wie ich annehme - weder ästhetische noch gesellschaftliche. Dennoch ist die Ablösung offensichtlich. Nach dem Tode Augusts III. arbeiteten hier in Dresden noch immer Beilotto und Kändler - höfische Künstler von höchstem Rang. Aber kurz vor dem Ende unseres Zeitraums, der schon nicht mehr durch die Inthronisie- rung oder den Tod eines Fürsten bestimmt wird, traf Caspar David Friedrich in Dresden ein. Zwischenrein aber führte der Hofjuwelier Neuber die höfische Goldschmiedekunst noch einmal zu europäischer Geltung, während die Akademieprofessoren Klengel, Graff und Zingg das Men schenbild und das Naturgefühl des bürgerlichen Zeitalters etablierten. Im Unterschied zu den vorangegangenen zwei Jahrhundertdritteln stimmten in diesem letzten Anfang und Ende nicht mehr überein. Eine Revolution auf der Straße hatte hier nicht stattgefun den, wie in Paris, wohl aber eine latente in den Salons und Ateliers. Ihre Resultate wurden nicht in öffentlichen Monumenten sichtbar, wie im siegreichen Preußen durch Langhans und Schadow, aber sie waren in Dresden, trotz des verlustreichen Krieges, nicht weniger, sondern anders bedeu tend für die deutsche Kultur. Die Saat des augusteischen Zeitalters waren die Sammlungen. Sie hatten den Maler Friedrich in die Stadt gezogen, wie er selbst schrieb, und sie hatten noch im 18. Jahrhundert die tiefsten Wirkungen auf Wackenroder und Tieck, zumindest damit indirekt auf Novalis; nicht geringer ist ihre Bedeutung für die Weimarer Klassik gewesen und für den Des sauer Frühklassizismus. Diese Wirkungsgeschichte ist von der Dresdner Kulturgeschichte zwar nicht zu trennen, aber nur letztere ist unser heutiger Gegenstand. Trotz aller Schwierigkeiten, die er sui generis enthält, hoffe ich, daß wir heute nachmittag wenigstens eine Art klassizistischer Umrißzeichnung der Epoche erarbeitet haben werden, sowohl hinsichtlich ihrer inneren Struktur wie auch ihrer zentraleuropäischen Bedeutung nach außen, die dann in der Folgezeit jeder ein zelne von uns entsprechend seiner Profession ausführen und kolorieren kann.