Entfernung der schreienden Farben noch viel des Seltsamen, Unerwarteten zurückbleiben, um das Interesse zu fesseln, und ein Bild der Geschehenisse entstehen, das auch tragischer Züge nicht entbehrt. Neben dem Goldmacher Johann Friedrich Böttger, dem seltsamen Fremdling, der so unerwartet und wider Willen an den Hof August des Starken kam und dort wie in einem goldenen Käfig gefangen gehalten wurde, gehegt und gepflegt von dem Fürsten und seinen Dienern wegen der goldenen Hoffnungen, die er erweckte, — neben diesem Glückskind tritt im Lichte der neueren Geschichtsforschung mehr und mehr die ernste Gestalt eines gelehrten, welterfahrenen und erfindungs reichen sächsischen Edelmanns hervor, die des Philosophen, Mathe matikers, Naturforschers und Technikers Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Mitten aber in seinem der Wissenschaft, seinem Vaterlande und seinem Fürsten gewidmeten Schaffen ist er ins Grab gesunken, nachdem er dem Adepten Böttger die Stätte bereitet hatte, auf der dieser seiner trügerischen Ver sprechungen ledig wirklich Erreichbares, ja Erspriessliches leisten konnte. Tschirnhausens Wirken ist fast völlig vergessen. Vielen meiner Leser dürfte er kaum dem Namen nach bekannt sein. Seines glücklicheren Schülers Johann Friedrich Böttgers Standbild dagegen erhebt sich in Meissen, in der Stadt des Ursprungs der europäischen Porzellanfabrikation. Die Rolle, die beide Männer, Tschirnhaus und Böttger, bei der Neuerfindung des Porzellans gespielt haben, lässt sich nur klar erkennen, wenn man die Lebensgeschichte beider verfolgt. Bisher hat man immer nur Böttgers seltsame Schicksale am Dresdener Hofe und seinen Übergang von der Goldmacherei zur Porzellanfabrikation zu schildern versucht. Beginnen wir einmal umgekehrt mit Tschirn haus. Er verdient es, nicht, wie bisher, bloss als Nebenperson bei der Darstellung der „Böttger-Affaire“ erwähnt, sondern einer eingehenden Schilderung seines Lebens und seiner technischen Arbeiten, soweit sie für unser Thema in Betracht kommen, gewürdigt zu werden. Von selbst werden wir dabei Johann Friedrich Böttger begegnen.