6 I. Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Des französischen Ministers Colbert Merkantilsystem bot hervor ragenden Männern des Inlandes und des Auslandes in der französischen Hauptstadt eine Freistätte für ihre wissenschaftlichen Bestrebungen. Sie sollten den Ruhm des französischen Namens vermehren und die wirtschaftlichen Hilfsquellen des Landes ent wickeln helfen. Ohne Zögern nahm man auch die Hilfe der Fremden an. Aber freilich, sie mussten in Paris bleiben, sie mussten Franzosen werden, wenn sie sich dauernd die Begünstigung des Staats für ihre gelehrten oder volkswirtschaftlichen Unter nehmungen sichern wollten. Missgunst, Misstrauen, ja Feindschaft trat sofort hervor, wenn der Fremde sich nicht anschickte, den französischen Absichten und Zwecken sich anzupassen. Das haben Huygens, Leibniz und andere, auch Tschirnhaus, erfahren. Mit offenen Augen mag wohl damals Tschirnhaus, der an Colbert durch Huygens Empfehlungen und so Zutritt zur Academie erhielt, das Leben und Treiben der französischen Gelehrten beobachtet haben. Es gab seinen Bestrebungen, die sich bis dahin innerhalb der reinen Wissenschaft, der Philosophie und der Mathematik, bewegt hatten, die später so deutlich hervortretende Richtung nach der volkswirtschaftlichen Seite, wie sie sich in dem Merkantilsystem Colberts äusserte. Nur ein Beispiel, das aber gerade an dieser Stelle bemerkenswert ist. Leibniz notierte sich am 1. Oktober 1675, Tschirnhaus habe in Gemeinschaft von anderen Gelehrten mit der Tonerde (argilla) Versuche angestellt 0 ). Offenbar handelte es sich dabei um die Entdeckung des Geheim nisses der ostasiatischen Porzellanfabrikation. Es ist ja bekannt, welch grosse Summen Geld für die massenhafte Einfuhr von Porzellan während des 16. und 17. Jahrhunderts nach China und Japan wanderten. Hatte man bis vor kurzem geglaubt, dass die Asiaten ihr Porzellan aus Stoffen verfertigten, die nur in China und Japan zu finden wären, und nach Vorschriften, deren Geheim haltung undurchdringlich sei, so war man damals durch die Reisen Taverniers und durch die Berichte der dritten holländischen Gesandtschaft nach China (1666-1668) eines besseren belehrt worden. Man wusste ganz genau, dass Tonerde, wie sie sich allerorten findet, einer der Hauptbestandteile sei. Aber alle Feuerkraft der damaligen chemischen Öfen konnte doch nicht den aus verschiedenen Erdmischungen bestehenden Körpern die Eigenschaften des Porzellans verleihen. Die französische Akademie