Woher sind die deutschen Kolonisten gekommen? Auch auf diese Frage geben die ältesten Urkunden für die nähere Umgebung keine Ant wort. Auch hier sind wir besser unterrichtet über Ortschaften aus der weiteren Umgegend: Kühren ist von Flandrern besiedelt; daß Alt-Flem- mingen bei Naumburg, Flemmingen im Altenburgischen, Flemmingen bei Waldheim von Vlämen — im Volksmund Flämige oder Flemminge — besiedelt sind, ist nicht zu bezweifeln. Urkundlich fest steht, daß im Süden die Kolonisten Franken gewesen sind. Im übrigen sind wir auf Kombinationen und Vermutungen an gewiesen. Aber die Beweismittel sind doch relativ so zahlreich und so verschiedenartig, daß ich zuversichtlich glaube, sichere Ergebnisse bieten zu können. Ich stelle zunächst fest, daß ich Gründe für die Annahme sächsischer Einwanderung bisher nicht gefunden habe. Dagegen sprechen alle Gründe für die Annahme, daß es Franken waren, die sich im Westen und im entfernteren Süden niederließen und daß Niederländer den Osten, Norden und den Süden bis Erostewitz hin besiedelt haben. Für den Süden bedarf es keines weiteren Beweises für die fränkische Ein wanderung, sie ist sicher bezeugt. Im Westen enthält der Ortsname Franken heim einen sehr deutlichen Kinweis. Auch sonst fehlt es weiter westlich nicht ganz an Spuren fränkischer Siedelung. Der Ort Löbnitz am Peters- berge bei Kalle wird 1184 genannt .,KVunIrM<lorp guo et lüubaiwvits"?) Diese Gründe werden bekräftigt durch die Tatsache, daß wir in späterer Zeit in Orten westlich von Leipzig-) als Erbrecht ein Dritteilungsrecht finden. Und für das fränkische und thüringische Erbrecht ist der Dritlelungs- modus charakteristisch. Dieses Recht habe ich auch in Kayna (bei Breiten feld) gefunden (i- I. 1667).^) Zu der Annahme niederländischer Siedelung bestimmt mich vor wiegend die Tatsache, daß ich das sogenannte vlämische Erbrecht in einer großen Zahl von Dörfern gefunden habe; von Lindenthal und Möckern bis Erostewitz, Wachau und Güldengossa, von Reudnitz bis jenseits der Mulde?) Charakteristisch ist für dieses Recht die eheliche Gütergemeinschaft verbunden mit Kalbteilung der Kinterlassenschast. In späterer Zeit ist in vielen Orten die eheliche Gütergemeinschaft geschwunden und nur die Kalb teilung geblieben (bis in das l8. Jahrhundert hinein). Nach dem älteren echten vlämischen Erbrechte erhielt also die Witwe die Kälste von der gesamten Kinterlassenschast beider Ehegatten. Die ältesten Spuren dieses Rechtes führen in Leipzigs Umgebung bis zum Anfänge des 16. Jahrhunderts zurück, in Mölkau (1524)') und Connewitz (1526)?) In Gohlis wird 1576 der vlämische Teilungs- i) Schulze, a. a. O. S. 128, Note 2. 2) In Lausen i. I. 1625; in Grotzzschocher i. I. 1625; vgl- meinen Aufsatz: Die deutsche Besiedelung der Umgebung Leipzigs in der Wissensch. Beilage der Leipz. Zeitung 1910, Nr. 34. ») Ebd. 1909, Nr. 51. i) Vgl. meine Aussätze ebenda 1909, Nr. 9 und 51; im Neuen Archiv für sächs. Geschichte Band XXIX, S. 150ff. b> Wissensch. Beilage d. Leipz. Zeitung 1909, Nr. 51. «) Ebd. Nr. 9.