8 traf, und ich dachte schon, der freundliche Schutzmann habe die Anzeige doch unterlas sen. Dann am 13. März kam es: keine Geldstrafe, sondern acht Tage Haft, binnen 14 Tagen anzutreten, sofern ich nicht gerichtliche Entscheidung beantrage. Eine Weile war ich entsetzt; Berufung einzulegen konnte ich mich nicht entschließen, denn was hatte ich als Jude von einem Richter zu erwarten? Nach vielem Erwägen ging ich zum Polizeipräsi dium und wurde dort von subalternen Beamten sehr freundlich beraten. Ich täte gut, die Strafe anzunehmen, gleichzeitig aber Milderung zu beantragen; es handle sich ja um ein erstmaliges und offenkundiges Versehen. Übrigens sei Haft keine grausame Strafe, man dürfe lesen, man dürfe auch mit Bleistift schreiben. Eva meinte, im schlimmsten Fall würde es auf eine Bereicherung meines Curriculums 0 hinauslaufen. Ich schrieb also ein Gesuch, und als es am Tage des Haftantritts nicht beantwortet war, ging ich ohne allzu große Furcht wieder zur Schießgasse, Zimmer 197 im 3. Stock. Dieselben freundlichen Beamten: mein Gesuch »laufe«, es sei »befürwortend« weitergegeben, mehr könne man nicht tun, ein besonderes Regierungsdezernat entscheide, ich müsse nun warten. Ich ging sehr erleichtert nach Hause, und in der Folgezeit wurde der anfängliche Alpdruck immer leichter. Nirgends, auch unter den Juden nicht, war ein Fall der Haftstrafe für erstmalige Verdunklungssünde bekannt; der übliche Strafsatz sollte 50 M betragen, möglich, daß man bei Nichtariern höher griffe; Geld werde gebraucht, die Gefängnisse seien überfüllt. Da mir inzwischen ein Zuschuß aus Georgs Sperrconto angewiesen worden war, und da Poli zeistrafen außerhalb der Freigrenze lagen, so hatte ich auch die finanzielle Belastung nicht zu fürchten. Ich wartete fast ein Vierteljahr und manchmal dachte ich schon gar nicht mehr an das kleine Unheil. Auch als am 12. Juni der Polizeientscheid kam (vom Polizeiprä sidenten in der ersten Person Singularis, nicht vom Polizeipräsidium - Ausdruck des Füh- rerprincips!), öffnete ich den Brief sehr ruhig. Mein Gesuch war abgelehnt, ich hatte zum Strafantritt am 23. Juni zwischen 8 und 12 Uhr im Zimmer 198 zu erscheinen und 12 M für Verpflegung, 3,50 für Gebühren zu entrichten. »Wenn Sie nicht rechtzeitig erscheinen, haben Sie zwangsweise Vorführung zu gewärtigen«. Ich war erbittert, denn ich dankte das fraglos nur dem J auf meiner Kennkarte, aber ich nahm mir fest vor, das Ganze mit Phi losophie und eben als Bereicherung meines Curriculums hinzunehmen. Haft war nicht Gefängnis, die Polizei kannte nicht die Härten der Gestapo, und mit Lektüre und Schrei ben würde die Zeit vorübergehen. Auch brauchte ich mich nicht sonderlich um Eva zu sor gen, sie war jetzt gut zu Fuß, und das lästige Kohlenschleppen des Winters fiel fort. Von Dr. Friedheim lieh ich mir die autobiographischen Bände Goethes, aus meiner winzigen Handbibliothek nahm ich die Geschichte der deutschen Philosophie im 20. Jh. von Moog mit, und da mir am letzten freien Sonntag der Ausbruch des Krieges mit Rußland noch mächtigen Aufschwung verlieh, so ging ich am Montag nach spätem Frühstück und herzli chem Abschied in sehr leidlicher Verfassung aus dem Hause. Acht Tage waren keine Ewig keit, ich würde einen Gruß schicken, einen Gruß, vielleicht sogar einen Besuch empfangen können. Die mutige Stimmung hielt auch noch in dem mir schon vertrauten Zimmer 197 an. Der Beamte war wieder sehr höflich, fast komisch höflich. »Bitte warten Sie eine Weile draußen