9 Hans-Eckhard Dannenberg o Robert Blum und die Leipziger Unruhen Das Ereignis im Königreich Sachsen, das zwischen 1831 und 1848 die größte öffentliche Resonanz hervorrief, war der Militäreinsatz gegen demonstrierende Bürger am 12. August 1845 in Leipzig. »Wir schreiben unter dem Eindruck der beklagenswertesten Ereignisse! Die bewegten Tage des Jahres 1830 forderten nicht so viele Opfer, als jetzt auf einmal todt zu unsern Füßen liegen«.’’ Mit diesem dramatischen >Aufmacher< begannen wenige Tage später die »Sächsischen Vaterlandsblätter« (SVbl), die seit 1841 in Leipzig erschienen und unter dem Einfluß von Robert Blum zur profiliertesten oppositionellen Tageszeitung Sachsens geworden waren, eine langandauernde Berichterstattung. Und in England charakterisierte Friedrich Engels im »Northern Star« die Vorgänge in Leipzig als den »bei weitem schändlichsten Schurkenstreich, den der Militärdespotismus in unserem Lande je ersonnen hat.« 2 ’ Was war geschehen? Am Nachmittag des 12. August 1845 trifft Prinz Johann, Bruder von König Friedrich August II. und Oberkommandierender aller sächsischen Kommunalgarden, in Leipzig ein, um die dortige Kommunalgarde zu inspizieren. Johann - ein namhafter Dante-Ubersetzer, intimer Kenner der mittelalterlichen Kirchengeschichte und des Neuen Testaments 31 - ist in der Bevölkerung nicht beliebt: Vor allem beim nach politischer Emanzipation strebenden Bürgertum gilt der von tiefer katholischer Religiosität und von aufrichtiger, auch öffentlich bekundeter Frömmigkeit geprägte Fürst als intoleranter Katholik und Anhänger »ultramonta nen« (also der römischen Kurie gehorchenden) Gedankengutes. So wird er schon während der Musterungsparade der Leipziger Kommunalgarde auf dem Roßplatz von dieser selbst kühl und von den Zuschauern, die das öffentliche Schauspiel in großer Zahl angezogen hat, sogar ablehnend behandelt. Pfeifen, Zischen, Schreien und andere Unmutsäußerungen ersetzen die sonst bei solchen Gelegenheiten selbstverständlichen Hoch-Rufe. Nach dem Ende der Parade verlaufen sich die Menschen nicht, vielmehr strömen immer mehr Neugierige herbei, als die Kommunalgarde ihrem Generalkommandanten - es ist mittlerweile Abend geworden - einen Zapfenstreich darbringt. Auch nachdem sich Johann und die Honoratioren der Stadt zu Empfang und festlicher Tafel in das Hotel de Prusse zurückgezogen haben, steigert sich die negative Stimmung der mittler weile nach Tausenden zählenden Menge weiter; in das Schreien mischen sich persönliche Schmähungen des Prinzen, Rufe gegen die Jesuiten erschallen, das Lutherlied »Ein feste Burg ist unser Gott« wird gesungen, demonstrative Hochs auf Johannes Ronge, den exkommuni-