Charlotte Knappmann — Was? Wieder teurer? Das muß ich aber rasch meinem Mann sagen, daß er auch seine Preise erhöht! Der Wert steht fest, da der Preis feststeht. Geriete der Bourgeois doch nur aus seinem Gleichgewicht, wenn er diese Wahrheit nicht anerkennt. Er sucht die Wahrheit und findet sie. Wenn es einmal feststeht, daß eine Frau sehr viel kostet und der Bourgeois sie doch nicht hübsch zu finden vermag, so ist er schließlich überzeugt, daß sie eine Meisterin in der Liebe ist. Und hier erlangt die Kurtisane dieselbe Autorität wie ein berühmter Spezialist. Der Mann zweifelt nicht, daß die Sinnlichkeit eine Technik ist wie Klavierspielen, wie Kochen. Daß es einer großen Übung bedürfe und es dafür Rezepte gäbe. Es müsse wohl Frauen geben, deren Erfolge sich durch eine genau erkennbare Über legenheit erklären läßt. C. Die Frau ohne Gesicht. Dem Bourgeois kommt niemals der Gedanke, daß eine Dirne eine billigere Kurtisane sei, er sieht nur das Gegenstück der Kurtisane in ihr. Ist sie doch für ihn die Liebe ohne Raffinements. Zwischen dieser Frau und der Liebe ist nicht die geringste Aussicht auf Verständigung, ja sogar nur auf vorüber gehende Verständigung. Die Dirne ist das Urbild alles dessen, was er haßt: der Mangel an Heuchelei, an Kultur; der Zynismus; die ungeschickten Worte, mit denen sie ihn anspricht, erwecken die Erinnerung an etwas schon Gesehenes, an etwas Scheußliches. Und da richtet sich drohend vor ihm das Wort auf: ,,Im Schmutz versinken .“ Der Nimbus der Kurtisane ist gleich Null. Sicher gibt es irregeleitete Bourgeois, die im Morast versinken. Aber diese Menschen versinken, weil dies ihre Bestimmung ist, eine Bestimmung, die die Dirne weder zu beeinflussen noch rascher herbei zuführen vermag. Sie bemächtigt sich des Bourgeois erst in dem Augenblick, da 2 * 171