ROBESPIERRES LETZTE PARTIE Von ROBERT WALTER "D obespierre versäumte während der französischen Revolution selbst in den XV kurzen Taumeltagen seiner schaurigen Allmächtigkeit die tägliche Partie Schach nicht. Mit dem frühen Nachmittag erschien er im Cafe Corazza und hatte nur die Wahl zwischen Zufallspartnern, — denn die erlesene Schar der Freunde des königlichen Spiels war längst ausgesiebt und zerstäubt, und die paar zurückgebliebenen erlauchten Köpfe hüteten sich, mit der Gegnerschaft des Blutdiktators zu spielen, den das Verlieren bis zur Wut reizbar und das Gewinnen mißtrauisch bis zur Heimtücke machte. Er erschien, der Bürger Robespierre, spießbürgerlich betucht und frisiert, hängte umständlich den Hut an den Haken der verschmutzten Wand und klemmte sich hinter das Tischchen in verschatteter Ecke. Er hatte schon, wäh* rend ihm der Blick über die aufgebauten Figuren hinweg zu den Gesichtern der Gaste entglitten war, einen jungen, vernachlässigten Burschen bemerkt, der da an einem Glase Wem leckte, einen geschmeidigen Milchbart. Jetzt, beim forschenden Suchen nach dem Partner, hakten sich die großen Augen des Schlingels in seine. Robespierre ruckte den Kopf wie im kurzen Wink zurück. „Spielst du, Bürger?" Der junge Mensch nickte nur, war flinkfüßig heran, das Weinglas geschickt balancierend, hockte sich hin, ohne sonderlichen Gruß oder viel Worte. So begann das Spiel, leicht und in munterem Zug um Zug — bis Robespierre sich schon nach wenigen Minuten beengt sah, bis er, an sich haltend, die tändelnde Kunst* fertigkeit nein, die Meisterschaft erkennen mußte, mit der dieses Viertel* männchen ihn zusammenschlug. „Bürger Robespierre, du bist matt!" „Revanche! antwortete Robespierre, und jetzt saß ihm der Zorn rot im Ge* sicht. Jetzt war er entschlossen, den Fant abzutun. Er spielte beherrscht und ge* spannt, Schritt vor Schritt witternd. Er spielte, sich der guten Regeln erinnernd und die erprobten Züge planvoll zurechtbauend — bis, zum Henker! er erkannte, daß dieser Spitzbube ausgefeimtere Regeln studiert haben mußte. „Schachmatt, Bürger Robespierre!" Robespierre wischte mit einem Fausthieb die Figuren vom Tisch, lachte den beißenden Ärger durch die Zähne und hatte die Finger schon im Hosensack, silbern klimpernd. „Um was haben wir gespielt, Bürger?“ „Um das Leben! Um das Leben des Grafen Boissy dAnglas!" Die Worte schütterten wie ein Schrei zwischen Grauen und würgender Angst — ein Papier knitterte auf das Spielbrett. „Ich bin die Gattin des Grafen Boissy, Bürger Robes* pierre!" Die gesperrten, schwarzglänzigen Augen krallten sich in die Blicke des All* mächtigen, die nun zu flackern anfingen und torkelnd hin und her suchten. Der Name Robespierre zirkelte steif und taumelig unter die Schrift — und der Bürger Robespierre versuchte eine alberne Verbeugung, langte den Hut vom Haken und § in g gewaltsam aufgerichtet, steif und spießbürgerlich zur Tür.