KUNSTSCHAU AUF DER BRÜSSELER WE LT AU S STE LLUNG von WILMONT HAACKE D ie Weltausstellung von 193J in Brüssel brachte eine Schau der allermodern* sten europäischen Kunst und eine Gesamtausstellung des westlichen Ex* pressionismus. Bei der Sammlung der modernen Malerei, bei der Deutschland nicht vertreten ist, hat Belgien den Hauptanteil inne. Ein Nachfahre des Impressionismus ist Thevenet, vertreten mit Arbeiten von 1900 — 10, der beruhigter malt als die Be* kenner der letzten Glaubenssätze der europäischen Kunst. Ihn reizen bunte Tuche, sie gewissermaßen auf die Leinwand „umzuschlagen". Gern beobachtet er Innen* räume und lädt die Sonne ein, darin zu spielen. Das blutige Rot und das „spike" leicht ekelerregende Grün hat es dem älteren Pointillisten Etizor angetan, dessen Hauptwerk Variationen des „Todes in der Harlekinmaske" sind. Als einen männlichen Kollwitz in Ol könnte man P. Paulus mit seinen dunklen Arbeitergesichtern und dunklen Industriegesichten einordnen. G. v. d. Woeystyne braucht große ölbekleckste Leinwände, um auf ähnliche Art wie der deutsche Visionenzeichner und Schauermärchenkarikaturist Charles Girod weniger zu sagen als dieser. Laermans malte seine flandrischen Bauern schon um 1890 schmucklos einfach. Seine den Entstehungsdaten nach für eine solche Ausstellung viel zu alten Arbeiten wirken in diesem Hause moderner Malerei angenehmer als etwa die neuesten Versuche von George Latinis, der Sach* lichkeit mit absoluter Leere gleichsetzt und in kühlbewußter Manieriertheit tote Farben in das Nichts setzt, um eisige Landschaften zu entwerfen. Brabantisch vollsinnlich malt Leon Devos, der viel Freude an sublimen Frauengesichtern hat und weiche Akte in apfelfarbenem Fleischrosa schmissig*sentimental hinwirft. Rechts und links an Belgiens breites Aufgebot lehnen sich zahlreiche Sendungen aus Frankreich und einige Säle voll England. Unter den Briten fällt ein Künstler Roberts auf, der Badende stark umstilisiert. Frech ist ihm eine schonungslos und ohne viel Aufwand von Pietät entworfene Szene „Paris und die drei Schönen" gelungen. Eine Reihe von jungen englischen Künstlern hält es noch immer für lebensnotwendig, die zerstörten Larven von Pariser Straßenmädchen mit Geduld zu studieren. Sie alle gehen bei französischen Malgreisen in die Schule, die viel* leicht vor dreißig Jahren einmal in dem Rufe gestanden haben, revolutionär zu sein. Sie sollten sich besser in englischer Landschaft auf die künstlerischen Pflichten und Rechte besinnen, die eine Geburt auf der grünen Insel mit ihrer vergangenen Malkultur mit sich bringt. Hitchens macht Anleihen bei Pablo Picasso und über* steigert sich in symbolisch gemeintem Irrsinn. Wadsworth, der bei mildestem Lichte etwas von Paul Klees Gespensten und Gespinsten hat, die ja nicht ohne Sinn aufgezeichnet sind, hat sich entschlossen (1930—34) wieder zum Entwurf von Tapetenmustern zurückzukehren. 2 359