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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190601214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19060121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19060121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-01
- Tag1906-01-21
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Bezug-. Prei- i» der Hallptexpeditto» oder der« «nSgaba» stelle» abgehoU: oiertrljLhrltch L40, bet täglich zweimalig« AusteLung tat Haut vierteljährlich S.—. Durch unsere aus ¬ wärtige» Ausgabestelle» und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4^0, für die übrige» Länd« last ZritungSpreiSlist«. Dies« Nummer kostet auf S /d ML allen Vahnhöstn und bet III ll( I den Zettangt-Verkäusern I Nedattton und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr. 153, Nr. 2L2, Nr. 1173. Berliner Redakttont-Vurraur Berlta UV 7. Dorotheenstratz« SS. Tel. I. Nr. VL75. Dresdner RedaktionS-vureaur DreSden-L, Düuuerttzstr. L5, Tel.1, Nr. 4583. Nr. 38. KiprigcrTagtblatt Handelszeitung. Ämtsölatt des Rates und des Ralizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sonntag 21. Januar 1906. Anzeigen-Preiß VK s gespalten« Prtüzeil» für Leipzig uad Umgebung 25 Pf., für ou-wärt- 80 Pfg. Familien- Wohnung»« und Stellen- Anzeigen 20 Pf. Finanziell» Anzeigen, Geichästsanzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Taris. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätze» wird kein« Garantie übernommen. Anzeige» and Extrabeilagen nur in der Morgen-Ausgabe Schloß der Annahme nachmittag- 4 Uhr Anzeigen-Annahme: Lllguftusplatz 8, Erke ZohanulSgafse. Haupt-Filiale Berlin: LarlD» acker,Herzgl.Bavr^)osbuchhandlg^ Lü-owstraße 10 (Fernsprecher Ami VI Nr. 4603). Filial-Expedition; DreSdeu,Marieastr.34. 180. Jahrgang. vsr WHligrle vsm Lage. * Auch in Dresden wird eine größere Kund ¬ gebung zu Gunsten freundlicher deutsch-eng lischer Beziehungen vorbereitet. (S. Deutsches Reich.). * Jauräs hielt am Abend des 19. Januar eine Rede über die M a r o k k o k o n f e r e n z, in der er Delcassö scharf kritisierte und anerkannte, daß Deutschlands Protest gerechtfertigt war. (S. Ausland.) * Frankreich erblickt in der Behandlung seines Der- trc^ers durch Venezuela eine kriegerische Handlung und fordert von Castro eine sofortige bündige Ab- bitte. Die Vereinigten Staaten wollen gleichfalls ein Kriegsschiff an die venezolanische Küste schicken. (S. Ausland.) * Nach den bisherigen Wahlergebnissen in England sind gewählt: 232 Liberale, 35 Arbeiter vertreter, 96 Unionisten, 72 Nationalisten. Die Libe ralen gewannen b i s h e r 127 Sitze. Der frühere Minister Finlay ist bei der Wahl unterlegen. * Die Handelsvertragsverhandlungen zwischen Serbien und Oesterreich-Ungarn sind völlig unterbrochen worden. (S. Ausland.) * Der Arbeiter Thomschkc wurde unter dem Ver dachte, 1904 in Obersteina bei Kamenz i. S. sieben Personen ermordet zu haben, durch einen Kriminalschntzmann, der unerkannt im Steinbruck) mit lbm zusammen arbeitete, verhaftet. Der vemonstraiionttsnniag. Es kann heute keinein Zweifel mehr unterliegen, daß die Sozialdemokratie ihre ursprüngliche Absicht bedeutend eingeschränkt und es aufgegeben hat, am 21. Januar auf die Straße zu gehen. Ob damit freilich Straßen demonstrationen mit allen ihren unliebsamen Möglich keiten und Störungen, mit Lärm, Krawall, Landfriedens- bruch und Aufruhr, tatsächlich vermieden werden, muß sich erst zeigen. Man darf sogar nach den Dresdener Er fahrungen berechtigte Zweifel in die Versicherungen der sozialdemokratischen Presse setzen, „bei der Disziplin und der Klugheit der sozialdemokratischen Massen" sei es „völlig ausgeschlossen, daß es zu den gewünschten Reibungen kommen könnte". „Gewünscht" werden die Reibungen nach den Unterstellungen der Sozialdemo kratie nämlich von der Bourgeoise, die ihre Hoffnung aus eine „Straßenschlächterei" setzen soll. Es mag ja hier und da Fanatiker der Reaktion geben, die das Heil in solchen blutigen Auseinandersetzungen sehen, genau so, wie es in der Sozialdemokratie eine ganze Richtung, und sogar die herrschende, gibt, die die schließliche Ueberwäl- tigung des herrschenden Systems durch Anwendung von Gewalt zu beschleunigen bereit ist. Aber es ist ganz sicher, daß in bürgerlichen Kreisen derartige Gewaltlieb haber recht wenig zahlreich und jedenfalls weniger zahl reich sind, als die auf Gewalt Sinnenden innerhalb der Sozialdemokratie. Das Bürgertum will von solchen Ex- perimenten durchweg nichts wissen und ist überhaupt erst durch die radaulustigen Großsprechereien und später durch die Dresdener Ereignisse sehr gegen seinen Willen ge zwungen worden, sich mit der Möglichkeit von Straßen unruhen zu beschäftigen. Man wird unserem Bürger tum eher ein zu reichlich Maß von politischer Indolenz als von Angriffslust vorwerfen dürfen. Nach dem es aber notgedrungen sich mit den Demonstrationsplänen oertraut gemacht hat, ist doch allerorts eine ganz un verkennbare Uebereinstimmung in der Auffassung der Situation zu Tage getreten. An keiner Stelle ist eine besondere Beunruhigung bemerkbar geworden, überall hat sich felsenfestes Vertrauen auf das starke Gefüge unseres Staates und die Kraft seiner Abwehrmittel zu erkennen gegeben, und gewissermaßen als Parole geht durch die Reihen des Bürgertums das Wort: „Laßt sie nur kommen!" Man muß zum Verständnis dieser kühlen, aber doch zuversichtlichen Haltung die Entwickelung der sozialen oder besser sozialdemokratischen Frage im Deutschen Reiche berücksichtigen. Seit Jahrzehnten bringt das deutsche Volk in seiner Gesamtheit für die Arbeiterklasse Opfer, wie sie noch keiner anderen Nation auferlegt worden sind. Es hat für die Arbeiter gesorgt in Alter und Krankheit, bei Invalidität und Unfall. Es isi gerade jetzt damit beschäftigt, den Arbeiterhinterbliebenen eine jährliche Zuwendung von 50 Millionen zu machen, und bereits heute ist die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Arbeitsprodukte auf manchen Gebieten gefährdet infolge dieser sozialen Lasten. Bereits macht sich in sehr weiten Kreisen des Mittelstandes eine Bewegung erkennbar, die eine gleiche Fürsorge deS Staates für sich beansprucht und den Arbeiter als sozial bevorzugt ansieht. Der kleine Arbeitgeber leidet besonders unter dem Druck seiner sozialpolitischen Verpflichtungen und die tägliche Er kenntnis, daß alle Opfer nicht vermocht haben, den Fort gang der sozialdemokratischen Hetzereien zu verhindern und ihm die unbedingt nötige Ruhe zum Erwerb zu er kaufen, ist nicht geeignet, ihn freudiger zu stimmen. Be: der geringsten Veranlassung, wegen Nichtigkeiten, die nicht der Rede wert sind, wird sofort mit Streikdrohungen vorgegangen. Und oft genug wird auf Kommando ge streikt, ohne daß die meisten einen Grund für die Arbeits niederlegung angeben könnten. In diese Situation -mein ertönt nun, erst leise und zaghaft, dann immer I auter die Aufforderung zu Straßendemonstrationen. I Eine ganze Zeitlang blieb es bei theoretischen Erörte-, rungen. Wenn das oder jenes eintreten sollte, wäre doch u erwägen, ob usw. Dann wurden die Aussichten kalku- iert, die eine gewaltsame Erhebung unter den heutigen Verhältnissen haben würde, und dann endlich hieß es, die Probe auf das Exempel solle gemacht werden. Ist es bei dieser Sachlage nicht verständlich, wenn das Bürgertum nicht heute schon etwa jammert über das Unglück, das blöde Toren über sich selber bringen wollen? Daß es vielmehr sagt: Wenn die Leute absolut in ihr Unglück rennen wollen, wenn keine Warnung sie davon abhalten änn, dann haben sie sich eben die Folgen selbst zuzu- chreiben? Dem Einzelnen wird man vielleicht Mitleid entgegcnbringen, der gesamten Bewegung aber sieht die tcratstreue Bürgerschaft ohne alle und jede Sympathie, allein mit der sicheren Zuversicht entgegen, daß es ge- ingen wird, sie rasch und gründlich und ohne alle Schwächlichkeit zu unterdrücken. Auf eine sehr unangenehme, aber durchaus verständ- iche und sogar unvermeidliche Folge der Nevolnzzerei muh aufmerksam gemacht werden, auf ihre Verstärkung aller antisozialen Neigungen. Es darf wohl ausge- prochen werden: Wenn heute ein bedeutsames soziales Gesetz zu verabschieden wäre, das neue Opfer vom Staate und der bürgerlichen Gesellschaft forderte, so hätten seine Freunde einen weit schwereren Stand als zu irgend einer rüheren Zeit. Und sollten wirklich heute oder iberhaupt in absehbarer Zeit Ruhestörungen größeren Umfanges ohne zwingende, verständliche Gründe ein- reten, so würden sich die Befürworter sozialer Vergünsti gungen eine arge Niederlage holen. Solche Erwägungen würden zwar die sozialdemokratischen Führer von ihreni Vorhaben nicht abbringen können; denn ihnen liegt ja gar nichts an praktischen Erfolgen zur Besserung der Lage der Arbeiter, aber der sozialdemokratischen Gefolgschaft ollte es doch klar werden, daß sie mit ihren aussichtslosen Putschversuchen nur das eine erreicht, die soziale Reform zu erschweren und sich selbst damit zu schädigen. Die überall bekundete ruhige Entschlossenheit unter 'einen Umständen eine Massen- und Straßenhecrschaft, wenn auch nur für kurze Zeit, zuzulassen und mit allen Mitteln die Ordnung aufrecht zu halten, hat bekanntlich bewirkt, daß parteioffiziell den Demonstranten abgewinkt worden ist. Und wir nehmen nicht einmal an, daß dies nur ein Schachzug ist, um hinterher die Hände in Un- chuld waschen zu können. Man darf vielmehr hoffen, >aß es den Führern Ernst ist mit ihren Ermahnungen, Straßenkonflikte zu vermeiden. Vielleicht graute ihnen doch vor der Verantwortung, die sie auf sich laden, ange- ichts der gewaltigen Ueberlegenheit der staatlichen Macht mittel. Aber ob diese nachträgliche Ordre noch Erfolg hat, ob sie nach den monatelangen Hetzereien ernst ge nommen wird, und ob die überall hinzuströmenden radau- ustigen Elemente sich das erhoffte Vergnügen nehmen assen werden, das ist die Frage. Wir hoffen jedenfalls, daß die Arbeiterschaft genügend kühles Blut bewahren möge, um unendliches Unglück von sich selbst fern zu halten. Vie Lage ürr vauin-pelitsrrn der Sächsische« Staatseisenbahnvermalt-ing. Die Gehalts- und Aufrückungsverhältnisse der wissen schaftlich gebildeten Techniker der Sächsischen Staatselsen bahn-Verwaltung, insbesondere die der Bau- und Betriebs inspektoren, haben sich in der letzten Zeit von Jahr zu Jahr ungünstiger gestaltet. Die Gründe sind folgende: Der Kreis der in Betracht kommenden Beamten ist kein großer. Es handelt sich im ganzen um 79 Bauinspektoren. Sie rücken nicht, wie Angestellte anderer Staatsanstalten lwir erinnern nur an dre Gymnasiallehrer), nach dem Dienstalter auf, sondern es ist ein Stellensystem eingerichtet, so daß ein Aufrücken in-eine höher besoldete Stelle nur beim Eintreten einer Vakanz, sei durch Todesfall oder Pensionierung hervoraerufen, erfolgen kann. Dazu kommt, daß das Höchstgehalt durchaus nicht dem anderer akademisch gebildeter Berufsstände entspricht. Es bestehen gegenwärtig 12 Stellen zu je 4200 -K, 11 zu 4500 -^t, 11 zu 4800 12 zu 5100 << 11 zu 5400 10 zu 5700 und 12 zu 6000 -St (Höchstgehalt). Die in jeder Gehaltsklasse vorhandene kleinere Stellenzahl muß natürlich das Auf rücken in ungünstigster Weise beeinflussen. Jetzt schon be trägt das Durchschnittsalter derjenigen, die bis zum Hächst- gshalt gelangen, 57 Jahre Dieses Verhältnis wird sich aber in Zukunft noch ungünstiger stellen. Die in der Etats periode 1900/01 geschaffenen 6 Bauinspektorstellen bei den Betriebsdirektionen sind nämlich, ebenso wie eine neue tech nische Ratsstelle in der IV. Abteilung der Generaldirektion, heute nicht mehr vorhanden, und es ,st sogar zu befürchten, daß weitere Ersparnisse in der Verwaltung, haupt sächlich durch Einziehung höher besoldeter Stellen für wissen- schastllch gebildete Techniker erzielt werden sollen. DaS Aufrücken wird daher immer schwieriger, und es dürfte schließlich dahin kommen, daß nach Ablauf einiger Jahre manche Bauinspektoren erst kurz vor Erreichung de- 6b. Lebensjahres in den Genuß des Höchstgehaltes gelangen. Nun haben allerdings die Bauinspektoren Aussicht, zu Eisenbahndirektoren und bautechnischen Raten der Generaldirektion befördert zu werden. Dann können sie Gehälter von 6000, 6600, 7200, 7800 und 8400 -4t erreichen. Aber auch hierbei hängt alles, da ebenfalls das Stellen system obwaltet s3, 3, 8, 4 und 3) von günstigen Vakanzen ab, und auf solch« ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen um so weniger zu rechnen, weil die Stelleninhaber ein Durchschnittsalter von uur 57^2 Jahren haben, d. h. im Durchschnitt nur wenige Monate alter sind, als die Bau inspektoren der 1. GehaltSklofle. Bei dieser Sachlage batten deshalb schon vor nahezu 6 Jahren die wissenschaftlich gebildeten Techniker der Staats- eisenbahn-Verwaltung wiederholt um Ausbesserung ihrer I ungünstigen Gehaltsverhältnisse gebeten. Damals wurde von I der Kgl- StaatSregierung ein« Besserung der Verhältnisse I -ugesagt. Die Finanzdeputation Ze der Zweiten Kammer vertrat zu jener Zeit s1900) die Ansicht, daß „der eigentliche Grund der Unzufriedenheit der Petenten in den besonderen Altersverhältnissen der Bau- und Betriebsinspektoren zu suchen sei." Von der König!. Staatsregierung wurde er- rannt, daß eine Lösung der ganzen Frage nur durch Einfüh rung eines Dien st alters st usensy st ems erfolgen könne, und in der Sitzung der 2. Kammer vom 28. März 1900 gab der Königliche Kommissar im ausdrücklichen Ein verständnisse mit dem Minister die Erklärung ab. „daß die Königliche StaatSregierung nicht ermangeln werde, seiner zeit und vielleicht schon für die nächste Etatsperiode mit ge eigneten Vorschlägen, sei es in der Richtung einer Ver- mehrungder höheren Stellen oder einer Aende» runa des Aufrückungssystems, an die Ständever- sainiiilung heranzutreten." Aber dabei ist es geblieben, und es trat sogar, statt der erhofften Verbesserung, eine Verschlechterung durch die schon erwähnte Einziehung von Stellen ein. Vielleicht hat auch die StaatSregierung die inzwischen erfolgte Gewährung eines Wohnungsgeldzuschusses für einen ausreichenden Ausgleich hinsichtlich dex, Erfüllung ihrer Versprechungen gehalten. Dem gegenüber muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Gymnasiallehrer, die doch in Sachsen auch nicht aus Rosen gebettet sind, ebenfalls einen Wohnunasgeld- zuschuß erhielten und trotzdem bis zu 6600 -4t ausrstcken können, also 600 -4t mehr beziehen, als die Bau» und Be- triebsinspekloren. Tatsächlich bezogen am 1. Januar 1905 von 298 Gymnasiallehrern an staatlichen Anstalten 67 ein Gehalt von 6000 <K, 20 ein solches von 6300 -4t und 22 ein solches von 6600 -4t, also zusammen 109 oder 36,6 Proz. 6000 -A und darüber, während nur 12 Bauinspektoren oder 9,8 Proz. das Höchstgehalt von 6000 -4t hatten. Unter diesen Umständen wird sich die König!. Staats- regierung der Pflicht nicht entziehen können, eine Besse rung in der Lage der Bau- und Betriebsinspektoren ein treten zu lassen. In gleichem Maße, wie diese selbst, sind hieran auch 44 staatlich angestellte RegierungSbau- meister beteiligt. Sie rücken zu Bau- oder Betriebs inspektoren auf und dürfen, wenn nicht für die Ernennung bestimmte Grundsätze (nach Dicnstjabren) ausgestellt werden, bei der jetzigen Sachlage wohl erst in ziemlich vorgerücktem Alter in eine Bauinspektorenstelle cinrücken. Angesichts der jahrelang andauernden ungünstigen Aus rückungsverhältnisse darf auch erwartet werden, daß die König!. Staatsregierung schon jetzt dem Landtage eine entsprechende Vorlage unterbreitet. Es kann unsere Aus gabe nicht sein, Vorschläge zu machen. Sicher ist aber, daß eine Besserung nur durch Einführung deS Dienstalters- stufensystcms und durch Festsetzung eines höheren Endgehalts erfolgen kann. Mögen die Wünsche der in Betracht kommenden Beamtenklassen hierbei ihre Er füllung finden. veulschrs keicb. Leipzig, 21. Januar. * Die wahren Scharfmacher. So wenig es geleugnet werden soll, daß es im bürgerlichen Lager „Scharf macher" gibt, die auf die Gelegenheit lauern, einer poli tischen Reaktion den Weg zu bahnen, so darf noch viel weniger verkannt werden, daß die Sozialdemokratie bei der Ausmerzung des Revisionismus eine revolu tionäre Scharfmacherei betreibt, die geeignet ist, die politische Reaktion zu unterstützen. Bebel hat noch am 10. Januar in der „Gleichheit" auf das alte Moskau verwiesen, wo „Proletarierblut in Strömen floß", und die Frauen zur Beteiligung an den Straßen kämpfen zu entflammen versucht: „Die Beteiligung der Frauen an den Straßenkämpfen wird ein Faktor von weltgeschichtlicher Bedeutung, der in den revolutionären Kämpfen der Zukunft als typische Erscheinung wieder kehren wird. Damit haben sich die russischen Frauen ihr volles Bürgerrecht erobert." Das letztere wollen a die deutschen Frauen, erp;ol Im sozialdemokratischen Blatt in Oldenburg — um nur das jüngste herauszu greifen — „dichtete" der Redakteur Richard Wagner ein 20 Strophen langes Poem mit dem Schluß : „Aufwacht das abgehärmte Weib Und hebt zum Schwur die dürre Hand. Aufwacht der :rüde Mann und reißt Den schweren Hammer von der Wand Und schwingt ihn jubelnd himmelwärts Und drohend gen Altar und Thron" «sw. Kautsky nennt in einem Artikel „Zum 22. Januar" in der letzten Nummer der „Neuen Zeit" die Dresdener Arbeiteropfer einen „gewaltigen Hebel des proleta rischen Fortschritts", muß also logisch ein weiteres Blut vergießen wünschen. Und endlich meinte der Redakteur Löb in Breslau, der zuerst in der dortigen „Volksmacht" Straßendemonstrationen gegen das Landtagswahlrecht gefordert hatte, in dem Artikel, der ihm soeben ein Jahr Gefängnis eintrug: „Macht euch kampfbereit! Seht nach Rußlands wo ein unterdrücktes Volk im wilden Kampf um die Menschenrechte sein Blut vergießt. Wo aus Elend und Not sich die rächende Hand des geknechteten Prole tariats erhebt und Sühne heischt für das blutige Un recht, das Jahrhundertelang an ihm verübt wurde. Deutscher Arbeiter, jetzt ist die Reihe an dir!" Wie man sieht, Blut, Blut und nochmals Blut ist die stereotype Parole in allen für den Dcmonstrationstag bestimmten Artikeln. Und man braucht nun gar erst die gestern Abend erschienene Nummer der „Leipziger Volkszei tung" durchzulesen, um zu sehen, wie unter einem beuch- lerischen Deckmantel der Ermahnung zur Ruhe in der Arbeiterschaft in revolutionärer Weise gehetzt wird. So klingt gleich der Leitartikel in folgende Verse aus: WaS noch bi- dahin muß erduldet werden, Erduldets! Laßt die Rechnung der Tyrannen Anwachsen, bis ein Taa die allgemeine Und dre bestmdre Schuld auf ernmal zahlt; Bezähme jeder die gerechte Wut Und spare für daS Ganze seine Rach«, Denn Raub beaebt am allgemeinen Gut, Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache Dann wird unter der Ueberschrift „Kalt Blut" die Arbeiterschaft aufgereizt durch die Mitteilung, daß Polizei und Militär in Leipzig sich in Bereitschaft halten, „um bis an die Zähne bewaffnet den Arbeitern das Recht der Gewalt zu demoustrieren". Den Höhepunkt seiner revolutionären Verhetzung erreicht aber das Mehringsche Organ in einem Beiblatt der „Volks zeitung", das unter dem Titel Albertinische Pro file die Tendenz verfolgt, durch eine einseitige ver logene Geschichtsdarstellung, zum Teil unter Mißbrauch bürgerlicher Historiker, die Fürsten aus dem Wettiner Hanse verächtlich zu machen. Es widersteht uns, auch nur Proben aus diesem erbärmlichen Machwerk abzu drucken. Hier ist die Maske völlig fallen gelassen, als handle es sich bei der Sozialdemokratie um Vertretuug von Arbeiterinteressen. Hier zeigt sich offen, in boden loser Frechheit der gewissenlose revolutionäre Agitator, der auf den Umsturz hinarbeitet, wobei es ihm ganz gleichgültig ist, ob die Tausende, die er verführt, dadurch in Elend und Schande kommen. Hier ist aber auch die Preßfreiheit zu einer Preßfrechheit geworden, die von Seiten der anständigen Presse aus nur auf das schärfste verurteilt werden kann. Das ist keine Politik mehr. Las ist politisches Verbrechertum. ' Polizeiliches für den 21. Januar. Wie in der Stadt Leipzig, so sind auch in der Amtshauptmannschaft Leip zig die in ihrem Bezirk geplanten sozialdemokratischen Versammlungen verboten morden. Als Grund wird angegeben, es stehe zu befürchten, daß nach Beendigung der Massenversammlungen die. von der sozialdemokra- tischen Presse in Aussicht gestellten Umzüge veranstaltet werden würden. — Auch soust scheinen in Sachsen in allen größeren Städten die Versammlungen verboten worden zu sein, außer in Chemnitz. Gemeldet werden uns solche Verbote auch aus Oschatz und Freiberg. Daß man in Preußen ein Verbot nicht erlassen hat außer in Altona, wo es sich durch die Hamburger Vorkommnisse ergibt, wurde schon gemeldet. Die preußische Gesetz gebung bietet keine Handhabe und man hat auf Seiten der Regierung kaltes Blut genug bewahrt, keine Unge setzlichkeit begehen zu wollen, um so Ungesetzlichkeiten von der andern Seite zu vermeiden. Dagegen wird man gerüstet sein, um allen Straßentumulten entgegen wirken zu können. Und dieser Standpunkt ist bei dem Stand der preußischen Gesetzgebung richtig. Die Sozial demokratie hat es jetzt in der Hand, ob sie durch straffe Disziplin es bei den gewöhnlichen Versammlungen be lassen und damit auf dem gesetzmäßigen Boden bleiben will, oder ob sie, indem sie heute im Anschluß an die Ver sammlungen Straßentumulte provoziert — der Regie rung die Notwendigkeit aufzwingt, das preußische Ver eins- und Versammlungsrecht zu verschärfen. Sie würde in diesem Fall sich wieder nur wie durch ihre ganze revolutionäre Haltung als Vorfrucht der politischen Reaktion erweisen. — Tie Regierung von Sachsen- Weimar erließ abermals eine sehr ernst gehaltene Warnung für den 21. und 22. Januar, in welcher nochmals kategorisch erklärt wird, daß alle öffentlichen Demonstrationen zur Verherrlichung der russischen Re volution verboten sind. Auch die Veranstaltung öffent licher Versammlungen unter freiem Himmel ist an diesen Tagen streng untersagt. Die Polizei- und Gemeinde behörden des Großheczogtums sind angewiesen, die Warnung der Regierung in ihren betr. Wirkungskreisen nachdrücklich unter Hinweis auf die Folgen bei event. Nichteinhaltung des Verbotes aufmerksam zu machen, vor allem aber allen Zuwiderhandlungen nachdrücklichst entgegenzutreten. * Zu den drohenden Unruhen in Kamerun erfahren wir von kolonialer Seite, daß die Erregung unter den Einge borenen der Kolonie schon Monate lang herrscht und auch schon teilweise vor dem bekannten Hauptlingsprozeß zu merken war. Nach dem Urteilsspruch hat sich diese Erregung vermehrt und hat, als bekannt wurde, der Gouverneur reise nach Berlin, um sich zu verantworten, und andererseits die deutsche Herrschaft in Südwest- und Ostafrika habe bei der Unterdrückung von Unruhen m't Schwierigkeiten zu kämpfen, recht bedenkliche Dimensionen angenommen. Der kürzlich aus Kamerun eingetroffene Bericht drückt sich recht euphe mistisch aus, läßt aber durchblicken, daß der Erregung in ihrem jetzigen Zustande leicht ein offener Widerstand folgen könne. Man muffe deshalb besonders scharf aus dem qui rivs sein und alle Vorbereitungen treffen, um sofort einem offenen Widerstand mit Waffengewalt, namentlich im Süden, entgegeritretcn zu können. Das Kolonialamt bat denn auch sofort Anweisungen gegeben, die Maßregeln zu treffen, die der Kommandeur der Schutztruppc und stellvertretende Gouverneur, Oberst Müller, angesichts der Lage für nötig erachte. Genaueies über die Ursachen der Erregung kann erst mitgeteilt werden, wenn der Gouverneur von Puttkamer am 1. Februar deutschen Boden betritt. Befürchtungen, daß in Kamerun ein Ausstand ausbrechcn könne, sind nicht von der Hand zu weisen, doch dürste er größere Dimensionen nicht annebmen, da die Streitkräfte nach Meinung des Kom mandos vollständig ausreichcn. Glücklicherweise ist die Schutztruppe erst kürzlich um zwei Kompagnien verstärkt worden, so daß die Streitkräfte sich wie folgt gliedern: 1f 8 Feldkompagnien: 48 Unteroffiziere, 64 Gefreite, 32 Spielleute und 856 Monn, zusammen 1000 Mann; 2> 1 Ar- tillerie-Dctachement: 4 Unteroffiziere, 4 Gefreite, 2 Spiel- leute, 40 Mann, zusammen 50 Mann; 3l 1 Stammrompagnie: 6 Unteroffiziere, 8 Gefreite, 4 Spiclleute, 82 Mann, zu sammen 100 Mann, alle diese Mannschaften sind Farbige. Das weiße Personal besteht aus 40 Offizieren, 11 Aerzten, 13 Beamten, 66 Unterosfizieren^zusammen 130 Mann. Die Gesamtzahl betrögt mitmn 130 Weiße, 1150 Farbige, insge samt IWO Mann. Durch den Nachtragsetat ist die Schutz truppe verstärkt worden um 10 weiße Offiziere, 3 Acrzte, 2 Beamte, 12 weiße Unteroffiziere, 12 farbige Unteroffiziere, 16 Gefreite, 8 Spiclleute, 214 Mann. * Afrikanische Verlustliste. Ein Telegramm aus Windhuk meldet: Feldwebel Franz Siebert, geb. zu KönigSaue, früher Infanterie-Regiment Nr. 44, ist am 5. Januar in Otavi infolge ZerreitzenS der Luftröhre und der Halsschlagader und Bruchs der Wirbelsäule durck einen Kameelbiß gestorben. * Folgen deS SartoriuS-Prozeffes. In einer in I Deidesheim abgchaltenen Versammlung von Delegierten I aller politischen Parteien, Vertretern der Weinhändler
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