Das schauspielerische Dresden Emil Devrient Wenden wir uns zu den schauspielerischen Talenten, so tritt uns Emil Devrient als die markanteste Erscheinung, als Vertreter der höfischen Kultur Dresdens entgegen. Weder Tichatscheck noch Wilhelmine haben das Dresdnerische so getroffen wie er, man kann von ihm sagen: er hat sich nicht mit dem Dresdner Hoftheater, er hat sich mit Dresden selber vermählt. Seine Grenzen freilich waren nicht zu verkennen: ans Schönheitliche, an idealistische Spielweise war er gebunden. Doch mag man auch vom Standpunkt historischer Betrachtung Emil Devrients Kunst heute als überwunden betrachten, hier, wo wir aus Dresdner Boden das Theater sich entwickeln sehen, müssen wir über den „Göttlichen" anders urteilen: Emil Devrients Vorzüge können wir nicht verneinen, wenn wir nicht Dresdens Wesenszüge selber verneinen wollen Seine Anfänge In Berlin war Emil 160Z geboren; Ludwig Devrient, das große schauspielerische Genie, war sein Oheim; in jungen Jahren ging Emil zur Bühne und begann in Braunschweig seine Laufbahn. Noch fehlte ihm alle Persönlichkeit; noch war es nur die Schönheit des Gesichtes, die Biegsamkeit seiner Gestalt, die für ihn einnahmen; aber die Stimme besaß einen bezau bernden Klang. In Bremen suchte er sich zu vervollkommnen, die Technik des Sprechens zu entwickeln; bis spät in der Nacht saß er am Klavier und bildete seinen Sprechton am Jnstru- mentalton; so entstand der schwingende Nasalton, der bis ins späte Alter für Emil bezeichnend war. Noch war er, wie die meisten damaligen Bühnenkünstler, zugleich Sänger und Schau spieler; noch gab er Almaviva, Sarastro, Don Juan, Kaspar (im Freischütz) neben Melch- thal, Max Piccolomini, Fiesco; erst später entsagte er der Tätigkeit in der Oper. Von Bremen kam er nach Leipzig. Ein Gastspiel Pius Alexander Wolffs, der unter Goethe in Weimar die Weihe empfangen, wirkte entscheidend auf ihn. Seit er im alten Leipziger Theater Wolff gesehen hatte, schloß er sich dem Weimarer Darstellunggstil, den er schon früher geliebt, immer eifriger an. Goethes berühmte Regeln für Schauspieler vom Jahr 1817 hatten die Grundsätze zusammengefaßt, die, ursprünglich nur zur Erziehung und Aus bildung von Anfängern bestimmt, zum Schaden der Entwicklung der Schauspielkunst als allgemein verbindlich erachtet wurden. Für Emil waren sie Richtschnur, ja Offenbarung, die er bis an sein Lebensende verehrt hat. Gemessenheit von Rede und Spiel — Vermeiden aller Gewaltsamkeit — Anmut der Bewegungen — statuenhafte Haltung — bildmäßige Wirkung des Darstellers — genaueste Festsetzung der Stellung — schachbrettmäßige Bewegung der