97 9. Kapitel. Die Kinematographie im Heim. Die Augenblicksaufnahmen beweglicher Gegenstände haben sich von jeher großen Interesses aller Bevölkerungskreise zu erfreuen gehabt. Der Umstand, daß es gelang, Bewegungen (oder auch Veränderungen) irgendwelcher Art durch Photo graphie festzustellen, um sie für Studienzwecke zu verwerten, hat auch der wissenschaftlichen Forschung manchen neuen Gedankengang geöffnet. Die Photographie wird heute oft zu Rate gezogen, und ihre Registrierungen gelten vielfach als ausschlaggebende Beweise. Im ersten Teile dieses Buches ist wiederholt von der Wiedergabe der Persönlichkeit durch Photographie geredet und bereits hervorgehoben worden, welchen großen Anteil die Bewegungsgeste an der Vervollständigung des Bildes hat. Die Schwierigkeiten, die sich dem Erfassen des echten Gesichts ausdruckes entgegentürmen, sind leichter wegzudebattieren als tatsächlich zu überwinden. Schon die primitive Aufforderung des Photographen aus früheren Jahren — bitte, recht freund lich! — beabsichtigte eine Belebung, und die Neuzeit ver schmäht wohl diese Phrase, ist aber nicht minder darauf be dacht, den Ausdruck mit der Persönlichkeit zu erfassen. Daß immer noch ein Rest von Schwere hängengeblieben ist, läßt sich kaum abstreiten, andernfalls würde der „gelungene“ Aus druck nicht besonders hervorgehoben und als Glücksfall be zeichnet. Viel hängt von der Urteilsgabe des Photographen ab. Die Gesichtszüge sind allzu leicht Veränderungen unter worfen — also, es ist mit anderen Worten schwer, die be friedigende Lösung zu finden, die der Maler durch rein künst lerische Mittel erreicht. Unter den Händen des Photographen wird die Stellung nichtssagende Pose, und er muß deshalb darauf bedacht sein, die Bewegungen bildlich festzuhalten. In der Kennzeichnung ungemein glücklich ist das von den Gebrüdern Lumiere eingeführte Wort Kineipatographie. Es Ranft, Heimphotographie. 3. u. 4. Aufl. 7