XXXVII. Jahrgang 1929 Nr. 1 und 2. Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern. Bestellpreis für den Jahrgang 6 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich. Fredäric de Villers und sein Baumeister Woldemar Lermann. Von vr. pdil. et jur. Stegmann, Die gute alte Zeit, wer hat sie so lebendig und beseelt geschildert wie Ludwig Richter, und doch klagt auch er schon in seinem Tagebuche vom 9. Dezember 1826, ein Mann näher dem Jüngling, „seiner" guten alten Zeit nach: „Woher kommt's, daß man bei unseren Voreltern so viele originelle, eigentümliche Personen fand, — während sich doch jetzt alles zum Allgemeinen soll ich sagen erhöht oder verflacht? Jetzt trachten viele Vielerlei zu wissen und nennen es Bildung ... Die Alten drangen in die vielleicht we niger reiche Umgebung tiefer ein ..." Die drei Jahre, die Richter in Rom verbrachte, hatten Epoche in seiner Vaterstadt gemacht, die sich damals reckte und streckte: statt der Festungswerke auf dem Demolitions gelände Promenaden und Neubauten, neue moderne Verkaufsgewölbe am und um dem Altmarkt; am Antonsplatz entstanden damals die Kaufhallen und 1823 hatte als Wahrzeichen einer neuen Zeit die erste Dampfmaschine in Dresden ihren Einzug gehalten. Mochte Richter das Entschwinden des Alten be klagen,das neue Tun undTreibenbrachte seinen Freunden aus Berthold's Stube im „blauen Stern" Aufträge und Verdienst: dem Architekten Launs Woldemar Lermann, den Malern Karl Peschel, Karl Schuh macher aus Schwerin und Otto Wagner aus Stralsund. In seinem „Tagebuch" hat Woldemar Lermann (* 1807, 's 1878) Rechenschaft über seine Bauten und Entwürfe, wenigstens bis zum Jahre 1846, abgelegt und mit seinen vielen Federskizzen ist dieses Lest ein wertvoller Beitrag zur Baugeschichte Dresdens und Leipzigs, aber auch vieler anderer Orte des Landes. Im Eingang dieses Tagebuches erzählt Lermann die Geschichte seiner armen Jugend — ganz ähnlich wie wir sie schon von Julius Thäter und Ernst Rietschel kennen; er erzählt, wie er unter Jentsch und Siegel an der Dresdner Akademie studierte, dann sich ins Landwerk der Maurer aufnehmen ließ, um als Werk student wenigstens noch zwei Winter studieren zu können. Guter Rat, was weiter werden solle, war teuer, „da in der höchsten Not ist Gottes Lilfe am nächsten": ein Verwandter von Lermann, ein Lerr von Villers, hatte damals zwei der bedeutendsten Gartengrundstücke, Cosels in der Neustadt, und Mos- czinskys an der Bürgerwiese gekauft, kam selbst, ein sechsundfünfzigjähriger Mann, zu Lermanns in die Klostergasse und wandte sich in der wohlwollendsten Weise an den neunzehnjährigen Kunstjünger, ob er ihm mit seiner Lilfe und seinem Rat für allerlei Untersuchungen beifiehen wolle. Schon im August des Jahres 1826 wurde auf Cosels mit dem Bau eines Achtfamilienhauses (jetzt Lolzhofgasse 10 und 12) begonnen, dann aber schweif ten beide, Bauherr und Architekt, in höhere Kunst- regionen; Villers zwar dachte nur an einTempelchen, ein Belvedere, auf dem schönen Platz am Einfluß der Priesnitz, aber Lermann wußte ihn zu größeren Dingen zu begeistern, und so entstand das „Wasser, palais auf Cosels", noch heute das Wahrzeichen jener