Die „Mappe" Ein Beitrag zur Geschichte der Akademie der bildenden Künste zu Dresden. Selbsterlebtes von Johann Edmund^Lottenroth. Von der Ansicht ausgehend, daß Episoden aus dem Leben eines Menschen, und erscheinen sie auf den ersten Blick auch noch so unbedeutend, doch Lichter sein können, welche entlegene Winkelchen eines Gebäudes — im vorliegenden Falle die alte Akademie der bildenden wurde an einer großen Tafel ein Platz angewiesen und eine Bleistiftzeichnung nach einem Kopfe von Masaccio zum Kopieren aufgestellt. Da ich schon manche derartige Zeichnung aus der Mappe meines Vaters kopiert hatte, fiel mir die Lösung dieser Prüfungsaufgabe nicht schwer, und ich war bald damit fertig. Jedenfalls eher als mein Nachbar, ein junger Mann von sehr angenehmem Äußeren, der, so schien's mir, mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Ich benützte den Rest der zur Verfügung Künste in Dresden — zu erhellen vermögen, will ich es wagen, mein Wachsstöckchen zu entzünden und sein Licht leuchten lassen. Ich hatte in der Privatschule des Direktors B öhme auf gestellten Zeit, sein schönes Profil am Rande meines Reißbrettes zu zeichnen. Als er's bemerkte, lächelten wir uns schüchtern an, und in der Pause, die vor der Tür der Akademie am eisernen Geländer der Brühlschen der Ferdinandstraße das Einjährig-Freiwillige Examen j Terrasse frühstückend verbracht wurde, stellte er sich mir bestanden. Mit welcher Zensur weiß ich nicht mehr. ! vor: „Kermann Prell." — Das war die Geburts- stunde einer Freundschaft, die äußerlich nur der Tod getrennt hat! — Prell hat mir später gestanden, er hätte fast an seinem Beruf zum Maler gezweifelt, als er mich so mühelos und sicher dasMasaccio-Gesichte kopieren sah. Der Dritte an der Tafel war Carl Roeder. Er wurde Bildhauer. Von ihm stammt unter vielem anderen das Kriegerdenkmal in Gera, seiner Vater stadt, und eine wunderschöne Kleinplastik: ein edler weiblicher Akt in einem Buche lesend. Roeder, ein außerordentlich ruhiger und bescheidener, Mensch, lebte in ärmlich zu nennenden Verhältnissen, bis er nach vielen Jahren durch eine unverhoffte Erbschaft sehr wohl habend geworden war. Ein alter Onkel Bäckermeister hatte ihm sein ganzes großes Vermögen vermacht. In Roeders Lebensweise änderte sich dadurch nicht viel. Nur eine Reise nach Italien gönnte er sich. Ich habe r 5 / s Wär's eine I gewesen, ich hätte es nicht vergessen. Am selben Abend war in den Salons der Frau Pecci- Wilhelmi, der Frau des Lofschauspielers Wilhelmi, als Schluß der Tanzstunden, die sie einem Kreis junger Leute gegeben, ein kleiner Ball. Ich überreichte meiner Tanzstunden-Flamme einen selbstgemalten Fächer. Er war aus Zedernholz gefertigt und duftete wie gespitzte Bleistifte. Tags darauf begab ich mich mit gespitzten Bleistiften, die wie ein Fächer aus Zedernholz dufteten, nach der Akademie auf die Brühlsche Terrasse zur Auf nahmeprüfung, denn — ich wollte ja Maler werden wie mein Vater und mein Onkel Edmund in Rom. Professor Schönherr hieß mich freundlichst will kommen. Wir kannten uns, denn mein Vater hatte ihn einige Tage zuvor,mit mir in seinem Atelier besucht und mich /als einen „Viel-Berufenen" vorgestellt. Mir