Johann Sebaftian Bache Sammlung non Kantaten feines Vettere Johann Lubroig Bach Von William H. Scheide (Princeton, New Jersey, USA) (deutsch von Alfred Dürr) II Ihre Geschichte und ihr Einfluß auf J. S. Bachs eigene Werke (Fortsetzung von BJ 1961 und Schluß') Im folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich auch ein musikalischer Einfluß Johann Ludwig Bachs auf seinen Vetter erkennen läßt. Untersucht man, wie Johann Ludwig Bach die in Alexandrinern gehaltenen Rezitative vertonte, so fällt auf, wie die Zäsur ihn ständig dazu verleitet, die Alexandriner in eintönige, kurzatmige Trimeter aufzuspalten. In BWV 15 /z ist diese Gefahr durch die Unregelmäßigkeit der Zeilen vermieden. Aber die Versuchung dazu zeigt sich doch bei der Vertonung der Zeilen 5 („Wie könnt es anders sein? / ein Mensch, der kann zwar sterben“) und 10 („Wollt durch den letzten Feind / mir auch noch ähnlich sein“). Ein etwas bedenklicheres Beispiel bietet JLB 4/6 (VOK, Beisp. 16). Die Zeilen 3 („Mein Herz vermag sonst nichts, / als was es von dir hat“), 9 („Ich habe dir mein Herz / zu eigen zugedacht“) und 10 („Mein Wollen und Begier [ bleibt dir hinfort verschrieben“) weisen auf die Zäsur nach dem 3. Vers fuß 1 stets eine Viertelnote auf, gefolgt von einer Achtelpause. Die einzigen beiden Rezitative auf Alexandriner in JSBs Werk außerhalb unserer sieben Kantaten sind BWV 22/3 und 204/1. Im erstgenannten trifft man in den Zeilen 4 bis 10 (von „Es sehnt sich nach der Welt“ bis „und die verbotne Lust“) fast ohne Unterschied auf dasselbe Phänomen. BWV 204/1 umfaßt 12 Textzeilen, durchweg in Alexandrinern, deren i„ 3., 5., 6. und 7. genau dieselbe Aufspaltung zeigen. Nur die 2. und 12. Zeile verzichten ganz dar auf. Wenden wir uns wieder jenen sieben Kantaten JSBs (BWV 43, 39, 88, 187, 45, 102, 17) zu, so finden wir einen ziemlich extremen Fall in BWV 39/6, wo die ersten 6 Zeilen in 12 Trimeter aufgespalten werden, jeder einen Takt lang. Etwas mehr Abwechslung bietet BWV 39/2, von dessen 7 Alexandrinern nur 3 isoliert stehende Zeilen (3, 5 und 8) auf solche Weise geteilt sind. Aber das Problem verfolgte Johann Sebastian durch diese sieben Kantaten hindurch; es findet sich fast in jedem Rezitativ, oftmals 1 Vgl. Heinrich Viehoff, Der Alexandriner mit besonderer Rücksicht auf seinen Gebrauch im Deutschen, S. 3: „Wer aber Alexandriner, seien es französische oder deutsche, sich deklama torisch vorträgt, der gewahrt deutlich, daß nach dem dritten Jambus eine rhythmische Pause von einem ganzen Fuße folgt, und eine zweite Pause am Schlüsse der Zeile, so daß der gemessene Vortrag des Verses ganz die gleiche Zeit, wie der eines iambischen Achtfüßlers, in Anspruch nimmt.“