■bhBHHhHHhbhIhiMbH ■hh Zur Methoöc harmonifchcr Änalyfen bei J.S. Bach Von Peter Benary (Luzern) Musikstilistische Wandlungen kommen besonders sinnfällig an denjenigen Veränderungen zum Ausdruck, denen die Relationen zwischen vertikalen und horizontalen Bezügen des musikalischen Satzes unterliegen. Höhe punkte und Schnittpunkte stilistischer Tendenzen sind meist dadurch aus gezeichnet, daß sich Vertikale und Horizontale bei wechselseitiger Durch dringung im Gleichgewicht befinden. Man mag J. S. Bachs Schaffen als Schnitt- oder Höhepunkt musikgeschichtlicher Entwicklungszüge sehen, ihn als Vollender oder als Wegbereiter charakterisieren - in jedem Fall wird man ihm als Melodiker wie als Harmoniker gerecht zu werden ver suchen. Beides hat man vielfach getan, selten aber beide Aspekte ver einigt, selten den Harmoniker unter melodischen oder den Melodiker unter harmonischen Gesichtspunkten gewürdigt. Das satztechnische Gleich gewicht zwischen Vertikale und Horizontale wurde dadurch deutlich, nicht aber deren wechselseitige Durchdringung 1 . Die Tatsache, daß melodisch besonders auffällige Kompositionen Bachs fast ausnahmslos auch harmo nisch besonders reich sind 2 und daß harmonisch besonders interessant ge staltete Werke auch meist den Melodiker Bach deutlich zeigen 3 , spricht bereits dafür, daß nur bei wechselseitigem Einbezug des Melodischen wie des Harmonischen das eine wie das andere wesensgemäß zu erfassen ist. Bei harmonischen Analysen hat man zu unterscheiden zwischen den klang lichen Ergebnissen und dem harmonischen Denken, das zu ihnen führt. Das bedeutet methodisch: man hat mit den harmonischen Gegebenheiten der jeweiligen stilistischen Situation zu rechnen, ohne spätere in sie hinein zutragen 4 . Das betrifft auch die Terminologie, da sie dazu beitragen sollte, die harmonischen Verläufe und Gegebenheiten in angemessener Weise zu benennen. Nur diejenige harmonische Analyse ist methodisch, also auch in 1 Wichtigste Vergleichsliteratur: A. Halm, Zur Chromatik Bachs in: Von Ländern und Grenzen der Musik, 1916; E. Kurth, Grundlagen des linearen Kontrapunkts, 1917; M. Zu lauf, Die Harmonik J.S. Bachs, Berner Veröff. zur Musikforschung, Heft 1, 1935; H. Keller, Studien zur Harmonik J. S. Bachs in: BJ 1954; C. Dahlhaus, Versuch über Bachs Harmonik in: BJ 1956; B. Stockmann, Über das Dissonanzverständnis Bachs in: BJ i960; H. Federhofer, Bemerkungen z um Verhältnis von Harmonik und Stimmführung bei Johann Sebastian Bach in: Festschrift Heinrich Besseler zum sechzigsten Geburtstag, Leipzig 1961. 2 Fuge e-Moll im Wohlt. Klav. I; Sinfonie /-Moll; Agnus Dei aus der ^-Moll-Messe; Kantate zi: „Seufzer, Tränen, Kummer, Not“. 3 Vgl. die unten besprochenen Kompositionen. 4 Selbst die verdienstvolle Arbeit von C. Dahlhaus (s. Anm. 1) entgeht dieser Gefahr nicht immer, indem sie einzelne Töne als Terz oder Quint nicht erklingender Drei klänge deutet und manche Klänge andere „vertreten“ läßt. Dergleichen ist bei Bach wenig wahrscheinlich, aus dem zeitgenössischen Schrifttum wohl auch kaum zu rechtfertigen.