Typographische Mitteilungen

TYPOGRAPHISCHE MITTEILUYGEY ZEITSCHRIFT DES BILDUNGSVERBANDES DER DEUTSCHEN BUCHDRUCKER BERLIN 27. JAHRGANG • HEFT’ 5 • MAI 1930 • MIT DER STÄNDIGEN BEILAGE »DER SPRACHWART« w eseu und Zweck tler neuen Typographie Es ist eine bekannte Tatsache, daß von jeher gerade die am schärfsten Kritik üben, die nicht auf der Höhe der Zeit stehen. In meiner Praxis habe ich oft Gelegenheit, zweckmäßige Akzidenz arbeiten herzustellen, und die Kundschaft ist trotz ihrer konservativen Art befriedigt, aber nur deshalb, weil ich nie extravagante Arbeiten ausführe, sondern stets danach trachte, mit irgend einem Motiv den Zweck anzudeuten und daneben die Schrift in origineller, aber übersichtlicher Art auf der gegebenen Fläche zu verteilen. Bestimmend ist der gute Geschmack und die Vor nehmheit, die trotz werbekräftiger Wirkung zur Geltung kommen sollen. Jede derartige Arbeit muß organisch verbunden sein; elementarer Schmuck und die dazu passende Schrift sollen miteinander abwechseln bzw. einander ergänzen. Wenn wir die Entwürfe der Preisausschreiben betrachten, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, so muß doch zugegeben werden, daß die strebsame Setzergilde schöne Erfolge erzielte. Man stelle einmal diese Entwürfe neben solche der früheren Epochen, dann wird man unschwer den Fortschritt in der Aufteilung der Fläche wahrnehmen. Jede frühere Akzidenzausstattung hat uns ein Material in die Hand gegeben, das den Buchdrucker in den Stand setzte, vielseitige und schöne Arbeiten herzustellen. Für die elementare Typographie ist bis heute wenig Material auf den Markt gekommen, mit dem es möglich wäre, vielseitige, zweckmäßige Arbeiten her zustellen. Sowohl das Linien- wie das Schmuckmaterial dürften eine Bereicherung erfahren, die diesem Mangel entgegenkommen könnte. Wir müssen imstande sein, Berufsgildenzeichen, Figuren, Monogramme, Gerätschaften, kreis- und rhomboidförmige und ovale Elemente her zustellen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Daß dies für die Zeichner solchen Materials nicht leicht ist, das beweist eben sein Fehlen. Wo das Gießereimaterial nicht ausreicht, muß die gezeichnete bzw. die geätzte Arbeit oder der Tonplattenschnitt in die Erscheinung treten. Oft kann auch hier mit geringen Mitteln das Zweckdienliche erreicht werden. Für die Flächen dekorative wirkt die gegensätzliche Anlage sowohl im Motiv wie in der Farbe am besten; ge meint ist damit, daß zum Beispiel zwei nebeneinanderstehende Farbflächen die Motive gegen seitig aufnehmen und ergänzen. Diese überleitende Motivverschiebung, wenn man sich so ausdrücken kann, ist eine typische Erscheinung der elementaren Typographie. Wenn ich mich hier mit einigen Anregungen über die elementare Typographie verbreitete, so sollen das nur einige bescheidene Vorschläge sein zur weiteren Einführung dieser neuen Satzart auch dort, wo sie bisher noch mit skeptischen Gefühlen aufgenommen wurde. Mögen unsere Leser auch ihrerseits zu dieser dankbaren Aufgabe beitragen. Fritz Neukomm, Bern