TILLA DURIEUX Tilla! Ruft sie Gemahl, Dienerin, Magd Und Aras, der Papageimandrill. Diese Bühnenherrin, die so sehr Des Kindes Zuspruch Und grösser Zärtlichkeit bedarf. Die Kulisse atmet, Und unter ihren Füssen Ballt eine Erde sich auf, Blüht ein Tal, Rauscht ein verwegener Strom, Murrt Lava im Fels. Als sie die Katharina spielte Trug diese slawische Simsonin Russland auf ihrer Schulter ins Haus. Wie im Leben voll Mut (Mut macht einen Charakter aus), Las sie aufbäumende Verse, Kämpfte mit zurückgelassenem Wort Fern weilender Dichter, Immer wieder aus Gerechtigkeit. Mit altem Hugenottenblute gemalt, Im Ebenholzrahmen auf Elfenbein vergilbt Lächelt Tilla aus der Urahnin Antlitz. Und wie sie sich entzaubern kann, Bleibt sie auch immer eine schenkende Schelmin, Ein weiblicher Nikolas. Aus St. Paulis Matrosenkneipe, So eine Lose ... „Komm in meine Lie—beslaube“ Trillert sie wirklich charmant. Und am Abend aus weissem Opal Die Rhodope im Theater zu spielen: Geweihte Frau im häuslichen Hain. Den Schauspielen Shaws Setzt sie eine schimmernde Nase auf, Dann ist Tilla die grosse Clownin. Barlach formte ihren Kopf In bläulich Porzellan, Als Kleopatra malte sie Slevogt. Senken sich ihre witternden Vogelaugen, Dann schwankt die Bühne vor Todesbeben: Alkestis. Oft aber schweben die seltsam seltenen Grauen Vögel unter feinen Brauenbogen weit fort, Als ob sie nie wiederkehren. Else Lasker-Schüler 179