DIE LETZTEN TAGE MARCEL PROUSTS Von MARIE SCHEIKBVITCH M it Trauer gedenke ich des 18. November 1922. Ich selbst war leidend und seit Wochen ans Bett gefesselt, als ich die Todesnachricht bekam. Sie überwältigte mich. Ich hatte mich an den Gedanken gewöhnt, daß Marcel dauernd kränkelte; doch ihn stumm und leblos zu denken, dagegen wehrte sich mein Geist. Nach oft langen Pausen, in denen er der Welt unsichtbar blieb, erschien er dann plötzlich, so lebensvoll in seiner alles umfassenden Wißbegierde und wachen Bosheit, die sich hinter Bescheidenheit verschanzte, um eine neue Ein zelheit an einem ihn beschäftigenden Gegenstand zu erhaschen, daß ich ihn für fähig hielt, es mit der Krankheit aufzunehmen. Hatte er nicht stets behauptet, daß er sich besser zu pflegen verstünde, als irgend ein anderer, hatte er nicht eine Lebensweise gefunden, die seiner stabilen Gesundheit zusagte? Es schien mir unbillig, daß Marcel Proust gerade in dem Augenblick, in dem der Erfolg sich einzustellen begann, dahingehen mußte. Obwohl er mir oft versichert hatte, daß der Ruhm ihm gleichgültig sei, wußte ich, wie glücklch ihn die ersten Anzeichen des Erfolges gemacht hatten. Und doch hatte er mir geschrieben: „Wenn wir bedauern, daß eine Tote nicht weiß, daß sie es nicht 840