Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

mit Bedauern gegen das Gesuch oder vielmehr wider die Beschwerde stimmen muß, so kann ich doch andererseits die Erwartung nicht aufgeben, daß der Antragsteller auf einem anderen Wege seine Rehabilitation suchen müsse, auf dem Wege der Petition und etwa unter Benutzung des von den Advocatenkammern gegenwärtig zu erlangenden Gut achtens. Ich weiß nicht, ob sich die Debatte schon über den allgemeinen Schlußantrag mit erstreckt oder ob zu vörderst die Frage wegen der Minkwitz'schen Beschwerde erledigt werden soll? Präsident Haberkorn: Die Debatte ist über den ganzen Inhalt des Berichts eröffnet. Abg. Reiche-Eisen stuck: Dann würde ich also übergehen können zu dem Anträge der Deputation^ der Seite 670 steht: „Der Staatsregierung gegenüber dem Wunsche Aus druck zu geben, daß die nachtheiligen gesetzlichen Folgen, welche die verübten und beziehentlich bestraften politischen Verbrechen des Jahres 1849 nach sich gezogen haben, durch einen allgemeinen Gnadenact bald beseitigt werden möchten." Dieser Antrag leidet an einer solchen Unklarheit und die Tragweite desselben, wenn er angenommen würde, ist so schwer zu erkennen, als daß man sich sofort für oder gegen denselben entscheiden könnte. Es ist keine Frage, wenn der Antrag enthält, daß überhaupt alle nachtheiligen ge setzlichen Folgen durch einen allgemeinen Gnadenact aufgehoben werden, beziehendlich der bestraften oder ver übten politischen Verbrechen des Jahres 1849, so leidet derselbe an einem zu großen, gefährlichen Umfange von einem excedirt habenden Primaner bis hinauf zu Tzschirner, Todt und Consorten. Ich erwähne beiläufig, daß sogar das Jahr 1849 zu nennen unzulässig sein würde, denn es können sich in ganz gleichem Falle Verbrecher befinden, die nachtheiligen Folgen noch ausgesetzt sind aus früherer oder späterer Zeit, von 1848 oder 1850. Doch das ist Neben sache. Mein Kammereid aber sagt mir, daß ich meinem Wissen und Gewissen gemäß nur dann.abstimyren könne und dürfe, wenn ich mir klar über Absicht und Wirkung bin. Hier aber bin ich mir nicht klar. Es scheint mir, die Deputation hat sich genöthigt gesehen, aus den von mir schon angegebenen Gründen darauf anzutragen, daß die specielle Beschwerde des vr. Minkwitz auf sich beruhe. Sie hat sich aber vielleicht durch ihr Gefühl hinreißen lassen, weiter zu gehen und in diesen zweiten Antrag zu verfallen. Wenn ein allgemeiner Gnadenact stattfinden, wenn er alle nachtheiligen Folgen aufheben soll, die selbst nur im Jahre 1849 begangen worden sind, so ist in der Thal die Trag weite gar nicht zu übersehen. Man weiß nicht, wie man gewissenhaft darüber abstimmen soll. Was die Frage be trifft, ob durch einen Antrag dieser Art, auch nur als Wunsch präcisirt, die Rechte der Krone gewahrt sind, darüber werde ich später sprechen. Meiner Meinung nach würden die Rechte der Krone dadurch wenigstens indirect verletzt. Es ist ein schönes Recht der Krone, das Be gnadigungsrecht. Gott sei Dank, in unserem glücklichen Vaterlande liegt dieses hochwichtige Recht in milder und gerechter Hand, in einer milden Hand, wie durch vielfältige Erfahrungen bewiesen ist und daß Gerechtigkeit und Milde sich wohl vereinbaren lassen, wenn es sonst nur die Wohl fahrt des Staates zuläßt. Aber können wir urtheilen, wenn ein Gnadenact noch nicht erfolgt ist in den einzelnen Fällen, welche Beweggründe dieser Milde der Krone ent gegengetreten sind? Und wollten und könnten wir uns dafür verwenden, dann müssen wir auch die Frage stellen, ob wir im Interesse der Wohlfahrt des Vaterlandes dabei handelten. Was soll auch auf einen Antrag dieser Art ge schehen? Soll die Krone den Wunsch sofort erfüllen, einen Wunsch, den sie gewiß schon früher reiflich erwogen hat? Nun, dann würde der Begnadigte nicht der Krone zu dan ken haben, sondern der Kammer. Geschieht cs nicht, so kann es der Kammer nicht gleichgültig sein, wenn der Beschluß auf einer so unreifen Erwägung beruht, daß er keine Erfüllung findet. Man muß in Gefühlsangelegen heilen die Politik des ehrlichen Mannes, welche in der Kammer in anderer Beziehung schon einmal erwähnt wor den ist, nicht aus den Augen lassen. Man muß Seiten der Kammer ungescheut, ob die ausgesprochene Ansicht hier und da Beifall findet oder nicht, ob man auch verdächtigt werden könnte, daß man kein Gefühl habe, in einem Theile der Presse mitgenommen, seiner Popularität geschadet wer den könne, nach seiner Ueberzeugung gegen den Antrag stimmen. Ich fürchte mich nicht davor, welchen Miß deutungen auch meine Aeußerungen ausgesetzt werden könn ten. Ich stehe fest auf meinem Rechtsgefühl, auf mei nem Gewissen und so will ich auch am Abende meiner Tage fest und vorwurfsfrei heimgehen und treu bleiben meinem Kammereidc, die Staatsverfassung treu zu be wahren und in der Ständeversammlung das unzertrennliche Wohl des.Königs und des Vaterlandes nach meinem besten Wissen und Gewissen bei meinen Anträgen und Abstim mungen allenthalben zu beobachten. Soll aber vielleicht die Annahme eines Antrags dieser Art, wenn auch erfolglos, wenn auch unbegründet, wenn auch unrechtmäßig, doch als eine Art Demonstration gelten? Nun, meine Herren, dazu gebe ich mich wenig stens meinerseits nicht her. Ich habe keine Demonstration mit gemacht für den König von Neapel; ich mache über auch keine Demonstration für eine Wewegungspartei, die denn doch manchen Unbefangenen irre führen könnte. Ich gehe meinen nnverrückten Weg der Ueberzeugung; ich bin daher der Meinung, daß die Kammer hier bei diesem un-- klaren Anträge, wo man nicht weiß, wofür man abstimmen soll, welche Folgen er haben kann, inwieweit die Rechte der Krone dabei gewahrt werden, deren Rechte wir ebenso,