Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

4364 III K. 108. Sitzung, am 29. November 1912 (Abg. vr. Dietel.) (^.) Lesung der Deputation beschlossen hatten, ein Hospitier recht des Direktors gar nicht ausschließt. (Sehr richtig!) Noch ein kurzes Wort zu dem nationalliberalen An träge des Herrn Abg. Hettner! Er deckt sich in der Hauptsache mit der Regierungsvorlage. Er führt nur die Kautel ein: „soweit es im Interesse des Unterrichts betriebes nötig ist" und die weitere Kautel: „ohne deren methodische Selbständigkeit" — gemeint sind die Lehrer — „zu. beeinträchtigen". Wir können mit der letzten Kautel gar nichts anfangen, sie ist so kautschukartig, daß sie ganz und gar in das Belieben des Direktors gestellt wird. Für die erste Kautel konnte ich mich aber in der Deputation erst selbst begeistern, nein, ich will nicht sagen: begeistern, aber wenigstens mich damit einverstanden erklären. Ich stand auf dem Standpunkte, den der Herr Berichterstatter in dem Berichte niedergelegt hat mit den Worten: sie kann einen schikanösen Gebrauch des Hospitierrechtes ausschließen. Nachdem in der Deputation der jenseitigen Kammer — der Herr Mitberichterstatter Lange hat schon darauf hingewiesen — gesagt worden ist, daß es selbstverständlich sei, daß nur der Direktor darüber zu befinden habe, ob das Hospitieren im Interesse des Unterrichtsbetriebes nötig sei oder nicht, und daß diese Auffassung dann schon gegeben erscheine, wenn der Direktor von der Lehrweise und der sonstigen Befähigung des Lehrers sich Kenntnis verschaffen wolle, und nachdem, der Herr Mitberichterstatter vr. Schanz vorhin diesen Standpunkt nochmals charakterisiert hat, können wir diese Kautel nicht als eine Kautel ansehen zur Verhinderung des Mißbrauches des Hospitier- rechtes, sondern nur als eine Kautel zur gesetz lichen Sanktionierung des Mißbrauches. (Sehr richtig!) Wir haben geglaubt, als wir in der Deputation dieser Kautel zustimmten, daß dann in Streitfällen natürlich die vorgesetzte Behörde — es wird sich vor allen Dingen um den Bezirksschulinspektor handeln —, also dieser entscheiden soll, ob es im Interesse des Unter richtsbetriebes liegt oder nicht. Wir müssen nunmehr erklären, daß wir nicht imstande sind, dem national liberalen Anträge zuzustimmen und auch nicht dem Anträge der Deputationsmehrheit. Auf die Anträge zum Konferenzrechte lasse ich mich mit keinem Worte ein. Die Anträge hat schon der Herr Berichterstatter vr. Seyfert eingehend begründet. Ich erkläre nur, daß ich zugunsten des nationalliberalen Antrages in bezug auf das Konferenzrecht den von mir im Berichte gestellten Minderheitsantrag namens meiner (0) Frakrion zurücksiehe. Wir werden für den national liberalen Antrag stimmen. Zum Schluffe noch das eine! Wir glauben, daß durch die Regelung des Hospitierrechtes im Sinne unseres Antrages und durch die Regelung des Konferrenzrechtes im Sinne des nationalliberalen Antrages ein Prinzip eingeführt wird in unsere Unterrichtsverwaltung, das wir für unumgänglich notwendig halten, das Prinzip der kräftesteigernden und kräftelösenden Selbstverantwortlichkeit und der das Pflichtgefühl hebenden und das Gewissen schärfenden Mitarbeit der Lehrer. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Wenn in einer Zuschrift, die zweifellos von einem ^Direktor stammt — sie ist nicht unterzeichnet — uns vorgehalten wird, man solle nie in die Beurteilung einer Materie Prinzipien hineintragen, die ihr nicht immanent seien, so möchten wir darauf sagen: wir kennen nichts, was das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit mehr fordert und dem das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit so direkt innewohnt als die unterrichtliche Tätigkeit des 'Lehrers. Für diese Auffassung, meine Herren, haben wir einen ausgezeichneten Kronzeugen. Kein Geringerer als der Herr Kultusminister selbst hat den Grundsatz gebilligt. Er hat auf der Lehrerversammlung in Chemnitz im Jahre 1902 zu der lauschenden Lehrerschaft ein herrliches Wort gesprochen: „Die Lehrer werden mit viel Segen geschmückt, wenn sie, dem Vorbilde unseres göttlichen Meisters folgend, in derselben Treue das Werk der Jugend erziehung und Jugendbildung auf den herrlichen Grundsätzen eines ihres großen Landsmannes aufbauen, Or. Friedrich Dittes." Meine Herren! Das Ideal unseres großen Landsmannes Or. Dittes, dem er zeitlebens nachgestrebt hat, für das er gekämpft hat mit Wort und Feder und für das er gelitten hat, ist das Ideal der freien Schule und der freien Lehrerpersönlichkeit gewesen. Sein Ideal war ein Lehrer, der auf Grund feiner Vorbildung und kraft seiner pädagogischen Überzeugung allein die Verantwortung für die unterrichtlichen Maßnahmen zu übernehmen imstande ist und der seine Arbeit nicht tut, weil er weiß, daß so und so viele Aufsichtführende über ihm stehen. Der Herr Minister hat jetzt die Klinke der Gesetzgebung in der Hand; er hüt es in der Hand, seinen von ihm selbst gutgeheißenen Grundsatz hier in die gesetzliche Bestimmung einzuführen. (Sehr gut!)