308 Architektur seit 1S66 X I I. ARCHITEKTUR SEIT 1866 Von Frankfurter Architektur kann in diesem Schlußkapitel kaum mehr gesprochen werden. Kur noch von Architektur in Frankfurt. Bis 1866, in welchem Jahre Frankfurt von Bismarck für seine Treue zum Deutschen Bund zur preußischen Provinzstadt gemacht wurde, besaß die Freie Stadt eine eigene Architektur, mochte sie auch von Nicolas de Pigage oder Salins de Montfort geführt werden. Der fest in sich gefügte Stadtkörper besaß Kraft genug, geistige Strömungen von sich abzulenken, die nicht seines Geistes waren. Als Hauptstadt des Deutschen Bundes nahm man von den Bundesgesandten und Diplomaten nur wenig Notiz. Die Frankfurter blieben freie Bürger. Ihren Stolz berührte die bunte Welt um das Bundespalais nicht. Zwar waren die Mauern und Bastionen gefallen, aber ihr Band lag immer noch um die Freie Stadt, Stadt und Bürgerschaft zusammen haltend. In der Neuen Mainzer (Abb. 202), Hoch-, Bleich-, Seiler und Langen Straße hatte sich ein neuer, einheitlicher Straßengürtel um die Innenstadt herumgelegt, dessen Bauten wahrhaft und edel in einem waren. Noch machte man keinen Unterschied zwischen vorderer Prunk- und hinterer Schandfassade. Die Namen Bleich- und Seilerstraße erinnerten an die Leinenbleicher und Seiler, die einst hier hinter der alten Stadtmauer ihr Gewerbe trieben. Auch in den Anlagenstraßen und an den ausstrahlenden Landstraßen, die jenseits der Wallpromenaden sich mit weißen Landhäusern in gepflegten Gärten füllten, herrschte bis in die 60er Jahre hinein die gemessene Vornehmheit des Salinsschen Stiles. Die Reise beschreibungen dieser Zeit ergehen sich in anmutigen Schilderungen dieser stillen Welt. Am schönsten hat Wilhelm Raabe in seiner Novelle „Eulenphngsten“ die Grazie der Bauten und Menschen dieses späten Frankfurter Biedermeiers einzufangen gewußt. Sie spielt in der Hanauer Landstraße. Früher begegnete man noch öfter alten Frankfurter Damen und Herren, die in dieser Zeit groß ge worden waren. Aus ihnen strahlte die gleiche gütige, aber auch zurückhaltende Geistigkeit. Die leicht verschnörkelte Rede wurde