etwas, das uns — dreidimensional bcanlagten Menschen — als inkommensurabel zu gelten hat; denn unsere VorstcllungSnamen chocch, chreick und siiesi sind in der Musik nicht reelle, sondern fiktive Decknamen, armselige Ersatzbezeichnungen. Als ein anderer Interessent für Bachs vorgelegte Zeilensyllogie kommt der Ästhetiker in Betracht, der Ästbctiker als Kunstbiolog. Ihn beschäftigt die Frage, ob die vier Choralzeilen in Bachs Syllogie auseinander wesentlich oder unwesentlich angewiesen sind, ob eS sich um ein wechselseitig unkündbares Füreinander oder um ein leicht lösliches Nebeneinander handelt, — um eine Symbiose oder Parabiose; ob die Einzellcistungen der fünf Manuallinien auch melodisch erkennbar sind, oder ob sie — auf zwei Hände ver teilt — nur harmonisch, wie ein akkordbildendes Miteinander zur Geltung kommen. Als dritter, längst noch nicht letzter Interessent klopft der Mu sikhistoriker an und berichtet, daß solche Mclodiekoppclungen in alter Zeit nicht selten Vorkommen, auch in der Geschichte des evan gelisch-geistlichen Liedes. Den römischen Namen Choral hat sich unser Kirchenlied erst in dritter Generation beigelegt. Im übrigen verweist der Historiker auf Koppelungen von Weihnachtsliedern um 1600 und vergißt es nicht, mit besonderem Nachdruck an Mi chael Prätorius zu erinnern; dieser Grenzwächter der alten und der neuen Kunst hat drei verschiedene Weihnachtslieder aufeinander kom biniert: „Singet frisch und wohlgemut", ,chlaAnum nomen Do mini" und „Unnc Lngelornm gloria". Im Falle Bach aber no tiert der Philolog, daß die Schlußzcilc „Vom Himmel hoch" sich Ton für Ton mit der Schlußzeilc von „Ein feste Burg" deckt; und auch sonst erbeutet man leicht Homonymien, ohne von Beruf Reminiscenzcnjäger zu sein. Die erste Zeile „Freuet euch ihr Chri sten" — Kantate 40 — gleicht der ersten Zeile „Jesu, meine Freude". Nun muß jeder philologische Historiker auch Biograph sein kön nen; und in unserem Sonderfall fragt er, in welches Jahr und zwischen welche Werke Bachs die Choralvariationen „Vom Himmel hoch" fallen; er überzeugt sich davon, daß Bach — eine Genera tion früher, in seiner Weimarer Zeit — wesentlich anders gestal tete; daß der junge Bach vor wesentlich andere Aufgaben gestellt war und sich von wesentlich anderen Kompositionsreizen angezogen