72 Kleine Beiträge wurst 6 in bestimmten Details korrigiert worden. Insbesondere konnte festge stellt werden, daß Johann Sebastian Bach sich irrte, als er Johann Bach als „Director derer Raths-Musicanten“ in Erfurt bezeichnete und die Übernahme des Organistenamts an der Predigerkirche als „nach etlichen Jahren“ (bezogen auf 1635) geschehen beschrieb: In Wirklichkeit war Johann Bach nur Mitglied und niemals Direktor der Ratsmusiker, 7 und die Organistenstelle hatte er be reits am 16. April 1636 angetreten. 8 Angesichts der im ganzen spärlichen dokumentarischen Überlieferung ist jede Quelle willkommen, deren Erschließung helfen kann, die vielen noch offenen Fragen zur Erfurter Geschichte während des Dreißigjährigen Krieges zu be antworten. Die im Erfurter Stadtarchiv unter einer Sammelrubrik 9 aufbewahr ten sogenannten Lehnungs-(Löhn\mgs-)Rollen stellen eine solche bislang unaus- gewertete Quelle dar; in bezug auf die Erfurter Angehörigen der Bach-Familie liefern sie in unerwartetem Maße neue Fakten und Aufschlüsse. 10 Bei den "Leimungs-Rollen handelt es sich um handgeschriebene Bücher, in denen die Viertels-Vormünder oder Stadthauptleute der Viertel Andreas, Johannis, Viti und Mariae für jedes Jahr, von i632bis 1666, sämtliche Bewohner nament lich erfaßten, um von ihnen Sonderabgaben einzutreiben. Diese zusätzlichen Steuern hatte die schwedische Besatzung erhoben, um damit ihren Soldaten den Sold auszahlen zu können, aber auch zur Unterhaltung „ihrer Hofstadt“. Zu den Lehnungs-Rollen gehören handschriftliche „Wegweiser“ in Buchform, die die Stadtviertel, Pfarreien, Straßen und Plätze angeben, die Häuser, soweit diese schon einen Namen hatten (Nummern wurden erst 1690 eingeführt), und die Familienvorstände mit Berufsbezeichnung, zum Beispiel: „Johannis-Viertel, St. Laurentij, Neidecke, Valentin Lämmerhirt sen., Kürschner im Hause ,Zu den drey Rosen“.“ Als Neidecke wurde der kleine Platz bezeichnet, an dem Kürschnergasse, Rupprechtsgasse und Junkersand zusammenstießen. Das be schriebene Haus entspricht der heutigen Nr. 3 auf dem Junkersand. Nach der im „Wegweiser“ angegebenen Route wurden die Abgaben verein nahmt. Ausnahmslos jeder Einwohner, ob Bürger oder Nichtbürger, Rats diener oder Tagelöhner, hatte die Besatzungslasten mitzutragen. Somit stellen die Lehnungs-Rollen und Wegweiser bisher ungenutzte echte Adreßbücher dar. Im Zusammenhang damit tritt eine Sehenswürdigkeit Erfurts in das Blickfeld: das auf der weltbekannten Krämerbrücke befindliche Haus „Zum schwarzen Roß“, das Haus der Stadtmusikanten,seit der Gründung der Erfurter Stadt musikanten-Kompanie im Jahre 1624. Als Johann Bach in der zweiten Hälfte des Jahres 1635 nach Erfurt kam, um 6 Johann Bach (1604-1613 ) und sein Bruder Heinrich (1615-1692 ) als Musiker in Schiveinfurt, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 36, 1976, S. 65-79. 7 Orth (vgl. Fußnote 4), a. a. O., S. 448. 8 Rollert (vgl. Fußnote 5), a. a. O., S. 204. 9 Stadtarchiv Erfurt, 1-1 XXII/6. Als Stadtmusikant belegt ist Johann Bach bereits am 4. Februar 1648 (Taufe seiner Tochter Eva Maria, Taufbuch der Kaufmannskirche). 10 Vgl. H. Brück, Johann Bach - einst Direktor der Stadtmusikanten?, in: Thüringer Tageblatt (Weimar), 17. Dezember 1988; dies., Die „Bache“. Zur Geschichte der Erfurter Studtmusikan- ten, in: Aus der Vergangenheit der Stadt Erfurt. N. F. Heft 4 (1988), S. 32-43.