34 Tatjana Schabalina Partiturfragment und die erwähnten Stimmen sind einen Ton tiefer notiert als die auf gleichem Papier geschriebene Continuo-Stimme und die Stimme für Viola da Gamba. Schon deswegen kann die Vereinigung aller dieser Stimmen in eine Köthener Fassung, wie in der Neuen Bach-Ausgabe vorgeschlagen, nicht ganz überzeugen. Das Autograph der Violino-I-Stimme im Puschkin-Haus beweist, daß Bach nach der Umarbeitung der Schlußarie der Kantate alsbald eine völlig neue Fassung dieses Werkes für eine andere Besetzung herstellte, bei der alle Streicherstimmen und der Continuo in Kammerton-d-Moll notiert wurden. Überliefert sind von dieser neuen Fassung speziell die Stimme Violino 1 aus der Sammlung des Puschkin-Hauses, die Viola da Gamba und der Continuo - allesamt auf Papier mit dem Wasserzeichen Weiß 13. 45 Die Rückkehr Bachs in Köthen zu einer in den Weimarer Jahren geschaffenen Kantate für Solosopran mag in jenen Zeitabschnitt gehören, in dem Anna Magdalena, die Tochter des Weißenfelser Trompeters Johann Caspar Wilcke, seit Dezember 1721 Ehefrau und treue Gehilfin des großen Komponisten, in sein Leben getreten war. Anscheinend wurden in Köthen auch die Stimmen der erwähnten Solosopran-Kantate von Francesco Conti für ihre Interpretation eingerichtet. 46 Von seiner Weimarer Kantate „Mein Herze schwimmt im Blut“ arbeitete Bach zuerst die Schlußarie für Anna Magdalenas Stimme um, danach die ganze Kantate. Von allen heute erhaltenen, vor der Köthener Zeit ent standenen Bach-Kantaten ist BWV 199 bekanntlich das einzige für Solosopran bestimmte Werk. Deswegen ist es nicht verwunderlich, daß in jenen Jahren Bach gerade diese Kantate für Anna Magdalena auswählte und daß er auch das Stimmenmaterial größtenteils selbst anfertigte. Somit finden viele bis heute umstrittene Fragen über die Köthener Fassung von „Mein Herze schwimmt im Blut“ eine ausreichend natürliche Antwort. Als Ausgangsfassung dieser Jahre kann die letzte Arie für Sopran. Oboe. Violino, Viola, Violoncello (Viola da Gamba?) und Continuo (mit Beibehaltung der völlig verschiedenen Version der Kantate mit einer veränderten Besetzung. Dann müßten jedoch außer den erhaltenen Stimmen für Violine und Viola (jeweils nur Schlußsatz) auch andere Sätze dieser Fassung sowie ihre zugehörigen Stimmen vor handen sein, oder aber es war die Aufführung nur der Schlußarie mit Sopran. Oboe. Violine, Viola, Viola da Gamba und Continuo vorgesehen. 45 Leider sind nicht alle Stimmen dieser Fassung auf uns gekommen. Aber aufgrund des erhaltenen Materials kann man annehmen, daß hier Sopran, Violino 1 und II. Viola, Viola da Gamba und Continuo beteiligt waren. 46 Dabei hat Bach allem Anschein nach diese Kantate schon in Weimar gekannt und aufgeführt, da eine Partiturkopie von seiner Hand mit dem eigenhändigen Schlußvermerk „Fine / an 1716“ erhalten ist. Und wie bei BWV 199 griff er in den Köthener Jahren auf die Conti-Kantate als ein für Solosopran bestimmtes Werk zurück.